Leutkirch (rei) - „Leutkircher Köpfe“ – das ist ein anspruchsvolles Spezialformat der von Bernd Dassel vor mehr als 20 Jahren gegründeten Gesprächsreihe „Talk im Bock“. Bei der Internetrecherche nach „Leutkircher Köpfen“ sind wir auf eine Reihe gleichen Namens gestoßen, die auf der Homepage der Stadt Leutkirch ein Schattendasein führt. Stadtarchivarin Nicola Siegloch hat unter dieser Rubrik Porträts historischer Persönlichkeiten versammelt, die einen engen Bezug zu Leutkirch haben. Mit Erlaubnis von Frau Siegloch hat die Bildschirmzeitung „Der Leutkircher“ eine Reihe aufgelegt und erinnert in diesen Tagen an acht bedeutsame Persönlichkeiten. Begonnen haben wir die Serie am 25. August mit einer Erinnerung an Ludwig Baumann. Am 26. August folgte das Porträt von Dr. Hans Erich Blaich. Nun ein Lebensbild der Anna Katharina Sulzer-Neuffer:
Anna Katharina Sulzer-Neuffer
Hausfrau und Mutter. Geboren am 5. Februar 1778 in Leutkirch im Allgäu. Gestorben am 27. Januar 1858 in Winterthur/Schweiz
Anna Katharina Neuffer entstammt einer angesehenen Apothekerfamilie in Leutkirch. Als die Familie jedoch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, musste der Vater sie und eine ihrer Schwestern in die Schweiz in Stellung geben. Im Frühjahr 1795 reisten die Schwestern über Buchhorn und Romanshorn nach Winterthur. Anna Katharina trat dort ihre Stelle bei Hofrat Johann Sebastian von Clais auf dem Lindengut an. Im Hause der Familie Clais wurde Katharina wegen ihres Charakters und Fleißes sehr geschätzt. Während ihres Aufenthalts im Clais’schen Haus lernte Katharina den jungen Schlosser Jakob Sulzer kennen. Sein Vater besaß die erste Messinggießerei in Winterthur und stand in engen geschäftlichen Beziehungen zum Hause Clais. 1805 heirateten die beiden und 1806 bzw. 1809 kamen die Söhne Johann Jakob und Salomon zur Welt. Katharina Sulzer-Neuffer erwies sich als treusorgende Gattin und als vortreffliche Mutter. Sie unterstützte ihren, stärkeren Stimmungsschwankungen unterworfenen, Mann nach Kräften und stimmte ihn immer wieder zuversichtlich, wenn er angesichts der wirtschaftlichen Probleme in den ersten Jahren zuweilen den Mut verlieren wollte.
Die Eltern hatten schon früh bestimmt, dass die Söhne einmal das väterliche Geschäft übernehmen sollten. Um sie für ihre Aufgabe möglichst gut vorzubereiten, schickten sie ihre Söhne nach der Schulzeit und der Lehre beim Vater ins Ausland. Jakob arbeitete in Lyon und Paris, Salomon in Deutschland. Nach ihrer Rückkehr bauten die beiden Brüder 1834 mit Hilfe ihrer Eltern die erste Werkstatt, die Gründung der Firma Gebrüder Sulzer. Mutter Katharina Sulzer-Neuffer, eine starke Persönlichkeit, gab ihrem Mann und ihren Söhnen vollen Rückhalt. Laut ihrem Biographen Isler kümmerte sie sich um die Arbeiter, brachte ihnen Essen und sorgte für ihre Unterkunft – sowohl in der Gründerzeit des Unternehmens als auch dann, als die Gebrüder Sulzer bereits mehrere hundert Angestellte hatten. Allerdings sind diese Angaben nicht belegt, in der neueren Literatur wird Islers Biographie „als recht romanhaft und nicht ohne literarische Ambitionen“ (Labhart) bezeichnet. Da Isler Ungenauigkeiten und Fehler nachgewiesen wurden, müssen seine Ausführungen eher kritisch betrachtet werden.
Nach dem Tod ihres Mannes Jakob Sulzer 1853 begannen sich auch bei ihr die Altersbeschwerden bemerkbar zu machen. Bis zu ihrem Tode 1858 blieb sie trotz ihres immer schlimmer werdenden Gichtleidens die allzeit sorgende Mutter nicht nur für die Familie, sondern auch für die nun so zahlreich gewordenen Belegschaft der großen Fabrik. Ihr letzter Wunsch soll gewesen sein, dass nirgends so gut für die Arbeiter gesorgt werde wie bei den Gebrüdern Sulzer.
Nicola Siegloch
Literatur
Alexander Isler: Die Frau als Gattin und Mutter. Katharina Sulzer-Neuffert. In: Die Schweizer Frau. Ein Familienbuch. Hrsg. vom Gertrud Villiger-Keller. Neuenburg 1911.
Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik Bd. 40: Walter Labhart: Johann Jakob Sulzer-Hirzel, Salomon Sulzer-Sulzer. Gründer der Gebrüder Sulzer in Winterthur. Hrsg. vom Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich 1999
Die Reihe wird fortgesetzt
Gedenktafel am Haus Marktstraße 16.