Leutkirch - In den Schaufenstern des Stadtarchivs, Marktstraße 8, sind derzeit große, farbige Geldscheine im Wert von beispielsweise 50 Millionen, einer Milliarde oder fünf Billionen zu sehen. Es handelt sich dabei um Notgeld, das im August 1923 von der Stadt und dem Oberamt Leutkirch herausgegeben wurde. Die ausgestellten Geldscheine werden heute im Stadtarchiv verwahrt.
Die Hyperinflation des Jahres 1923 führte dazu, dass die Reichsbank die Produktion der Geldscheine nicht mehr alleine bewältigen konnte. In der Folge gaben auch Oberämter und Städte Geldscheine für den Zahlungsverkehr heraus. Auch der Leutkircher Gemeinderat beschloss in einer außerordentlichen Sitzung am 18. August 1923, sofort ein Stadtnotgeld in Höhe von 50 Milliarden Mark in Form von Stadtkassenscheinen „zur Behebung der Zahlungsmittelnot“ auszugeben. Das Oberamt Leutkirch gab ebenfalls, da „der Mangel an Bargeld im Bezirk zu unhaltbaren Zuständen geführt habe“,100 Milliarden Notgeld aus. Mit dem Entwurf der städtischen Geldscheine wurde Gewerbelehrer Walter Reichert, später Bürgermeister in Leutkirch, beauftragt. Gedruckt wurde das städtische Notgeld bei der Firma Rudolf Roth, das der Oberamtskörperschaft bei der Druckerei Hüber.
Im Sommer 1923 stiegen die Preise extrem schnell an und das Geld verlor seinen Wert von Tag zu Tag. Gehälter und Ersparnisse wurden wertlos. Die Menschen mussten riesige Geldmengen mit sich tragen, um einfache Dinge wie Brot zu kaufen. Kostete ein Brot im Juli 1923 noch 4500 Mark, so waren es Anfang September bereits 230 000 Mark, Ende September 8 Millionen Mark. Am 20. Oktober 1923 stieg der Brotpreis innerhalb eines Tages von 680 Millionen auf 1,7 Milliarden. Am 10. November 1923 betrug der Brotpreis 50 Milliarden Mark.
Die Reichsregierung setzte durch eine Währungsreform Mitte November 1923 der Inflation ein Ende, wonach eine Billion Mark mit einer Rentenmark gleichgesetzt wurde, die fortan das Zahlungsmittel war. Die Folge war die völlige Verarmung all derer, die keine Immobilien oder sonstige Sachwerte besaßen. Ihr gesamtes Geldvermögen war auf einen Schlag weg. Allerdings hatten sich auch die Schulden in Nichts aufgelöst.
Text: Nicola Siegloch (Stadtarchivarin)
Notgeld des Oberamts Leutkirch, 1923, Stadtarchiv Leutkirch
Anzeige im "Allgäuer Volksfreund", Brot- und Mehlpreise am 10. September 1923, Stadtarchiv Leutkirch