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Leutkirch - Drei Leute. Drei Berufswege. Alle anders gelaufen als ursprünglich geplant. Beim „Talk vorm Bock", der am Montagabend der kühlen Witterung wegen in der Festhalle Leutkirch stattfand, sprachen Esther Straub, Rolf Waldvogel und Song Choi über ihre Arbeit. Und das dank empathischer Moderatoren "ziemlich ungefiltert". Zum guten Schluss mit einem „kleinen Liebesgruß“. Die Halle war rappelvoll. Das Auditorium gespannt wie der Bogen des Kontrabasses, der später noch zum Einsatz kommen sollte. Unser Reporter Julian Aicher war dabei.

„Man weiß nie, was der Tag bringt." Deshalb findet Brauerei-Härle-Geschäftsführerin Esther Straub ihre Tätigkeit so anregend. Eigentlich wollte sie Tiermedizin studieren. Freundschaftliche Nachbarschaft zu Gottfried Härle und Ursula Maurer-Härle führte sie nach und nach an das Unternehmen heran. 

"Zu zweit cleverer als alleine"
Was macht sie also, die Brauerei-Geschäftsführerin in Leutkirch? Esther Straub: „Es ist schön, dass man im Beruf Bier trinken darf.“ Und zwar alle zwei Wochen beim Verkosten mit Kollegen aus anderen Brauereien. Es sei übrigens „gar nicht einfach“ zu beschreiben, welcher Geschmack sich da gerade im Mund ausbreite. Straub zeigt sich „jeden Tag begeistert, "was die alles können“, ihre Kolleginnen und Kollegen. Als Frau in der Leitung einer Brauerei ist sie noch immer eine Ausnahme. Bringt das Schwierigkeiten mit sich, möchte Moderator Karl-Anton Maucher wissen. Esther Straub prompt: „Würden Sie diese Frage einem Mann stellen?"

„Wir haben das Glück, dass wir uns gut verstehen“, sagt Esther Straub über ihren Co-Geschäftsführer und erfahrenen Kollegen Gottfried Härle, den sie so gut wie täglich an ihrem Arbeitsplatz sieht. „Dass man zu zweit cleverer ist als alleine", habe sich als großer Vorteil in der Brauereigeschäftsführung erwiesen. Man pflege einen offenen Meinungsaustausch, „ziemlich ungefiltert" und sehr vertrauensvoll.

So fällt es wohl auch leichter, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen wahrzunehmen. Etwa: „Seezüngle ist ganz wichtig für uns - denn der deutsche Bierverbrauch sinkt." Andererseits: "Bier wird immer getrunken." Dabei sei es gar nicht so einfach, auch künftig das Getränk mit Zutaten aus der näheren Umgebung zu gewinnen. Warum? Der Klimawandel bedeute, dass die Brauerei Härle nach und nach Gerste nicht mehr aus der Region beziehen könne. Esther Straub: „Mir macht das Angst.“ Furcht, die die Leutkircher Brauerei in Mut verwandelt. Früher als andere in der Bierbranche. „Wir versuchen zu berichten, was wir tun", erläutert Esther Straub, wenn sie darauf hinweist, wo und wie ihr Unternehmen seit langem Erneuerbare Energien nutzt. Dabei stellt sie klar, dass nicht die einzelnen Produkte klimaneutral sind, sondern die Herstellungsprozesse bei Härle.

Dass bei Härle klimaschonend gearbeitet wird, macht sie an einigen Beispielen deutlich. So mit Verweis auf den Elektro-Lkw, der den Strom vom Brauereidach bezieht. Ein hochmodernes Fortbewegungsmittel in Zeiten des Klimawandels, damit „wir auch in den nächsten Generationen noch gutes Bier brauen können".

„Frau Oberin is au nix"
„Die Sprache verändert sich permanent“, sagt Rolf Waldvogel. Als Moderatorin Nina Poelchau den langjährigen Kultur-Chef der „Schwäbischen Zeitung“ fragt, wie denn heute in einem Gasthaus zu bestellen sei, ohne „Fräulein, die Karte bitte“ zu rufen, gibt Waldvogel zu bedenken: „Frau Oberin is au nix." Am besten löse man das über den Blickkontakt. Andererseits scheint Waldvogel, der ursprünglich mal Lehrer werden wollte, nicht alleine zu sein, wenn er sich in Sachen Sprache ärgert, „dass hier eine kleine Minderheit vorgibt, was man zu sagen hat“. Lauter Applaus im Saal dafür. Waldvogel über das „Gendern“: „Die Mehrheit der Leute ist dagegen“ – „übrigens auch 60 % der Frauen“, setzt er hinzu.

Nicht ganz einfach sind auch die Versuche, nicht mehr „rassistisch“ zu sprechen. Soll etwa der Brauereigasthof "Mohren" in Leutkirch seinen Namen ändern? Offenbar nein. "Mohr" als Bezeichnung für Personen mit dunkler Haut, abgeleitet aus dem griechischen „maurus“, habe historisch keinen negativen Unterton gehabt. Und sei als historisches Relikt in der deutschen Sprache deshalb unproblematisch. „Niemand sagt doch: Ich habe heute Mittag im REWE eine Mohren-Familie getroffen." Problematisch dagegen sei das N-Wort. Das voll ausgesprochen zu verwenden, sei nur noch in bestimmten Situationen statthaft – wenn keinerlei Rassismus-Verdacht bei den Sprechern bestehe und eine sprachlogische Notwendigkeit vorliege.

Wenig Freude bereiten „Sprachplauderer“ Rolf Waldvogel offenbar das Umsichgreifen „denglischer“ Worte in deutschen Sätzen: „Nach ,The Länd‘ wundert mich nichts mehr." Freilich reichern sich auch deutsche Schreibweisen mit immer mehr "Wortmüll" an, wie Waldvogel weiß. Zum Beispiel „Alleinstellungsmerkmal“. Sein eigenes? Er war wohl der einzige Kultur-Chef einer deutschen Zeitung, dessen Wohnhaus nur 500 Meter vom Arbeitsplatz entfernt lag – und der daheim Hühner im Garten hatte und dahinter „nur Prärie“. Es war dieses Idyll, das den gebürtigen Südbadener im Allgäu gehalten hatte, obwohl er ein attraktives Angebot einer Stuttgarter Zeitung vorliegen hatte.

„Der Bass diszipliniert“
Mit jungen Jahren ein anderer Berufswunsch? „Ich war nicht festgelegt", erinnert sich Song Choi beim „Talk" am Montagabend im Gespräch mit Joachim Rogosch. Dann kam ihm „die Idee der Musiktherapie“. Hatte er doch in der Altenpflege erfahren, dass seine nicht mehr ganz jugendliche Kundschaft „plötzlich ins Gespräch“ gekommen sei, nachdem er zuvor mit ihr Lieder gesungen hatte. Ein Musikinstrument musste her: der Bass. „Mit Bass geht alles." Ihm selbst habe dieses Instrument „erstmal Disziplin beigebracht, Struktur – und ganz viel Wartekraft". Derartige „Persönlichkeitsbildung“ erlaube dann auch mal „einen Hinweis auf eine Haltung“. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Zum Beispiel auf die Selbst-Fehl-Einschätzung: „Ich kann das nicht.“ Da trage Musik zur „systemischen Arbeit“ bei. Und dann auch zu Freuden aus dem Herzen. Mit einem hörbaren Ständchen an Bass und Klavier endete das muntere Zwiegespräch mit Moderator Joachim Rogosch. Titel: „Ein kleiner Liebesgruß."

Bericht und Fotos: Julian Aicher

Esther Besser

Brauereichefin Esther Straub im Gespräch mit Karl-Anton Maucher.

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Sprachpfleger Rolf Waldvogel in seinem Element. Mit Nina Poelchau ergab sich ein munterer Dialog.

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Song Choi und Moderator Joachim Rogosch.

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Der Kontrabassist Song Choi wird von seiner Frau am Keyboard begleitet.

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Die Hausband des Talks im Bock: "Just friends".

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Lothar Kraft von "Just friends".

Halle

Die Leutkircher Festhalle war rappelvoll. 

 

 

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