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Oberessendorf (rei) - Vor 120 Jahren kam die oberschwäbische Dichterin Maria Menz auf einem Bauernhof in Oberessendorf zur Welt (nicht in jenem Geschwisterhaus, in dem sie als Schriftstellerin wirkte). Die Bildschirmzeitung erinnert zum Jahrestag an die bedeutende Frau, die bescheiden mit ihren Schwestern im Heimatdorf lebte und lange für die Schublade schrieb, bis sie von Martin Walser entdeckt wurde. Die Leutkircherin Hedy Baumgärtner (Jahrgang 1941), eine passionierte Fotografin, und ihre verstorbene Freundin Luitgard Vogl haben die Schriftstellerin ab 1988 regelmäßig besucht. Hedy Baumgärtner durfte die Menz und ihr Umfeld fotografieren. Hochbetagt und hochgeehrt starb Maria Menz im Jahre 1996. Die Bildschirmzeitung hat in Archiv und Alben von Hedy Baumgärtner stöbern dürfen und legt in Erinnerung an die Dichterin eine Reihe auf, die am 19. Juni, dem Geburtstag von Maria Menz, begonnen wurde. Hier nun Folge 5 unserer Serie: der 90. Geburtstag, gefeiert am 18. Juni 1993 in Biberach. Alle Fotos von der Geburtstagsfeier stammen von Hedy Baumgärtner. Folge 6 erscheint am Montag, 26. Juni, 12.00 Uhr.

01 Geb 92 Gebtag Blumen
Maria Menz, 90 Jahre.

03 Geb Walser.j 85 pg

Martin Walser gratuliert.

04 Gebtag 92 NUssbaum

Mit Hannelore Nussbaum.

05 Gebtag 92 wer1

Mit Franz Schregle, der eine Diplomarbeit ("Bäuerliche Existenz und christliche Spiritualität im lyrischen Werk von Maria Menz") verfasst hat (vorgelegt bei Prof. Dietmar Mieth in Tübingen, 1989). Rechts Erentraud Wild.

06 Gebtag 92 wer2

Ein Vertreter des Thorbecke-Verlages, der zum 90. Geburtstag das Buch „Rettungen“ herausgebracht hat.

07a Einladung

Die Einladung zur Geburtstagsfeier im Biberacher Rathaus (18. Juni 1993)

07b Geburtstag Ablauf

Der Ablauf der Geburtstagsfeier am 18. Juni 1993 gemäß Einladungskarte.

Zu ihrem 92. Geburtstag notierte Maria Menz folgende Zeilen:

Zue meim 92. Geburtsdag

Gebora ben-e em Sommer,
Gottlob, des hommer.
Aber mittla en dr Naacht.
Wenn i des betracht,
s ischt au so ganga:
viel en dr Zanga.
Wellaweg glaub i geann
a fuiriger Steann
hot gfonket dren nei:
a schöas Buachwerk ischt mei,
sitz i na uff des,
mei dritte Arbet ischt des,
mir zom Gluscht ond anderleut
guat ond a Fraid.
Jetzt über neizge stand ich, zwar schwank.
I will mi heba ond sag gottlob-ond-Dank.

Grad etz em Sturm hau-n-es gschrieba,
mei Luse hot mir doch trieba.

 08 Txt EhrentraudTXT

Rezension des Büchleins "Gedanken. Gedichte" durch Erentraud Wild (Ausriss aus der „Schwäbischen Zeitung“ vom 19. September 1989)

Nachstehend geben wir die Rezension ungekürzt wieder:

Köstliche Frucht der Reife
Thorbecke bringt Gedichte von Maria Menz aus den letzten Jahren

Maria Menz. Gedanken. Gedichte. Thorbecke-Verlag. 76 Seiten. 20 DM.

Nach dem dreibändigen Gesamtwerk (1981) und einem neu aufgelegten Mundartband (1985) erscheint erneut ein schmales Bändchen von Maria Menz: „Gedanken. Gedichte.“ Es sind Gedichte der nun 86-Jährigen aus den letzten Jahren, geschrieben aus der Reife und Rückschau:

Stufe

Es ist wunderbar,
alt zu werden mit Verstand.

Wie die Schau über den Dingen
sich wendet
abwertend, aufwertend,
ledig der inneren Abhängigkeiten,
immer sicherer zur Wahrheit dringend.

Die Texte preisen die Schönheit, die Süße und Fülle des Lebens, sei es in der Natur, sei es in der Blüte der Jugend: „Quellende Angesichter: / junge – erschlossene ...“ Die stille Poesie des Alltags kommt zu Wort, wenn sich die Unendlichkeit des blauen Himmels in einer Pfütze spiegelt, wenn die Schönheit des „Wespenhauses“ oder Kraft, Leben und Fülle der Nessel im Garten besungen werden. Es geht aber auch um die Nöte der Menschen und der Tiere und um Probleme der Zeit: Gefährdung der Pflanzen, Verplanen und Vergiften des Bodens oder falsche Fortschrittsgläubigkeit.

Und wieder schlägt Maria Menz ihr großes Thema an: Glaube, Gebet, Frömmigkeit: erlebt, erlitten und nachgedacht. Es ist bezeichnend für diese Dichtung, dass poetische Sprache und abstrakte Gedankenfügungen sich mischen. Man könnte an die Worte des 14. Psalms denken: „Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen zu sehen, ob es einen Verständigen gibt, der nach Gott fragt.“ Der geistige Kampf, das Ringen um Gott, ist jedoch im Vergleich zur Gesamtausgabe eher einem stilleren Fragen und Vertrauen, einer leisen und doch festen Hoffnung gewichen.

In diesem Ein

Wenn ich seufzend mich ins Kissen schmiege,
betend ich in Gottes Schoß mich füge
innig einfach.
Binde meinen vollen Tag hinein,
wie ich weltlich schweifte bis zum Schatten;
abends bin ich herzlich kindlich sein.

Sechs Themenkreise enthält das Buch: Mensch und Leben, Glaube, Alter, Tiere, Weltumschau und Natur. Und immer wieder die Beziehung zu Menschen – Tiere und Menschen, die Natur als Schöpfung für den Menschen, Gefährdung, Blüte und Frucht als Bilder, als Zeichen für menschliches Leben.

Bild

Apfelblüte
weiß und rosa treibender Schaum!
Apfelreife
Rot und golden schwellende Trauben
im Baum!

Unter hinträumender Stille
lastende köstliche Fülle,
Ruhm der gesunden Natur
in ihrer Pracht!

Mensch, du bist auch so gemacht.
Nur
verdirb dich nicht.
In dir ist Wille –

Die Sprache der meist kurzen Gedichte ist knapp, präzise und doch voll Poesie und leiser Heiterkeit. Das erste Gedicht beginnt mit den Versen „Die Erde blüht, / Wie hat sie Lust zu leben / bis in die Frucht.“ Das letzte fasst in beinahe archaischer Kürze, menschliches Leben, Natur, Altern und Hoffnung in sich:

Die Linde

Ich habe einen Baum gesetzt:
die Gründung in der Erde.
Wie er nun grünt, die Zweige spreizt,
daß eine Krone werde!

Geliebtes Leben, es wird sein
nach mir mit allem Prangen,
und Linde, Linde, sie ist mein
noch, bin ich hingegangen .
..

Alles in allem: ein kostbares Bändchen, zu dem man gerne immer wieder greifen wird, zur stillen Sammlung, zur Erheiterung, zum Nachdenken und Nachfühlen.

Erentraud Wild in der „Schwäbischen Zeitung“ vom 19. September 1989

Die Menz-Reihe in der Bildschirmzeitung wurde am 19. Juni begonnen. Teil 6 unserer Serie folgt in den nächsten Tagen.

 

 

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halloRV

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