LEUTKIRCH - Sie ist relativ unbekannt im Allgäu, in Wien dagegen ist Andree Zelinka Redakteurin und Editorin bei der entwicklungspolitisch-feministischen Zeitschrift „frauen*solidarität“. Sie hat 2022 am Buch „global femal future“ mitgearbeitet und bereits in Wien sowie nun auch in Leutkirch in der Buchhandlung Osiander bei einer Lesung vorgestellt. Volles Haus und interessante Erkenntnisse bei der abendlichen Veranstaltung.
Ein Kurzportrait der Autorin:
Andreea Zelinka ist in Leutkirch geboren, zur Schule gegangen und hat rumänische Wurzeln. Nach dem Gymnasium hat sie das Abi 2009 am Wirtschaftsgymasium in Wangen absolviert. Sie wollte zum Theater und ging 2010 nach Wien. Im Zuge ihrer Bachelor-Arbeit arbeitete sie an verschiedenen Theatern in Österreich, Deutschland und Rumänien. „Danach habe ich mich mehr in Richtung politische Arbeit entwickelt und neben meinem Master in Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien und der Universitat Autònoma de Barcelona bei verschiedenen NGOs mitgewirkt. Das mache ich bis heute und seit zwei Jahren bin ich Redakteurin bei der Zeitschrift „frauen*solidarität“.
Die gleichnamige Organisation konnte 2022 schon ihr 40-jähriges Bestehen feiern und zu diesem Anlass kam das Buch „global female future – oder: Wie feministische Kämpfe Arbeit, Politik und Ökologie verändern" auf den Markt. Es zeigt auf unterschiedlichen Ebenen die unzähligen Kämpfe der letzten 40 Jahre weltweit auf, die Frauen für eine „sogenannte bessere Welt, eine gesündere Erde und mehr Gerechtigkeit“ schon ausgefochten oder auch verloren haben.
Seit 40 Jahren gibt es weltweit feministische Arbeit
„Meine ganz persönliche Motivation bei dem Buch mitzumachen war, 40 Jahre feministische Arbeit anzuerkennen, daraus zu lernen und diese weiterzuführen. Ohne den Blick in die Vergangenheit, verstehen wir die Gegenwart nicht und können keine Schritte für die Zukunft setzen. Das konnte ich gemeinsam mit den anderen vier Herausgeberinnen, die selbst während der letzten 40 Jahre feministisch aktiv waren und bis heute sind, miterleben. Es ist für mich sehr wichtig, über die Generationen hinweg zusammen arbeiten zu können und das bedeutet für mich, aktiv aufeinander zuzugehen“, betont die Leutkircherin. Zudem arbeitet sie am Filmfestival Österreich mit, in Kooperation mit der FIAN Österreich, eine Menschenrechtsorganisation.
Lesung mit Buchvorstellung über große Frauen des globalen Südens
„Global-female-future“ ist ein Buch mit und über große Frauen des globalen Südens. Es ist Zeit für die großen Fragen: In welchen Formen ist sexualisierte Gewalt ein globales Phänomen? Wem nützt die weltweite „weibliche“ Migration in CARE-Berufen? Wie lässt sich antirassistischer Widerstand organisieren? Wie könnte eine feministische Ökonomie die Wirtschaft verändern und was bedeutet autoritäre, staatliche Gewalt für Frauen* im Widerstand? 40 Jahre feministische Kämpfe in einem Buch – 40 Jahre Fortschritte und Lernen aus Rückschlägen, die doch Wege hin zu einem selbstbestimmten Leben eröffnen.
„Global Female Future“ gibt den Blick frei auf feministische Auseinandersetzungen in Politik, Wirtschaft, Reproduktion, Ökonomie und Ökologie – exemplarisch erzählt von und mit Autor*innen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa. Ihre Erfahrungen aus früheren Konflikten verweisen auf die Gegenwart, sei es im Kampf um Ressourcen wie Land oder Wasser – oder im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Mit Beiträgen von und Interviews mit Cânân Arın, Iris Frey, Verónica Gago, Wendy Harcourt, Naila Kabeer, Gaby Küppers, Shalini Randeria, Rocío Silva Santisteban, Nadia Shehadeh, Christa Wichterich, Weina Zhao, u.v.m.
Zelinka bringt komplexe Themen bestens auf den Punkt
Andreea Zelinka versteht es in ihrer ersten Lesung in Leutkirch bestens, das umfassende Thema mit gar nicht leichter Kost den vielen Zuhörern, darunter auch erfreulicherweise Männer, nahezubringen. Sie reflektiert Ereignisse rund um den Globus mit Beginn 1982, als während dem Krieg von England um die Falklandinseln es Frauen waren, die gegen Atomsprengköpfe und für Abrüstung demonstrierten. Doch jede Frauengeneration identifiziere sich mit den jeweils aktuellen politischen Ereignissen, so sind es heute u.a. die Themen Klima, Umwelt, Energie usw.
In Afrika und Südamerika waren die 90-er Jahre das Jahrzehnt der Frauen, es gab die erste Menschrechts- und die erste Klimakonferenz überhaupt. Frauenrechte wurde erst dann als Menschrechte anerkannt, konnte man durch Andreea Zelinka und aus dem Buch erfahren. Die Selbstbestimmung von Frauen wurde zum Thema, heute sei dies eher wieder rückläufig, die Politik eher wieder konservativer, so die Editorin aus Wien. Ebenso gab es die Info: Seit 25 Jahren gab es keine Weltfrauen-Konferenz mehr, obwohl die meisten Frauen weltweit von Patriarchaten betroffen sind, dunkelhäutige Frauen, doppelt so oft wie weiße.Hellhäutige Frauen hätten eher noch Privilegen, man spreche hier vom „Weißen Feminismus“. Zelinka brachte dazu einige Zitate aus dem Buch zu Gehör.
Stärkste feministische Bewegung derzeit in Lateinamerika
Zelinka fragte ins Publikum: „Wie sehen wir die Welt, wie sehen wir die anderen, woher kommt jemand, aus welchem Land, wenn man selber in einer Mehrheitsgesellschaft lebe?“ Zu gerne werte man Frauen aus anderen Ländern, mit anderer Hautfarbe und Sprache ab. Derzeit wäre die stärkste feministische Bewegung in Lateinamerika, hier gebe es Frauen-Performances in der Öffentlichkeit zu sexualisierter Gewalt, u.a. wurden diese bereits in 50 Ländern aufgeführt, Hörprobe inklusive durch Zelinka. Erschütternde Wahrheit: Jede 3. Frau auf der Welt erlebt Gewalt durch Männer, Vergewaltigung in und außerhalb der Ehe sei auch eine Art Macht-Ausübung.
Der Equal-Pay-Day, fast pünktlich zum Weltfrauentag
Er zeigte sich auch 2023 die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung von Arbeit. Bis zum 7. März arbeiten Frauen weltweit umsonst, im Gegensatz zur Bezahlung von Männerarbeit, egal in welcher Branche. Gleiche Arbeit wird nicht gleich bezahlt. Und es käme dazu: Frauen kümmern sich überwiegend um Haushalt, Kinder, um Senioren in der Familie, dadurch könnten sie gar nicht voll arbeiten. Die Arbeit zu Hause, das Fundament jeder Gesellschaft, werde nicht bezahlt!
Die sogenannte CARE – Arbeit - gering bis gar nicht geschätzt
CARE-Chains – die Versorgung von Kindern, Senioren, Pflegearbeiten usw. läuft heute in Europa hauptsächlich über andere Länder, wie Polen, Ungarn, Rumänien. Hochqualifizierte Kräfte dieser Länder bleiben in Deutschland, die anderen pendeln hin und her, pflegen Menschen zu Hause oder in Einrichtungen. Derzeit gebe es 450.000 CARE-Arbeiterinnen und das sei von der EU so gewollt. Also auch keine wirklich guten, sicheren Arbeitsbedingungen, geschweige denn gute Einkommen, abgesehen von der geringen Wertschätzung.
Fazit: Wie könnte feministische Ökonomie weltweit aussehen
Als Fazit des Abends: „Wie sieht eine feministische Ökonomie weltweit aus – und es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, denn wir erleben gerade eine große Krise“, sagt Zelinka. Die Erde werde ausgebeutet, die Erde blute, das Klima ändert sich, dazu kommen Naturkatastrophen, die Lebensbedingungen werden zunehmend schlechter für alle Menschen, besonders in sozial schwachen Ländern. Am Verhandlungstisch bei Klimakonferenzen usw. sitzen jedoch immer noch hauptsächlich Männer. Männer sind Entscheider, der Materialismus und Kapitalismus herrsche vor, die Ausbeutung von Menschen, Körpern und Natur schreite weiter voran. Selbst das „Grüne Wachstum“ gefährde Ressourcen, die Digitalisierung bringe mehr Energiebedarf, usw. Auch grünes Wachstum könne nicht funktionieren. Super-Reiche wie Elon Musk oder Jeff Bezos geben Lifestyle vor, haben Millionen Follower, versuchen sich im Weltall zu profilieren, anstatt auf der Erde Positives zu vollbringen.
Die Arm-Reich-Schere gehe wie die Nord-Süd-Schere immer weiter auseinander. Gefragt ist die Wertschätzung von CARE-Arbeit, die Angleichung der Löhne aller Menschen, Solidarität in der Landwirtschaft und im Energiebereich. Auch hierarchische Strukturen verhinderten oft demokratische Verhältnisse auf der Welt.
Zelinka betonte, sich in diesen Bereichen weiterhin zu engagieren, und lud die Anwesenden zu einer regen Diskussion ein. Angemerkt wurde zum Buch, dass die Komponenten Religion und Kultur kaum angesprochen würden, aber durchaus zum komplexen Thema Patriarchate und Feminismus weltweit gehörten. Insgesamt ein erfolgreicher, belebender Abend, und das Osiander-Team mit der Filialleiterin Petra Reininghaus (Foto oben rechts) bedankte sich mit einem Geschenk bei Andreea Zelinka und bei den vielen Gästen.
Text und Fotos: Carmen Notz
Link zum Buch mit Fotos des Covers und Informationen: https://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/titel/global-female-future/
Andreea Zelinka: Global Female Future (Kremayr & Scheriau), ISBN: 978-3-218-01361-1 Copyright Autorinnenfoto: Inés Bacher
Redakteurin - Editor
Frauen*solidarität
im C3-Centrum für Internationale Entwicklung
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www.frauensolidaritaet.org