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Aitrach – Grundsatzentscheidung über die Verpachtung und die Beauftragung der Gemeindeverwaltung für Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag mit der EnBW

 

Die Verwaltung begrüßte zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn Soukup, der auch den bisherigen Beteiligungsprozess als Vertreter der EnBW begleitet hat. Des Weiteren begrüßte sie Herrn Quick vom Büro Satell-Rechtsanwälte aus München als juristischer Vertreter der Gemeinde. Herr Quick hat entsprechend dem Auftrag des Gemeinderates die Gemeindeverwaltung als erfahrener Rechtsanwalt für erneuerbare Energien bei der Ausarbeitung des Nutzungsverträge für den Gemeindewald begleitet.

Die Gemeindeverwaltung legte dar, dass es nun, nachdem der Gemeinderat am 9. Mai vergangenen Jahres mehrheitlich für die Verpachtung des Gemeindewaldes für Windenergie gestimmt hat, darum geht den Nutzungsvertrag zu schließen und die vom Gemeinderat festgelegten grundsätzlichen Bedingungen in den Vertrag aufzunehmen.

Der Grundsatzbeschluss umfasste eine Binnenwindenergieanlage mit einem Standort auf gemeindlichen Flächen mit einer Nabenhöhe von 167 m und einem Rotordurchmesser von 160, die rund 630 m von der nächsten Außenbereichsbebauung entfernt liegt. Der Gemeindeverwaltung war es daher wichtig bereits in der Einladung zur Gemeinderatssitzung im Amtsblatt darauf hinzuwiesen, dass der Nutzungsvertrag eine Option für eine zweite Anlage vorsieht. Diese Option steht ausschließlich der Gemeinde offen und eine Entscheidung hierüber soll erst nach einer weiteren Informationsveranstaltung erfolgen.

Seit der Entscheidung des Gemeinderates haben sich gesetzliche Änderungen ergeben, da die Windenergie bei den Zielen der Bundes- und Landesregierung die Unabhängigkeit von fossilen Importen zu stärken und die Klimaziele zu erreichen eine wesentliche Rolle spielt. Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ will die Bundesregierung den Ausbau der Windenergie in Deutschland wesentlich beschleunigen. Dafür werden den Ländern Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vorgegeben.

Nach § 20 Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz des Landes sind 1,8 % der Regionsfläche für die Nutzung der Windenergie zu sichern. Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben stellt derzeit dementsprechend, wie alles Regionalverbände, den Teilregionalplan Energie auf. Der Satzungsbeschluss muss bis 30.09.2025 erfolgen und es gilt eine frühzeitige Planreife. Nach Erachten des Regionalverbandes ist der geplante Standort in Aitrach nach aktuellem Planstand geeignet Teil der Vorranggebiete für Windenergie zu werden.

Des Weiteren hat der Bund in § 249 Baugesetzbuch bestimmt, dass der öffentliche Belang der optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nicht entgegensteht, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht. Höhe ist die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors.

In der Entscheidung zur Verpachtung des Gemeindewaldes ist die Gemeinde trotzdem frei, aber natürlich können Windenergieanlagen nicht nur auf Gemeindeflächen entstehen. Für die Anlagen werden auf jeden Fall auch private Flächen benötigt, auch für die erste Anlage alleine schon z.B. für die Leitungsverlegung bis zum Netzanschlusspunkt. Die Gemeinde kann als Eigentümerin auch zusätzliche Bedingungen in den Nutzungsvertrag über die gesetzlichen Regelungen hinaus aufnehmen, z.B. zum Abstand.

In dem zurückliegenden Prozess ist daher die zweite Anlage auch auf Grund des geringeren Abstandes aus der Planung entfallen. In der weiteren Planungsphase wurde nun eine Planung entwickelt, in der auch die zweite Anlage den Abstand von rund 630 m zur nächsten Wohnbebauung im Außenbereich einhält. Der Abstand zu Mooshausen Auf dem Bühl wäre über 1 km.

In der Folge stellte Herr Quick den Nutzungsvertrag mit seinen Regelungen vor. Der Nutzungsvertrag gestattet im Grunde die festgelegten Flurstücke im Gemeindewald zu nutzen, um Windenergie zu gewinnen. Dabei wird unterschieden zwischen zwei Varianten mit einer oder zwei Anlage, wobei die zweite Anlage unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass der Gemeinderat per Gemeinderatsbeschluss zustimmt. Angestrebt ist, einen Gemeinderatsbeschluss bis zum 31.07.2023 herbeizuführen.

Bezüglich der Zuwegung sieht der Nutzungsvertrag vor, dass Bestandswege nur zur Mitnutzung überlassen werden. Hierzu wurde auch die Frage gestellt, wie die Handhabung im Winter bei der Gefahr von Eisfall ist. Herr Soukup stellte dar, dass entsprechend der Vorgabe der Gemeinde ein Eiserkennungssystem eingebaut wird, das das Windrad anhält, sobald eine Eisgefahr besteht.

Es kommt damit nicht zu Eiswurf, sondern Eisfall. Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde legt dann fest, ob Gefahrschilder, Blinklichter oder auch Schranken zum Einsatz kommen müssen. Es gebe bei dem gewählten Hersteller auch beheizte Varianten, dies sei aber eine wirtschaftliche Entscheidung. Die Verwaltung stellt klar, dass die Bestandswege zur Waldbewirtschaftung befahrbar bleiben müssen und dies der Nutzungsvertrag auch so vorsieht.

Des Weiteren legt der Nutzungsvertrag fest, dass ein Radius von rund 630 m zu den Wohnhäusern im Außenbereich einzuhalten ist, in diesem Radius kann der Standort aber noch genau festgelegt werden.

Auch zum Vorgehen zur Forstwirtschaft wurden genaue Regelungen aufgenommen. Es müssen für eine Anlage als Richtwert ca. 1 ha Wald gerodet werden, von denen die Hälfte mit dem Ziel eines Mischwaldes wieder aufgefordert wird. Die Gemeinde vermarktet das Holz und erhält nach Bewertung eine Entschädigung, insoweit noch nicht hiebreifes Holz geschlagen werden muss.

Der Vertrag läuft 30 Jahre, danach ist es wieder die Entscheidung der Gemeinde ob der Vertrag für die Anlage verlängert wird oder eine neue Anlage errichtet werden kann. Des Weiteren sieht der Vertrag Fristen vor für die Verwirklichung der Windenergie, damit das Grundstück nicht gesichert ist, ohne dass ein Projekt verfolgt wird.

Die Gemeinde erhält ein einmaliges Reservierungsentgelt in Höhe von 10.000 € sowie ein jährliches Mindestnutzungsentgelt von 15.000 €/MW die ersten 10 Jahre und danach 16.500 €/MW bei einer Anlage. Die Beträge erhöhen sich bei zwei Anlagen auf 16.500 €/MW und 17.500 €/MW, da diese durch die Synergieeffekte beim Bau und dem Betrieb wirtschaftlicher betrieben werden können. Die Anlagengröße kann variieren zwischen 5-7 MW.

Herr Soukup führte hierzu aus, dass derzeit eine von der Nabenhöhe kleinere Anlage geplant wird, die aber wiederum größere Flügel hat, so dass die Gesamthöhe gleichbleibt. Je nach Stromverkaufserlös erhält die Gemeinde darüber hinaus ein erlösabhängiges Nutzungsentgelt. Auch soll in einem Umkreis von 2,5 km an die Gemeinden eine freiwillige Abgabe nach § 6 EEG mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde gezahlt werden und es fallen Gewerbesteuereinnahmen für die Gemeinde Aitrach als Standortgemeinde an.

Auf die Nachfrage, ob auf Grund der Einspeisung der großen Leistung der Windenergie die Gefahr besteht, dass vom Netzbetreiber kleine Photovoltaikanlagen abgeschaltet werden, antwortet Herr Soukup, dass in einem solchen Falle immer zuerst die großen Anlagen, sowohl Wind wie Photovoltaik, abgeschalten werden, da auf diese schneller zugegriffen werden kann.

Herr Rechtsanwalt Quick ging insbesondere darauf ein, dass die vom Gemeinderat festgelegten Bedingungen in den Vertrag aufgenommen wurden. So sind die naturschutzrechtlichen und waldrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen nach Möglichkeit im Gemeindegebiet zu erbringen. Wie ausgeführt ist ein Eiserkennungssystem einzubauen und auch eine Schattenabschaltautomatik. Hierzu führte Herr Soukup aus, dass die einzuhaltenden Grenzwerte für den Schattenschlag 30h/Jahr bzw. 30min/Tag sind. Hierzu wird eine Schattenanalyse gemacht und die Anlage in diesen Zeiten gegebenenfalls automatisch abgeschaltet.

Da die Berechnung unter theoretischen Maximalbedingungen erfolgt, wie z.B. immer wolkenloser Himmel, entspricht die tatsächliche Beschattung ungefähr 8h pro Jahr. Des Weiteren hat er anhand eines Schattenkalenders dargestellt, dass in Pfänders z.B. der mögliche Schattenwurf morgen im Winter zwischen 9.00 und 10.00 Uhr und im Sommer zwischen 7.00 und 8.00 Uhr auftreten kann. Des Weiteren zeigte Herr Soukup eine erste Schallanalyse. Die gesetzlichen Vorgaben hierfür liegen nachts bei 40 dB(A) für Mooshausen und 45 dB(A) für die Gebäude im Außenbereich.

Auf Grund der Lage der zweiten Anlage zu den Wohngebäuden im Außenbereich müsste diese nachts heruntergeregelt werden, dies sei aber wirtschaftlich vertretbar. Aus der Zuhörerschaft kam die Bitte zu der geplanten Informationsveranstaltung auch die Schallausbreitung am Tag ohne Herunterregelung darzustellen und die Windrichtungen. Herr Soukup führte aus, dass dies machbar wäre. Die dargestellte Berechnung wurde den Vorgaben entsprechend immer mit Wind zu den Gebäuden rechnen, um quasi einen „Sicherheitspuffer“ einzubauen. Tatsächlich wäre aber je nach Windrichtung die Wahrnehmung unterschiedlich. Die häufigste Windrichtung wird aus Südwesten sein.

Herr Quick führte zum Nutzungsvertrag aus, dass auch der verpflichtende Rückbau geregelt sei. Es müsste ein vollständiger Rückbau aller Anlagen mit Fundamenten, usw. bis auf die Kabel erfolgen. Des Weiteren könnten Pfahlgründungen, wobei diese nur gebraucht werden, wenn schlechten Gründungsverhältnisse aufgefunden werden, ab einer Tiefe von mehr als 3,0 m im Boden verbleiben, da ansonsten bei der Beseitigung mehr Schaden angerichtet würde. Anlagenteile, insbesondere die Flügel, dürften auch auf dem Grundstück zerkleinert bzw. recycelt werden, wenn geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden und ein Sachverständigennachweis erbracht wird, dass Bodenschäden nicht entstanden sind.

Für den Rückbau wird eine Bürgschaft von 150.000 € pro Anlage gestellt. Wenn das Landratsamt als Genehmigungsbehörde auch eine Bürgschaft fordert, die aber niedriger ist, erhält die Gemeinde die Restbürgschaft und die Höhe der Bürgschaft ist alle 10 Jahre zu prüfen und anzupassen.

Zur Festlegung, dass eine finanzielle Bürgerbeteiligung im Rahmen des Vorhabens anzubieten ist, stellte Herr Soukup zwei Modelle vor. Das erste Modell sieht eine tatsächliche Beteiligung an dem Vorhaben über eine Bürgerenergiegenossenschaft vor, allerdings mit allen Chancen und Risiken des Projektes. Das zweite Modell sieht eine rein finanzielle Beteiligung über sogenannten Nachrangdarlehen vor, in einem kürzlich zurückliegenden Projekt wäre die zugesicherte Verzinsung bei 3,75 % gelegen.

Zum Schluss führte Herr Quick aus, dass im Nutzungsvertrag die verpflichtende Durchführung eines öffentlichen Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Immissionsschutzrecht vorgesehen ist. Nach den gesetzlichen Vorgaben wäre dies nicht erforderlich. Das heißt es muss eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden und bei Anregungen und Einwendungen würde das Landratsamt als Genehmigungsbehörde einen Erörterungstermin veranstalten und es müsste eine Abwägung und Entscheidung stattfinden.

Im Anschluss wurden noch grundsätzliche Argumente ausgetauscht, wie der Hinweis, dass laut einer Veröffentlichung von Seiten der Bundesnetzagentur mehr Strom exportiert als importiert wurde und daher fraglich sei, ob der Ausbau erforderlich ist. Auch dass der Grundsatzbeschluss des Gemeinderates auf Grundlage einer Anlage erfolgte. Auf der anderen Seite stand die weltpolitische Entwicklung mit dem Gasimportstopp aus Russland und der dadurch ausgelösten Energiekrise und auch die dadurch dargestellten dadurch in Kraft gesetzten gesetzlichen Regelungen zur Beschleunigung des Ausbaus der regenerativen Energien.

Die Verwaltung fasste nochmals zusammen, dass heute die Diskussion zu einem zweiten Standort erst angestoßen werden sollte, aber keine Entscheidung gefällt wird, ob die Option von Seiten der Gemeinde gezogen wird. Die sonstigen Regelungen des Nutzungsvertrages seien aber zu entscheiden und werden in der Folge verbindlich unterschrieben. Zum weiteren Verfahren führte die Verwaltung aus, dass im April ein erster Termin mit den Fachbehörden beim Landratsamt stattfindet.

Dieser soll abgewartet werden, um diese Erkenntnisse mit in die Bürgerbeteiligung einfließen zu lassen. Da die Gemeinde ohnehin ein öffentliches Verfahren verlangt, würde dann die formelle frühzeitige Beteiligung erfolgen und in diesem Rahmen auch für alle nochmals die Gelegenheit bestehen sich sowohl zum ersten Standort wie auch zu der zweiten Anlage zu äußern und Stellung zu beziehen. Aus der Mitte des Gemeinderates wurde nochmals deutlich gemacht, dass die Meinungsäußerungen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst genommen werden und daher die Bitte um zahlreiche Teilnahme besteht.

Mit der Beschlussfassung beauftragte der Gemeinderat die Gemeindeverwaltung den Nutzungsvertrag über die Inanspruchnahme von Grundstücken zur Errichtung von Windenergieanlagen mit der EnBW Windkraftprojekte GmbH abzuschließen. Des Weiteren wurde die Gemeindeverwaltung beauftragt eine weitere Informationsveranstaltung zu der Optionsregelung für eine zweite Anlage durchzuführen und danach einen Gemeinderatsbeschluss bis zum 31.07.2023 herbeizuführen.

 

Hinweis: Der gesamte Beteiligungsprozess ist unter www.aitrach.de/windenergie.html eingestellt.

 

Mitteilung der Gemeinde Aitrach

 

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Die Standortplanung mit dem vereinbarten südlichen Standort und dem optionalen nördlichen Standort

 

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halloRV

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