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Leutkirch - Noch bis zum 15. Januar zeigt die Galerie im Torhaus in Leutkirch Skulpturen von Birgit Feil und Bilder von Joachim Lehrer. Ursprünglich war das Ende für 14. Januar vorgesehen gewesen. Jetzt wurde um einen Tag verlängert. Kunstinteressierte haben also auch noch am Sonntag Gelegenheit, die Skulpturen und Ölbilder zu betrachten. Am Sonntag von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr; am Samstag von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr.

Birgit Feil in Oberschwaben und in Leutkirch
Birgit Feil, die 1965 in Stuttgart geboren wurde, an der Hochschule der Künste in Berlin studiert hat und heute ihr Atelier in Stuttgart-Vaihingen hat, muss man eigentlich weder in Oberschwaben noch in Leutkirch vorstellen. Sie ist in der Region immer wieder in Gruppen- oder Einzelausstellungen präsent. Zuletzt waren ihre Plastiken zum Beispiel im Sommer in einer Schau in der renommierten Städtischen Galerie „Fähre“ in Bad Saulgau vertreten. Unter dem Titel „Spielarten des Realismus“ wurden dort zeitgenössische Positionen im Bereich der figürlich-gegenständlichen Kunst präsentiert. Sie ist ebenfalls vertreten in der Ausstellung von Werken aus der Sammlung der Stadt Leutkirch, die noch bis zum 15. Februar in der Galerie im Kornhaus gezeigt wird. Die Ausstellung im Torhaus ermöglicht nun die Begegnung mit verschiedenen Werkgruppen der Künstlerin, bei denen es sich um Variationen einer jeweils anderen Grundidee handelt.

Typen, die man zu kennen glaubt
Realismus: Das ist das Stichwort, das einem als erstes in den Sinn kommt, wenn man zwischen den Arbeiten von Birgit Feil steht. Die Künstlerin geht offensichtlich von konkret beobachteten Personen aus. Wir entdecken scheinbar vertraute Charaktere, Menschen, die man zu kennen glaubt oder von denen man meint, sie gerade erst gesehen zu haben. Vor allem ihre jeweiligen Sitz- und Körperhaltungen kommen einem bekannt vor.

Verfremdung durch das verwendete Material
Bei den Arbeiten von Birgit Feil handelt es sich um Güsse in einer Acrylgießmasse. Die Künstlerin baut ihre Plastiken zunächst in Ton auf. Dessen charakteristische Bearbeitungsspuren bestimmen auch im Guss die Haptik der Oberflächen und diese trägt entscheidend zur Wirkung der Skulpturen bei. Die spezifische Farbe des Gussmaterials, ein helles Grau, ist allen Figuren gemeinsam. Nur ganz selten bemalt die Künstlerin einzelne Partien mit dünnen Farben, wie etwa hier und da eine Krawatte. Dieses einheitliche Hellgrau wirkt der Individualität entgegen und löst die Figuren aus der ursprünglich beobachteten Alltagssituation. Die so bewirkte Verfremdung, ja Überhöhung, steht in einem kalkulierten Spannungsverhältnis zur vermeintlichen Vertrautheit der Figuren. Aber gerade dies macht den besonderen Reiz der Werke aus.

Joachim Lehrers Maltechnik orientiert sich an den alten Meistern
Die Ausstellungsmacher präsentieren die Plastiken Birgit Feils zusammen mit Bildern von Joachim Lehrer. Diese werden zum Teil als Originale, zum Teil als Auflagendrucke in hochwertiger Digitaltechnik gezeigt. Lehrer wurde 1954 in Reutlingen geboren und lebt und arbeitet heute in Tübingen. Er hat unter anderem Kunstgeschichte studiert und hat sich dann der Malerei zugewandt. Und eben auf die Kunstgeschichte verweist sein Schaffen in vielfältiger Weise. Schon während seines Studiums haben Joachim Lehrer die Maltechniken der alten Meister interessiert. Die Maltechnik, die er heute verwendet, beruht denn auch tatsächlich auf denselben Prinzipien wie etwa die Werke der alten Niederländer. Auf eine Mdf-Platte wird zunächst ein Kreidegrund aufgebracht. Dann entsteht Schicht für Schicht in dünner Harz-Öllasur das Gemälde.

Die Motive sind große Stillleben
Lehrers kleinformatige Werke zeigen meist leere, weite Landschaften, in denen jeweils ein – nennen wir ihn – Hauptakteur seinen Auftritt hat. Und diese Hauptakteure sind keine menschlichen Wesen, sondern markante Objekte. Wir finden einerseits angerostete, nicht mehr verkehrstaugliche Fahrzeuge oder Schiffe und andererseits baufällige, aber mit viel improvisatorischem Geschick zusammengehaltene Häuschen. Letztlich handelt es sich bei seinen Bildern um ins Freie verlegte Stillleben.

Bilder erinnern an die Vergänglichkeit
Auch was seine Bildinhalte angeht, bezieht sich Joachim Lehrer auf die Kunstgeschichte. Sein Gemälde „Der arme Poet“ etwa übernimmt nicht nur seinen Titel von Spitzwegs wohl populärstem Werk. Auch der Schirm des Poeten taucht hier wieder auf. In einer Folge von Gemälden zu den vier Jahreszeiten, die der Künstler „Lebenslauf“ nennt, nimmt er ein vertrautes Motiv der Kunstgeschichte auf. Das Leben des Menschen wurde über die Jahrhunderte immer wieder parallel gesehen zur Abfolge der Jahreszeiten. Letztlich ist es eine vor allem im Barock gängige Vorstellung, die in den Bildern von Joachim Lehrer eine moderne Entsprechung findet. Wir haben es hier offensichtlich mit modernen Sinnbildern zu tun, die der Maler freilich gern sehr anekdotisch anlegt.

Vanitas
Eine wichtige Gattung der Barockmalerei waren sogenannte „Vanitas-Stillleben“. In ihnen erinnerten auf den ersten Blick harmlose Gegenstände wie Sanduhren, verloschene Kerzen oder verwelkende Blumen den Menschen an seine Vergänglichkeit. Bei Joachim Lehrer übernehmen nun eben Relikte des technischen Zeitalters, also etwa eine alte Bahnhofsuhr ohne Zeiger oder ein verrosteter Porsche, diese Funktion.

Die Doppelausstellung in der Galerie im Torhaus, die zwei so unterschiedliche künstlerische Ansätze zusammenbringt, lohnt auf alle Fälle einen Besuch.
Text und Fotos: Herbert Eichhorn

Galerie im Torhaus
Schneegasse 10
Birgit Feil Kissenstapler

Birgit Feil, Kissenstapler

Birgit Feil Luftkissensitzer

Birgit Feil, Luftkissensitzer

Joachim Lehrer Der arme Poet 2022Joachim Lehrer, Der arme Poet, 2022

Joachim Lehrer Hohlstunde 2012

Joachim Lehrer, Hohlstunde, 2012

Joachim Lehrer Lebenslauf 2021

Joachim Lehrer, Lebenslauf, 2021

Skulpturen aus der Werkgruppe Am Trapez von Birgit Feil im Treppenhaus

Skulpturen aus der Werkgruppe Am Trapez von Birgit Feil im Treppenhaus

 

 

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halloRV

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