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Im Planungsausschuss des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben wurden am 30. November in Bad Saulgau Eckpunkte für die Windkraftentwicklung in unserer Raumschaft festgeklopft. Verstörend: Schloss Zeil wurde nicht als schützenswertes Denkmal deklariert – im Gegensatz zu Schloss Wolfegg.

Die alten Rittersleut‘ hatten einen Blick für die guten Wohnlagen. Eine exponierte Höhenlage sollte es schon sein – selbstredend zuallererst der Sicherheit wegen. Aber Sehen und Gesehenwerden – das war für Repräsentationsbauten zu allen Zeiten eben auch ein wichtiges Kriterium.

Seit 1614 prangt der prächtige Renaissancebau des Froben von Waldburg-Zeil auf einem Eckpunkt des Zeiler Rückens und schaut majestätisch in die voralpine Landschaft, deren kultureller Bestandteil das Schloss ist. Kultur und Natur verschmelzen hier zu einer makellosen Symbiose.

Im Wikipedia-Eintrag zu Schloss Zeil heißt es: „Die Lage des Schlosses hoch über dem Unterallgäu erlaubt einen weiten Blick auf den Alpenbogen: von Karwendel und Wettersteingebirge im Südosten über Allgäuer und Lechtaler Alpen, Verwall, Lechquellengebirge, Rätikon und Alpstein im Süden bis zu den Glarner, Urner und Berner Alpen sowie dem 165 km entfernten Pilatus im Südwesten.“ Die Fürsten von Waldburg-Zeil sind seit jeher so generös und stellen die Aussichtsterrasse der Öffentlichkeit zum Genuss dieses Blickes zur Verfügung.

Warum wird Schloss Zeil bei der Windkraftplanung nicht als schützenswertes Kulturgut eingestuft? Zehntausende von Autofahrern erblicken Tag für Tag den bedeutenden Fürstensitz und erfreuen sich an dem unverstellten Ensemble mit Schloss und Kirche.

Noch im Oktober 2021 hatte EnBW-Vertreter Michael Soukup bei einer Windkraftinformation für die Leutkircher Einwohner den Bau von Windkraftanlagen im Umfeld von Schloss Zeil mit Verweis auf die Störung des Landschaftsbildes um das Wurzacher Ried ausgeschlossen.

Tatsache ist, dass der Fürst von Waldburg-Zeil rund ums Schloss große Waldungen sein eigen nennt (aber nicht nur er) und dass dort oben die Windhöffigkeit hervorragend ist. Tatsache ist auch, dass Erich Fürst von Waldburg-Zeil sich in vorbildlicher Weise für den Denkmalschutz engagiert. Es bahnt sich ein Interessenskonflikt an, der ein Bekenntnis notwendig macht.

Ein Bekenntnis ist auch vom hiesigen Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) gefordert. Am 29. August 2022 wurde vom SWR ein Beitrag unter der Rubrik „Kraftorte“ ausgestrahlt; in sehr persönlichen Worten („In der Kirche von Schloss Zeil wurde ich getauft“) schildert der gebürtige Leutkircher seine emotionale Beziehung zu Schloss Zeil, wo er als Bub im Schlepptau der Eltern auf der Brüstung der Aussichtsterrasse stehen durfte. Im TV-Beitrag schwelgt der heimatverbundene Raimund Haser vom Alpenblick.

Hat die Große Kreisstadt Leutkirch ihren Einfluss in der Schloss-Zeil-Frage geltend gemacht? Tatsache ist, dass OB Henle und die gewichtige Öko-Fraktion um Gottfried Härle die lokale Energiewende mit Macht vorantreiben. Erst vor wenigen Tagen wurde bei Riedlings der Spatenstich für den Bau einer 10-ha-Freiflächen-PV-Anlage gesetzt – in einer aufgelassenen Kiesgrube, was durchaus Sinn macht. Tatsache ist auch, dass im Leutkircher Stadtwald sowie in anschließenden Staatsforst bis zu sechs Windkraftanlagen projektiert sind – mitten hinein ins so hochgelobte Alpenpanorama. Mag sein, dass der Zeiler Rücken längst auch im Visier der Leutkircher Investoren ist.

Diskrete Einflussnahme, man kann auch sagen: knallharte Lobbyarbeit, wird bei der Neufassung des Landes-Denkmalschutzgesetzes deutlich. Laut der kurz bevorstehenden Novellierung des Landes-Klimagesetzes soll ins Denkmalschutzgesetz der Terminus „Höchst raumwirksam“ hineingeschrieben werden. Was vordergründig als Verbesserung daherkommt, ist in Wahrheit eine rechtlich-materielle Verschlechterung. Entscheidend ist der Umkehrschluss, ist das, was in der praktischen Umsetzung des Gesetzes eben  als nicht „höchst raumwirksam“ deklariert wird.

Wie lästig Denkmalschutz sein kann, konnte man bei der Windkraftplanung im Banwald bei Ellwangen im Jahre 2006 erleben. Damals haben mutige Denkmalschützer von Amts wegen Einreden geltend gemacht, weil die Sichtbeziehung zu den Klosteranlagen in Rot an der Rot und Ochsenhausen nachhaltig gestört sei.

In den „Eckpunkten“ der jüngsten Regionalplanung werden für die drei Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis in Bezug auf die Windkraftplanung nun nur noch sieben Kulturdenkmäler aufgeführt, die als „höchst raumwirksam“ eingestuft werden, darunter im Kreis Ravensburg nur die Waldburg und Schloss Wolfegg. Dem Denkmalschutz werden damit entscheidende Machtmittel genommen – und dabei ist längst noch nicht klar, was „höchst raumwirksam"  bei den Abstandsregelungen in der Praxis bedeutet.

Rechtsverschlechterung zugunsten des Windkraftausbaus hat im grün-geführten Ländle Methode. So wurden im Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen Widerspruchsrechte der Bürger abgeschafft – von einer Partei, die sich einst als basisdemokratisch bezeichnete und nicht müde wurde, das Hohelied der partizipativen Demokratie zu singen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vogelschutz: Aus Individuenschutz wurde der Artenschutz, die Schutzvorschriften wurden mit Bedacht verwässert. Wenn tote Vögel am Fuß einer Windkraftanlage liegen, dann schreckt das die ehemaligen Ökologen nicht groß – wenn die Tierart in ihrem Bestand erhalten bleibt.

Zurück zum Fall Schloss Zeil: Es kann nicht sein, dass dieses herausragende Kulturgut nicht „höchst raumwirksam“ ist.

Und was ist eigentlich mit den Kartäusern im Wald? Die braven Mönche sind die Welt geflohen und nun rückt die Welt ihnen mit Windkraftanlagen auf die Pelle. Ist das Kloster eigentlich nicht auch „höchst raumwirksam"?

Der Mensch braucht Augenweiden. Wohltuende Ausblicke, die die Seele nähren. Er braucht auch leere Räume.

Gerhard Reischmann

 

 

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halloRV

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