Schloss Achberg - Wahrscheinlich ist eine Fahrt nach Schloss Achberg der schönste Kunstausflug, den man zwischen Ulm und Bodensee machen kann. Dabei ist es fast egal, was in den prächtigen Räumen dort den Sommer über ausgestellt wird. In diesem Jahr gibt es sogar zwei Ausstellungen. Bis 9. Juli beschäftigt sich die Schau „Wiener Wirklichkeiten“ mit einem manchmal zu wenig präsenten, dabei aber sehr reizvollen Strang der modernen Kunst. Es geht um die realistische Malerei, die von Wien, genauer gesagt, von der Meisterklasse des Wiener Malers Rudolf Hausner ihren Ausgang nahm.

Die Anregung zur Ausstellung kam von Friedrich Hechelmann
Die Anregung zu der Schau kam vom Isnyer Künstler und Hausner-Meisterschüler Friedrich Hechelmann. Konzipiert haben die Ausstellung Dr. Maximilian Eiden, Leiter der Kulturhäuser des Landkreises Ravensburg, und Hanna Rehm M.A., Volontärin auf Schloss Achberg. Aus zahlreichen Sammlungen, aber auch aus den jeweiligen Ateliers haben sie nun repräsentative und gleichzeitig sehr erhellende Werkgruppen von Hausner und neun seiner ehemaligen Studenten und Studentinnen zusammengetragen.

01 Eingangssituation der Ausstellung mit Fassadenmotiv von Franz Zadrazil
Eingangssituation der Ausstellung mit Fassadenmotiv von Franz Zadrazil

In der Auswahl werden zum einen die Arbeitsatmosphäre in der Klasse an der Wiener Akademie und die gegenseitigen Einflüsse damals greifbar. Zum andern können aber auch die jeweiligen individuellen Entwicklungen von der Akademiezeit bis in die Gegenwart anschaulich nachverfolgt werden. So werden zum Beispiel von Hechelmann, den man als international etablierten Maler, Illustrator oder Bühnenbildner in der Region nicht erst vorstellen muss, Arbeiten aus über 50 Jahren gezeigt. Das Spektrum reicht von den herrlichen frühen Illustrationen zu Hauffs Märchen „Zwerg Nase“ bis zu erst vor Kurzem Geschaffenem.

02 Friedrich Hechelmann Am Ende eines Langlaufs 1986 Privatbesitz
Friedrich Hechelmann, Am Ende eines Langlaufs, 1986, Privatbesitz

Rudolf Hausner, ein Maler des Phantastischen Realismus
Rudolf Hausner wird, wie etwa auch noch Ernst Fuchs oder Arik Brauer, der sogenannten Wiener Schule des Phantastischen Realismus zugerechnet. Ihn zeichnet dabei eine ganz unverwechselbare Bild- und Motivsprache aus. Für sein Schaffen sind der Surrealismus, aber auch der psychoanalytische Blick auf Träume und die eigene Kindheit wichtig. Dies merkt man etwa in der berühmten Serie seiner Selbstporträts als Adam (Bild oben), von denen es in Achberg verschiedene Varianten zu sehen gibt. Auch andere seiner Alter-Ego-Figuren wie der Narr oder der Knabe im Matrosenanzug sind präsent. Mit seiner realistischen Malerei steht er in den 70er-Jahren gegen den Zeitgeist. Nachdem er 1968 als Professor an die Akademie seiner Heimatstadt berufen wurde, zog diese vermehrt Studenten an, die realistisch malen wollten.

Rudolf Hausner als Lehrer
Hausner erweist sich als hervorragender Lehrer, der ein gutes Gespür für die individuellen Begabungen seiner Studenten hat und sie in ihrem eigenen Weg bestärkt. Wichtig ist ihm dabei auch eine solide technische Ausbildung, in welcher der Beschäftigung mit den Arbeitsweisen der alten Meister große Bedeutung zukommt. Und tatsächlich zeichnet alle Künstler bis heute eine historisch informierte Maltechnik aus sowie ein eher behutsames Vorgehen in sorgsam aufeinander folgenden Arbeitsschritten.

Zu Hausners Lehrtätigkeit gehört auch die Beschäftigung mit Kunstgeschichte und der gemeinsame Besuch von Ausstellungen. Bis heute ist vielen Künstlern die Auseinandersetzung mit Kunstwerken der Vergangenheit offensichtlich wichtig. Hausner selbst greift immer wieder Leonardos Abendmahl auf. In Hanno Karlhubers „Hommage an C.D. Friedrich“ drehen sich dann die Windräder vor dessen berühmten Kreidefelsen auf Rügen.

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Hanno Karlhuber, Hommage an C. D. Friedrich, o.J., Privatbesitz

Ungewöhnliche Selbstbildnisse
Das weitere Schaffen der früheren Meisterschüler entwickelt sich recht unterschiedlich. Die einen orientieren sich eher in Richtung Fotorealismus, der sich im Werk von Gottfried Helnwein dann in eine Art Hyperrealismus steigert. Andere gehen dagegen eher in Richtung einer phantastischen Malerei. Aber in der Achberger Ausstellung werden immer wieder ähnliche Interessen und thematische wie stilistische Berührungspunkte sichtbar. Wie bei Hausner finden sich auch bei den Schülern ungewöhnliche, förmlich inszenierte Selbstbildnisse oder regelrechte Rollenspiele. Josef Bramer malt sich etwa wiederholt als Kaspar. In der Ausstellung wird sogar ein Kaspar- bzw. Narren-Kostüm gezeigt, das er sich schneidern ließ, in dem er auftrat und in dem er sich porträtierte. Von Hechelmann ist ein frühes Selbstporträt als Pierrot mit Radkragen zu sehen. Einem aufwändigen, vom Künstler selbst plissierten und genähten Gewand und seinen Darstellungen ist in Achberg ein ganzer Raum gewidmet. Bald kleidet das Gewand allerdings keine Personen mehr, sondern verselbstständigt sich zu einer Art Fetisch, der in seinem Schaffen bis heute immer wieder auftaucht.

03 Josef Bramer Stiller Raum 2014 Sammlung Zdenka Infeld und Kaspar Kostüm des Künstlers
Josef Bramer, Stiller Raum, 2014. Sammlung Zdenka Infeld und Kaspar-Kostüm des Künstlers

Faszination für die Darstellung von Textilien
Textilen von unterschiedlicher Beschaffenheit und Drapierung faszinieren auch andere Hausner-Schüler. Der gebürtige Südtiroler Benedetto Fellin etwa arrangiert in akribisch geschilderten Felslandschaften fantastische Gestalten aus verschiedenartigen, ebenfalls penibel wiedergegebenen Stoffen. Zerschlissenen und nur scheinbar achtlos hingeworfenen Brokat macht Ute Rakob dann zum Hauptakteur ihres Gemäldes „Die Große Wunde“. Die Farbigkeit in gebrochenem Rot und Weiß und eine in dem Haufen von Tüchern nur angedeutete, sich leidend krümmende Figur machen das Werk zu einer Art abstraktem Passionsbild.

Wiener Fassaden als Motiv
Gealterte Oberflächen beschäftigen auch Franz Zadrazil. Mit der Kamera durchstreift er Wien auf der Suche nach pittoresken heruntergekommenen Fassaden mit alten Reklameinschriften und vergessenen Schaufenstern. Für die Umsetzung seiner Motive in Gemälde scheint er sich auf den ersten Blick purer fotorealistischer Feinmalerei zu bedienen. Bei genauerem Hinsehen, etwa auf sein als Plakatmotiv genutztes Gemälde „Juwelen“, erkennt man allerdings, wie frei sein Pinsel ist, wenn bröckelnder Putz oder blinde Fenster dargestellt werden sollen.

Blicke durch spiegelndes Glas und abfallender Putz begegnen uns auch in den Großformaten des Malers und Fotografen Matthias Holländer, der heute am Bodensee lebt. Er hat seit langer Zeit eine Vorliebe für verlassene historische Räume, die heute als „lost places“ sehr in Mode gekommen sind. Auch er fotografiert zuerst seine Motive, erstellt dann aus diesem Material komplexe digitale Collagen, die er schließlich mit Öl und Acryl umsetzt. So entstehen aufregende Erinnerungsräume, in denen der Betrachter geradezu spazieren gehen kann.

04 Matthias Holländer Dunkler Flügel 1994 Privatbesitz
Matthias Holländer, Dunkler Flügel, 1994, Privatbesitz

Studentenbuden in magischem Licht
Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung sind die großformatigen Interieurs, in denen Ulrich Gansert die heruntergekommenen Wohnungen ohne fließend Wasser festhält, in denen Hausners Studenten in den 70er-Jahren leben. In einer am Pointillismus geschulten Technik bringt er dazu die Aquarellfarbe in zahllosen Punkten auf die Leinwand. Hell flutet das Licht durch die großen Fenster und gibt den an sich eher prekären Studentenbuden etwas geradezu Magisches.

06 Ulrich Gansert Interieur 1973 Sammlung Zdenka Infeld
Ulrich Gansert, Interieur, 1973, Sammlung Zdenka Infeld

Insgesamt ist es eine erstaunliche Vielfalt an realistischen Bildsprachen, die von Rudolf Hausners Meisterklasse ihren Ausgang nahmen und die von der inspirierenden Ausstellung in Schloss Achberg vor dem Besucher ausgebreitet werden. Es wird einem einmal mehr klar, dass die realistische Malerei einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Kunst der Moderne geleistet hat und bis heute leistet.
Fotos Gansert, Hausner, Hechelmann, Holländer: Schloss Achberg
Text und übrige Fotos: Herbert Eichhorn

Öffnungszeiten Schloss Achberg
freitags 14.00 bis 18.00 Uhr
samstags, sonn- und feiertags 11.00 bis 18.00 Uhr
außerhalb der Öffnungszeiten Führungen nach Vereinbarung

Katalog 
Zur Ausstellung ist ein sehr informativer Katalog zum Preis von 12 Euro erschienen. 

Begleitprogramm
Schloss Achberg bietet zu der Ausstellung ein breites Begleitprogramm an. Informationen dazu unter www.schloss-achberg.de.

 

 

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halloRV

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