Ravensburg - Am 15.12.22 mussten sich 4 Aktivisten wegen der Baumbesetzung am 22./23.2.22 vor dem Amtsgericht Ravensburg verantworten. Sie hatten Bäume in einem Erweiterungsbereich der Kiesgrube Tillius GmbH & Co KG in Oberankenreute bestiegen, um die Rodung des Waldes dort zu verhindern.
In nahegelegene Bäume waren Nägel eingeschlagen worden, um das Werk der Kettensägen zu hemmen, worauf durch angebrachte Schilder hingewiesen wurde.
Die allesamt von Rechtsanwälten vertretenen Aktivisten machten vor Gericht keine Angaben zur Sache, wiesen jedoch auf die Bedeutung des Waldes für den Klima-und Wasserschutz hin. Angesichts des herannahenden Klimakollapses könne sich die Gesellschaft den ungehemmten Abbau von Kies und das damit zusammenhängende Bauen mit Beton nicht mehr leisten. Immerhin 8% der CO² Emissionen gingen auf die Kappe der Zementindustrie, so der Angeklagte Samuel Bosch. Nach der Vernehmung der polizeilichen Zeugen war der Sachverhalt insoweit klar, dass alle Angeklagten auf den Bäumen gewesen waren. Einer der Angeklagten hatte in der Folge noch eine Nacht im Polizeigewahrsam verbringen müssen, weil er seine Personalien nicht angeben wollte. Wer allerdings die Nägel in die Bäume getrieben hatte, konnte keiner der Zeugen berichten.
Die Verteidigenden Klaus Schulz, Nils Spörkel, Fabian Frank und Rechtsreferendarin Annika Lust sahen den Vorwurf der Sachbeschädigung der Bäume jeweils für ihre Mandanten als nicht erwiesen an, nachdem hierfür auch andere im Waldstück von Zeugen beobachtete Personen als Verursacher in Betracht kämen. Und auch den Vorwurf der Nötigung hielten sie aufgrund mangelnder Gewaltanwendung und fehlender Verwerflichkeit als nicht gegeben an. Der Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetzes scheitere schließlich daran, dass schon gar keine anmeldepflichtige Versammlung vorgelegen habe, was Amtsgericht und Landgericht Ravensburg nun schon mehrfach so entschieden habe.
Die Staatsanwaltschaft sah die Vorwürfe als erwiesen an und beantragte Geldstrafen zwischen 90 und 110 Tagessätzen – was je nach Einkommen der Angeklagten zwischen 900 € - 4400 € bedeutet hätte. Das Amtsgericht verurteilte 3 Angeklagten wegen Sachbeschädigung und Nötigung zu etwas geringeren Geldstrafen und sprach sie im Übrigen frei.
Außer einem Hammer und Nägeln verfügte es die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände, wie Hängematten, Schlafsäcke und Isomatten, weil sie diese nicht als Tatmittel ansah. Den 4. Angeklagten, den Aktivisten Samuel Bosch, sprach Frau Dr. Angelika Schneider insgesamt frei, da er erst am 2. Tag der Besetzung dazugekommen war und ihm daher das Einschlagen der Nägel nicht angelastet werden könne.
Keiner der Beteiligten geht davon aus, dass das Urteil rechtskräftig werden wird. Die verurteilten Angeklagten kündigten entsprechende Anträge an und „die Staatsanwaltschaft gehtsowieso in jedem einzelnen Fall in Berufung und Revision, manchmal sogar, wenn das Gericht gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft verurteilt“, so RA Schulz, der schon eine größere Anzahl von Aktivisten verteidigt hat. „Da scheint ein hohes Maß an Verfolgungseifer zu dominieren“ so Schulz weiter, „und ich weiß nicht, ob die betroffenen Gerichte davon begeistert sind“.
Bericht Gerhard Maucher

