Isny - Habisreutinger und Holz: Im Oberschwäbischen und im Allgäu klingt diese Kombination sehr vertraut. Sie schreckt einen also nicht gerade auf, wenn man von der aktuellen Ausstellung in der Städtischen Galerie im Turm des Espantores in Isny hört. Und tatsächlich stammt Alexander Habisreutinger, Jahrgang 1975, dessen Werke dort bis 2. Juli gezeigt werden, aus der traditionsreichen Weingartener Holzhändler- und Säger-Dynastie.

Lehre als Schreiner und Studium der Freien Malerei
Die Beschäftigung mit Holz wurde dem Künstler also quasi in die Wiege gelegt? Diese Sicht wäre vielleicht doch etwas zu kurz gesprungen. Aber Alexander Habisreutinger hat den Umgang mit dem Material Holz tatsächlich von der Pieke auf gelernt, hat er doch zunächst eine Ausbildung als Schreiner absolviert. Von 2002 bis 2007 hat er dann an der Kunstakademie Karlsruhe Freie Malerei bei Ernst Caramelle und Gustav Kluge studiert, dessen Meisterschüler er schließlich wurde. Offensichtlich musste sich der Oberschwabe erst einmal von dem vermeintlich so naheliegenden Material Holz lösen und neue Wege für sich erkunden. Mit Gustav Kluge gelangte er allerdings an einen Lehrer, in dessen Werk dem Material Holz ebenfalls eine große Bedeutung zukommt. Kluge verwendet aber fast ausschließlich gefundenes, industriell genutztes Holz mit deutlichen Spuren des Gebrauchs.

Gezeigt werden Skulpturen und Werke auf Papier
In Isny zeigt Alexander Habisreutinger nun vorwiegend Arbeiten aus Holz. Zu sehen sind einerseits lichte Skulpturen und andererseits Wandarbeiten, die man sich fast scheut, als Reliefs zu bezeichnen. Es handelt sich bei ihnen eher um recht kompakte Plastiken, die eben an der Wand hängen statt auf dem Boden zu stehen. Zwischen den plastischen Arbeiten sind aber auch meist kleinformatige Tuschezeichnungen und Kaltnadelradierungen zu sehen.

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Astskulptur (2020)

Naturhölzer und Industriehölzer
Alexander Habisreutinger nutzt für seine Bildhauerarbeiten sowohl schöne feinfaserige Naturhölzer wie etwa Kirsche oder Haselnuss als auch Reste industriell bearbeiteten, teilweise beschichteten Holzes. Viele Arbeiten erinnern an Gewachsenes, an Naturformen wie Äste oder auch Wurzeln. Hier zeigt der Künstler nicht nur, wie virtuos er den Umgang mit seinem Material beherrscht. Er setzt hier auch auf den sinnlichen Reiz der matt belassenen Naturhölzer. Manche dieser Werke sind knoten- oder netzartig verdichtet. Eine Gruppe von fragileren Arbeiten beschreibt der Künstler als modulare Astskulpturen. Sie stehen frei im Raum und vor den kleinen Fenstern oder können auch von der Decke hängen. Mit ihnen desillusioniert Habisreutinger aber gleich wieder deren scheinbare Naturnähe, die der Betrachter beim ersten, flüchtigen Blick zu erkennen glaubt.

Alexander Habisreutingers Naturarchitektur
Die Durchmesser der fragilen “Äste“ variieren. Elemente mit einmal kleinerem und einmal größerem Durchmesser sind hintereinander montiert. Außerdem stehen diese Arbeiten auf spitzen, feinen Füßen. Beides betont das Künstliche, das Gebaute. Man hat es hier eben nicht mit bloßen Abbildern von Ästen oder Wurzelballen zu tun. Es handelt sich vielmehr um bewusst konzipierte und konstruierte räumliche Liniengefüge, für die Wachstumsprozesse der Natur nur die Anregungen liefern. Pflanzliches und Technisch-Architektonisches ist hier verschmolzen. Bezeichnenderweise spricht der Künstler selber bei seinen Werken von „Naturarchitektur“.

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Modulare Astskulptur (2018)

Auch bedrohliche Aspekte der Natur werden thematisiert
Ein nervöses Geflecht von Linien überzieht auch die Arbeiten der Serie „Multiplex-Remix“. Genauer gesagt, handelt es sich hier um Brüche und Kanten. Die sich über die gesamten Werke spannenden Strukturen erinnern auch an die in der Ausstellung gezeigten Papierarbeiten des Künstlers. Allerdings entwickeln die kleinteilig zerklüfteten plastischen Werke aus beschichtetem Multiplexmaterial eine große plastische Wucht. Fast bedrohlich drängen sich die Arbeiten in den Raum und dem Betrachter entgegen. In diesem Werkkomplex werden Vorgänge wie das Bersten oder das Brechen des Holzes und damit letztlich auch bedrohliche Aspekte der Natur thematisiert.

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Multiplex Remix 10 (2015)

Der im Sommerhalbjahr von der Städtischen Galerie für Ausstellungen genutzte mittelalterliche Turm des Espantores ist ein besonders reizvoller Ort zur Präsentation von Kunstwerken. Die kubischen Räume reihen sich hier nicht hintereinander, sondern stapeln sich übereinander. Auf allen Ebenen bieten die kleinen Fenster dabei schöne Ausblicke auf die Dächer und Türme der Stadt. Und vor den Fenstern bewegen sich auch mächtige Bäume und verweisen noch einmal auf die Natur als den entscheidenden Impulsgeber für das so poetisch gestimmte Werk des Bildhauers Alexander Habisreutinger. Die sehr offen und scheinbar mit leichter Hand arrangierte Ausstellung in Isny, ist eine gute Gelegenheit, dieses Werk kennenzulernen oder sich erneut mit ihm zu beschäftigen.

Text und Fotos: Herbert Eichhorn

Städtische Galerie im Turm (Espantor)
Espantorstraße 23

mittwochs bis samstags 15.00 bis 18.00 Uhr
sonntags 11.00 bis 17.00 Uhr

Zum Abschluss am 2. Juli, um 14.00 Uhr, führt der Künstler durch seine Ausstellung.

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Ohne Titel (2013). Für diese Arbeit hat der Künstler das Sperrholz einer Obstkiste verwendet.

 

 

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halloRV

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