Kißlegg – Das im Jahr 2019 begonnene Partnerschafts-Projekt zwischen Kißlegg und der Gemeinde Rachiine im Nordlibanon, über das bereits wiederholt berichtet wurde, geht nun in die Endphase.

Die Vertreter der Gemeinde Kißlegg, Gemeinderat Martin Müller und der ehrenamtliche Projektkoordinator Klaus Karl, waren im April für fünf Tage vor Ort, um sowohl an einer Eröffnungsveranstaltung teilzunehmen als auch die weiteren Schritte der Umsetzung zu verabschieden.
In Partnerschaft zwischen den Gemeinden Kißlegg und Rachiine/Libanon wurde die Müllsortier- und Aufbereitungsanlage am 12. April 2023 in Betrieb genommen. Die Idee dazu entstand im Jahr 2019 bei einem Delegationsbesuch vor Ort. Die feierliche Einweihung erfolgte in Rachiine unter Beteiligung von ca. 120 Personen aus allen Schichten der Bevölkerung.

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Impressionen zur Eröffnung der Müllsortier- und Aufbereitungsanlage im Libanon

Die Anlage wird Rachiine die Kosten für die Sammlung, Sortierung und Deponierung von Abfällen weitestgehend ersparen, die zu einer Belastung für alle Gemeinden geworden sind. Einige Nachbargemeinden erheben bereits Gebühren für diesen Prozess, obwohl die Belastungen für die Bürger ohnehin sehr hoch sind. Zusätzlich zu den finanziellen Einsparungen durch den Verkauf der Wertstoffe wird sich der neue Prozess positiv auf die Umwelt und Gesundheit der Bürger auswirken.

Der Bürgermeister von Rachiine, der Projektkoordinator, die Gemeinderäte und die Vertreter der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und DIR (Internationale Organisation für Demokratie-Berichterstattung) haben in Ihren Ansprachen die Partnerschaft zur Gemeinde Kißlegg in ganz besonderem Maße hervorgehoben und sich für die anhaltende Unterstützung seit 2019 besonders bedankt. Als Zeichen der hervorragenden Partnerschaft wurden während des Festaktes eine Ehrenplakette und von den Priestern der Gemeinde Rachiine ein Junger Zedernbaum an die Vertreter der Gemeinde Kißlegg übergeben – dieser soll so gut wachsen wie die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit.

Eine Wertstoffanlage zu errichten ist eine Sache - jetzt folgt der entscheidende Teil der Umsetzung der Mülltrennung durch die Bevölkerung, die Sammlung des vorsortierten Mülls, die weitere Sortierung der Wertstoffe mit Hilfe der installierten Maschinen und die Aufbereitung für den Verkauf bzw. die kostenpflichtige Entsorgung des Restmülls in Deponien. Die Einnahmen für die Wertstoffe sollen den nachhaltigen Betrieb der Anlage sicherstellen.

Die jetzt gestartete Informationskampagne wird im Wesentlichen durch die örtlichen Jugendgruppen durchgeführt. Dazu gehören Workshops für die Einwohner, Schüler an den Schulen und Besuche aller Haushalte der Gemeinde, um alle Bürger für den neuen Müll-Sortierungs- und Sammlungsprozess zu motivieren. Durch eine geplante Qualitätskontrolle soll der Grad der erreichten Müll- Trennung gemessen und laufend verbessert werden.

Nach wie vor ist die allgemeine wirtschaftliche und politische Situation im Libanon sehr, sehr komplex und schwierig und wir können sehr glücklich sein, dass in dieser Zeit dieses Projekt überhaupt erfolgreich weitergeführt und trotz einiger Verzögerungen zum 31.12.2023 abgeschlossen werden kann.

Die Inflation hat sich weiter dramatisiert, der Wechselkurszum US $ hat sich von anfänglich 1 $ = 1.500 LBP (libanesische Pfund) im Jahr 2019 auf 20.000 LBP im Jahr 2020 auf nun 30.000 LBP verschlechtert. Ein Durchschnittliches Monatsgehalt eines Arbeiters oder Angestellten beträgt umgerechnet nur etwa US $ 30! Regierungsbeamte gehen nicht zur Arbeit, weil Sie kein Gehalt bekommen. Banken sind geschlossen, zahlen Sparguthaben nicht oder nur zu einem sehr geringen Anteil überhaupt aus.

Das Land versinkt immer mehr im Chaos, weil längst anstehende Wahlen wiederholt aufgrund der festgelegten Statuten zur paritätischen Besetzung des Parlaments von den definierten religiösen Parteien verschoben werden – man findet keine Einigung für geeignete Kandidaten für das Amt des Präsidenten.

Glück oder Fluch – damit verschieben sich auch die Wahlen für das Bürgermeisteramt der Gemeinde Rachiine und die bisherigen Ansprechpartner bleiben uns erhalten.

Neben den o.a. Herausforderungen und der großen Abfallproblematik ist die Energieversorgung das nächste Problem. Elektrische Energie steht völlig unplanbar nur an ca. drei bis vier Stunden pro Tag zur Verfügung. Die sichere Versorgung wird landesweit sowohl für Privathaushalte als auch z.B. für Firmen, Geschäfte und Restaurants über Dieselgeneratoren sichergestellt und die Kosten für den Kraftstoff belasten die Bevölkerung zusätzlich. Alternative Energieversorgung, z.B. über PV-Anlagen ist sehr wünschenswert, wenn überhaupt lokal finanzierbar.

Kißlegg setzt sich für eine PV-Anlage ein
Deshalb arbeitet Kißlegg jetzt daran, eine PV-Anlage für den Betrieb der Werstoffanlage realisieren zu können. Die Mittel für die Erzeugung der dafür nötigen Leistung von 50 KW wurden bereits beantragt, jedoch ist zurzeit noch nicht sicher, ob diese vom bundesdeutschen Entwicklungshilfeministerium (BMZ)  dafür zur Verfügung gestellt werden. Eine PV-Anlage würde das gesamte Projekt hervorragend abrunden, da im Libanon die Sonne an ca. 280 Tagen im Jahr scheint und Kosten für Dieselkraftstoff von ca. US $ 2.000 bis 2.500 pro Monat eingespart werden könnten. Diese Summe ist für Gemeinden, die keinen Finanzausgleich erhalten außergewöhnlich hoch und könnte für dringend nötige andere Themen der Daseinsvorsorge verwendet werden.

Die jahrelange und erfolgreiche Zusammenarbeit in zwischen den Gemeinden Kißlegg und Rachiine zeigt deutlich, wie wichtig diese oder ähnliche Projekte über Landes-, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg für die internationale kommunale Zusammenarbeit in der Entwicklungsarbeit der BRD sind.

Pressemitteilung der Gemeinde Kisslegg (Clemens Stadler)

 

 

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halloRV

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