Kißlegg - Seit Kurzem gibt es auf der lichtdurchfluteten Beletage im Neuen Schloss in Kißlegg wieder anregende zeitgenössische Kunst zu sehen. Noch bis zum 29. Oktober werden dort die Ausstellungen „Junge Kunst in Oberschwaben“ und „Anne Carnein. Kleine Landschaft“ gezeigt.

Die Ausstellung „Junge Kunst“, die fast das gesamte zweite Obergeschoss des Baues füllt, ist das Ergebnis einer Ausschreibung der Gemeinde Kißlegg, mit der sie den Künstlernachwuchs in der Region fördern will. Teilnahmeberechtigt waren professionell ausgebildete Künstlerinnen und Künstler aus Oberschwaben, die nicht älter als 35 sein durften. Am Eingang der Schau erläutert eine Infotafel die Zielsetzung der Veranstalter. Man wolle „keine hochtrabende kunsthistorische Bestandsaufnahme“. Es motiviere einen vielmehr „die reine Lust, den Raum zu füllen mit Werken von jungen KünstlerInnen und sie auf ihrer Suche nach dem eigenen künstlerischen Ausdruck zu begleiten“.

Für die erste Runde wurden 20 Künstler ausgewählt
Bis Januar konnte man sich bewerben. Eine Jury traf dann eine Vorauswahl, die nun den Sommer über präsentiert wird. Am Ende der Ausstellung werden schließlich drei Förderpreise in Höhe von 2.000, 1.000 und 500 Euro vergeben sowie ein mit 500 Euro dotierter Publikumspreis. 20 künstlerische Positionen wurden ausgewählt und werden mit einer oder mehreren Arbeiten vorgestellt. In der Auswahl überwiegen die klassischen Techniken Malerei und Zeichnung. Es gibt etwas Fotografie, einige wenige Skulpturen und eine einzige Installation. Naturgemäß vermag nicht jede vorgeschlagene Position in einer solchen Wettbewerbsausstellung gleichermaßen zu überzeugen. Aber es gibt in der anregenden Auswahl tatsächlich spannende Entdeckungen zu machen.

Arbeiten auf Papier
Unter den Arbeiten auf Papier fallen zum Beispiel die sensiblen Beiträge von Ida Sophia Hoffmann Cunha ins Auge, die Zeichnung und winzige Schrift zu faszinierenden Rätselbildern von menschlichen Krisensituationen kombiniert. Anna Maria Roth verwandelt in ihren Federzeichnungen die Architektur eines Gewächshauses in streng stilisierte Linienverläufe. Gewächshäuser bei Nacht tauchen auch bei Sarah Steuer auf. In ihren Lithografien werden Natur- und Landschaftsmotive ins Bedrohliche verfremdet. Naturerleben ist auch das Thema von Paul Herbergs ansprechenden Fotoarbeiten.

Porträtmalerei von menschlichen und tierischen Gefährten
Mit klassischer Acrylmalerei auf Leinwand sind Chanelle Rundel und Sarah Breimaier in der Ausstellung vertreten. Letztere porträtiert überzeugend einfach ihre Hündin Alin. Chanelle Rundel hat eine ganze Folge von großen Porträtdarstellungen von Familienmitgliedern und Freunden eingereicht. Die Gesichtszüge der Dargestellten werden präzise erfasst. Gleichzeitig wird die intime Vertrautheit der Malerin mit ihrem Gegenüber in allen Werken greifbar.

Plastische Arbeiten und als Highlight eine Rauminstallation
Unter den wenigen plastischen Arbeiten in der Schau fällt die Porträtgruppe „Talking Heads“ von Michael Wechsel ins Auge. Aus ungewöhnlichem Material, nämlich aus Papier und Kreppband, schuf der Künstler vier eindrucksvolle Charakterköpfe. Er hat sie zu einer kleinen Runde arrangiert, die sich zum Gespräch versammelt hat. Sandra Schick zeigt unter anderem zwei kleine keramischen Skulpturen. Deren nervöse Formen werden durch verwendete metallisch-glänzende Glasur noch unterstrichen. Der auf einem Ast liegende Putto an der Wand erscheint dabei fast als eine Reminiszenz an die Ausstellungsräume mit ihren prächtigen barocken Stuckdekorationen. Von der gleichen Künstlerin stammt auch das unbestrittene Highlight der Ausstellung. Ihre poetische und gleichzeitig stimulierende raumfüllende Installation schließt den Rundgang ab. Auf dem Parkett hat sie Inseln aus Kunstrasen ausgelegt, auf denen sie Gipsabgüsse historischer Schrifttafeln verteilt hat.

Klein, aber fein: die Einzelschau von Anne Carnein
Keinesfalls verpassen sollte der Besucher die zweite Ausstellung. Anne Carnein, die Meisterschülerin bei Stephan Balkenhol war, lebt in der Region. Klein, aber fein ist ihre Präsentation, für die sie sich auf den Raum in der Südwestecke des Schlosses beschränkt. Für ihr Projekt „Kleine Landschaft“ hat sie einige ihrer fragilen Skulpturen aufgebaut, die Wachstumsprozesse in der Pflanzenwelt thematisieren. Auch sie verwendet für ihre Schöpfungen Materialien, die für eine Bildhauerin eher ungewöhnlich sind: Über Drahtgerüsten bildet sie mit Textilien und Garnen die Formen aus der Natur nach.

Ein Ton von Märchen und Magie
Auch wenn dem Besucher die Gestalt von Blättern und Blüten aus der eigenen Anschauung bekannt vorkommt, haben die Arbeiten etwas Rätselhaftes, ja Irritierendes. Das hat nicht nur mit dem durch die benutzten Materialien bewirkten Verfremdungseffekt zu tun. Anne Carein zeigt eben nicht nur das Leben der Pflanzen, das sich über der Erde abspielt. Genau so viel Aufmerksamkeit und Mühe verwendet sie auf die Wiedergabe des dunklen Teils des Pflanzenlebens, auf das, was wir sonst nicht sehen, also auf Wurzeln und Knollen. Natürlich kommt einem die sagenumwobene Alraunenwurzel in den Sinn und tatsächlich klingt in den Arbeiten von Anne Carnein auch ein Ton von Märchen und Magie an.

Jeder Besucher entscheidet über die Vergabe des Publikumspreises mit
Ein Besuch in den beiden so verschiedenen Ausstellungen lohnt sich. Ein besonderer Reiz ist natürlich, dass man über die Vergabe des Publikumspreises mitentscheiden kann. Quasi als Eintrittsticket erhält jeder Besucher eine Stimmkarte, auf der er nach seinem Ausstellungsrundgang ein Kreuz bei seinem Favoriten machen kann.

Text und Fotos: Herbert Eichhorn

Die Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung „Junge Kunst in Oberschwaben“: Paul Herberg, Anna Maria Roth, Lea Hoffbauer, Chanelle Rundel, Stanislaw Leonard Heinzel, Ramona Antolić, Eva König, Ronja Anouk Hirlinger, Thea Maria Krug, Ida Sophia Hoffmann Cunha, Giuliano Lo Bartolo, Sarah Breimaier, Michael Wechsel, Sandra Schick, Carina Hirschle, Emma Maria Schaden, Tetiana Brzozowski, Anita Paula Heinzelmann, Sarah Steuer, Sarah Nitz.

Am 31. Mai
In der Ausstellung „Junge Kunst in Oberschwaben“ gibt es den Sommer über verschiedene Veranstaltungen. Als nächstes führt Christine Vidic unter dem Motto „Die reine Lust den Raum zu füllen“ am 31. Mai, um 19.00 Uhr, durch die Schau.

Öffnungszeiten im Neuen Schloss
dienstags, donnerstags und freitags 14.00 bis 17.00 Uhr
sonn- und feiertags 13.00 bis 17.00 Uhr

 01 Michel NEU

Michael Wechsel "Talking Heads",  Papier und Kreppband

 02 reiZeichnung und kleine Schrift kombiniert in einerm Werk von Ida Sophia Hoffmann Cunha

Zeichnung und kleine Schrift, kombiniert in einem Werk von Ida Sophia Hoffmann Cunha  

03 reiBlick in die Ausstellung Junge Kunst in OberschwabenNEUBlick in die Ausstellung "Junge Kunst in Oberschwaben"

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Detailansicht einer Arbeit von Anne Carnein 

06Anne Carnein Kleine LandschaftNEU

Anne Carnein: Kleine Landschaft

 

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halloRV

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