Wolfegg - Die Fördergemeinschaft des Bauernhausmuseums Wolfegg hat am 30. März in der Zehntscheuer aus Gessenried Heinz Linder, den früheren Ortsheimatpfleger von Kißlegg, für sein Lebenswerk geehrt. Prof. Dr. Manfred Thierer, einer der führenden Heimatpfleger des württembergischen Allgäus und Autor grundlegender Werke zur Regionalkultur („Stätten der Stille“, „Beseeltes Land“), hielt einen Vortrag.
Wo sonst gibt es eine solche Fülle an Glaubenszeugnissen wie im kleinkammerigen westlichen Allgäu? Oft übersehene Feldkreuze und Bildstöcke, Hausheilige an Bauernhöfen und Schutzpatrone an Brücken. Professor Dr. Manfred Thierer öffnete den Zuhörern in der Zehntscheuer die Augen. Die Frömmigkeit zeigte sich in unserer Landschaft nicht nur in Barockkirchen und Klosterbauten, sondern eben auch in vielen kleinen Zeichen.
Erinnerung an drei tote Kinder
Ein Feldkreuz mit Lanze, Leiter, Gockel und den Leidenswerkzeugen Geißel und Nägel erinnert in Deuchelried an drei Kinder einer Familie, die an Diphterie hintereinander in einem November gestorben sind. In einem Gelübde versprachen die Bauersleute ein Feldkreuz und beteten um Verschonung des vierten Kindes. Es hat überlebt. Die Grabinschrift für die drei Gestorbenen lautet: „Liebe Eltern weinet nicht, wir leben nun Gottes Angesicht!“
Ein Kreuz mit politischer Vergangenheit
Vor der Kapelle in Steinental ragt ein großes einfaches Holzkreuz in die Höhe. An dieser Stelle war einmal eine Hitler-Eiche. Die französischen Sieger veranlassten, dass als Nazi-Anhänger bekannte Einheimische diese herausreißen mussten. Die Trikolore sollte fortan grüßen. Dem Pfarrer von Treherz gelang es aber, ein Friedenskreuz durchzusetzen.
Er kennt alle 32 Kißlegger Kapellen: Heinz Linder
Franz Frick, der Vorsitzende der Fördergemeinschaft des Bauernhausmuseums, und Stefan Wiltsche, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege im württembergischen Allgäu, sprachen ihr Lob aus für den als „Kapellen-Fritze“ bekannten Heinz Linder. Manche der 32 Kapellen auf Kißlegger Gebiet hat er aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Aus einer Kiesgrube rettete der Ur-Kißlegger ein Arma-Christi Kreuz. Es war fast vergessen. Aber Hinz Linder erinnerte sich an seine Zeit als Hütebub, „da bin ich mit acht Kühen immer vorbeigekommen“. Durch Straßenbau war das Kreuz aber verschwunden. Durch viele Nachforschungen und Gespräche mit einem Wirt gab es den Hinweis auf die Kiesgrube, wo er es finden und retten konnte.
Allgäuer Sakrallandschaft
Manfred Thierer hat gezählt: Im westlichen Allgäu gibt es 1700 kleine Zeugnisse tiefer Volksfrömmigkeit. Allein der Kreis Ravensburg hat 370 Kapellen. In Thierers Buch „Beseeltes Land – Frömmigkeit im Allgäu“ stecken viele Detailinformationen und Landkarten dazu.
Günter Brutschers HomePage
Auf der Homepage von Günter Brutscher sind weitere zahlreiche Frömmigkeitszeichen zu finden. Wenn nun die Fahrradsaison beginnt, finden sich einladende Touren in der heimatlichen Sakrallandschaft.
Text und Fotos: Hans Reichert
Der Vorsitzende der Fördergemeinschaft Franz Frick (rechts) überreicht die Ehrenurkunde an Heinz Linder.
Professor Dr. Manfred Thierer (rechts am Bildrand) beim Vortrag in der Gessenrieder Zehntscheuer im Bauernhausmuseum Wolfegg.