Wolfegg / Kißlegg (dbsz) - Die Fördergemeinschaft des Bauernhausmuseums Wolfegg wird am heutigen Donnerstag, 30. März, in der Zehntscheuer aus Gessenried Heinz Linder, den früheren Ortsheinatpfleger von Kißlegg, für sein Lebenswerk ehren (19.00 Uhr). Aus diesem Anlass veröffentlichen wir hier in der Bildschirmzeitung „Der Kißlegger“ eine Würdigung Linders, die in den „Wolfegger Blättern“ (Ausgabe 2023) auf den Seiten 46 und 47 erschienen ist. Autor des Textes ist Dr. Christian Schmölzer, von dem auch die Fotos stammen. Er schreibt unter anderem:
Früher war es auch öfters so, dass einzelne Bauern oder auch Zusammenschlüsse von Bauern in den kleinen Weilern sich entschlossen eine Kapelle errichten zu lassen. Anlass war oft eine überstandene Krankheit oder andere Unglücksfälle, aber auch der fromme Wunsch, „dem Herrgott auch in der Einöde einen passenden Platz zu schaffen“.
Besonders beeindruckt waren wir (die Fördergemeinschaft des Bauernhausmuseums Wolfegg; Anm. d. DBSZ-Red.), wie diese Kleinode bäuerlicher sakraler Baukunst mit über 32 Kapellen und unzähligen Flurkreuzen über Jahrzehnte hinweg in der Flächengemeinde Kißlegg erhalten und gepflegt wurden. Ein Büchlein entstand über das „Kißlegger Kapellenland – reich an Zeichen des Glaubens“. Mehrere Kapellenvereine entstanden (zum Beispiel in Zaisenhofen; Herr Linder war Gründungsmitglied und viele Jahre Kassier.)
Der Ortsheimatpfleger Heinz Linder hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten so ins Zeug gelegt, dass er den Spitznamen „der Kapellenfritze“ erhielt, wie er mir nicht ohne Stolz berichtete. Er beschäftigte sich mit dem Erhalt der ländlichen Kultur seit seiner Kindheit in Zaisenhofen mit vollem Einsatz. Dann in den letzten 18 Jahren, in denen er als Ortsheimatpfleger von Kißlegg bis vor wenigen Monaten tätig war. Er konnte in der Zeit zum Beispiel drei Votivtafeln, die im Denkmalbuch eingetragen sind, bei einem Restaurator ausfindig machen, wo sie „vergessen“ wurden. Heute sind sie im Pfarrstadel in Kißlegg zu bestaunen.
Ebenso rettete er gemeinsam mit der Stadt Friedrichshafen, die leider keinen Zuschuss dazu gab, die Zeppelingedenkstätte bei dem Flugplatz für Segelflieger bei Kißlegg. Die Kosten übernahm die Gemeinde Kißlegg.
Schon bei seinen früheren Tätigkeiten in Stuttgart und sieben Jahre als stellvertretender Leiter einer Bank in Biberach habe er so manchen Einödhof mit retten können, auch durch die Finanzierungen, die er ermöglichte. 1967 wechselte er in die Filiale der Kreisparkasse in Kißlegg, die er bis zu seiner Berentung 1997 leitete.
Kapelle „Zur unbefleckten Jungfrau Maria“ in Zaisenhofen
Wir wollen hier zwei von den 32 Kapellen von Kißlegg herausgreifen, die in den letzten Jahren restauriert wurden. Als erste die Kapelle in Zaisenhofen. Sie wird betreut von einem Kapellenverein, dessen Vorsitzender Herr Maier direkt daneben wohnt und der mir weitere Details zum ehrenamtlichen Engagement von Heinz Linder erzählte.
Urkundlich wurde die Zaisenhofer Kapelle 1767 erstmals erwähnt. Zeugnisse (Baupläne) gibt es aus dem Jahre 1825. Neu erbaut wurde sie im Jahre 1857, finanziert von den Einwohnern von Zaisenhofen. Die Einweihung erfolgte am 12. Oktober 1859. Patronin ist die „Unbefleckte Jungfrau Maria“. Ein Jahr vorher hatte Papst Pius IX das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariä verkündet.
Die Kapelle war im Besitz der Gemeinde Kißlegg, einer Eigentümerin wider Willen, wie im Jahr 2000 in der „Schwäbischen Zeitung“ zu lesen war. Heute ist sie im Besitz der katholischen Kirchengemeinde Kißlegg.
Eine Besonderheit ist die farbige Holzdecke, die einem gotischen Netzrippengewölbe nachempfunden ist. Vor der Renovierung war ein dunkelblauer Sternenhimmel zu sehen. Nach der Freilegung finden wir Symbole aus der Lauretanischen Litanei, die so heißt, da sie erstmals 1531 in Loretto belegt ist. Gerne wird sie bei Maiandachten und Rosenkranzgebeten rezitiert: „Heilige Maria bitte für uns – Du Turm Davids – Du Pforte des Himmels – Du geheimnisvolle Rose – Du Pforte des Himmels – Du Kelch der Hingabe – Du Bruderlade Gottes ...“ Die lauretanische Litanei ist von östlicher byzantinischer Marienfrömmigkeit beeinflusst, entstand wohl im 13. Jahrhundert und wurde im 16.Jahrhundert in die westliche Welt eingeführt.
Motive aus der Lauretanischen Litanei finden sich auf der farbigen Holzfelderdecke in der Kapelle Zaisenhofen. Hier Beispiele:
„Du Kelch der Hingabe“
„Du Pforte des Himmels“
„Du Arche Noahs“
Altar in Zaisenhofen
Die Kapelle „Zur unbefleckten Jungfrau Maria“ in Zaisenhofen.
Kapelle Zaisenhofen (Westseite).
Kapelle in Reute-Bietenweiler
Als zweite von den 32 Kapellen wollen wir abschließend noch kurz auf die Kapelle in Reute bei Bietenweiler eingehen: Sie geht wohl auf das 17. Jahrhundert zurück. Der Barockaltar aus dem Ende des 18. Jahrhunderts wird geschmückt von einem Altarbild “Maria hilf“. Zwei Putten bewachen eine geschnitzte Nachahmung der hl Blutreliquie aus Weingarten. Der Altar wurde von dem Kunstmaler Manfred Scharpf retauriert, er wohnte früher in Kisslegg.
Wiedergefundenes Arma-Christi-Kreuz
Bei einem Gespräch mit Heinz Linder erfuhr ich von der wundersamen Geschichte des Arma-Christi-Kreuzes, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt. Es wurde vor Jahren wegen der Verlegung der Straße abgebrochen und von Heinz Linder nach einem Tipp bei einer aufgelassenen ehemaligen Kiesgrube gefunden. Es wurde dann in den Oberschwäbischen Werkstätten für Behinderte in Kißlegg mit praktischen und ideellen Tipps von Dr. Thierer, dem Künstler Max Scharpf, und dem Kirchenmaler Mayer originalgetreu wieder hergestellt. Herr Maier, der Vorsitzende des Kapellenvereins Zaisenhofen, war der Leiter dieser Metallwerkstatt, so griff ein Rädchen ins andere.
Marienkapelle in Reute bei Bietenweiler
Barockaltar Reute
Maria mit dem Kinde in Reute