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Das große Halbzeitinterview der Bildschirmzeitung mit Bürgermeisterin Alexandra Scherer

 

Bad Wurzach - Vor Kurzem war die Redaktion der Bildschirmzeitung (DBSZ), vertreten durch Wolfgang Weiß und Gerhard Reischmann, zu Gast im Bad Wurzacher Rathaus. Bürgermeisterin Alexandra Scherer ist nun genau vier Jahre im Amt – Halbzeit in der auf acht Jahre bemessenen Amtszeit. Das war für die DBSZ Anlass für eine Tour d’Horizon durch die große Bandbreite der Bad Wurzacher Kommunalpolitik. Bürgermeisterin Scherer gab in einem einstündigen intensiven Gespräch bereitwillig Auskunft. Wir danken ihr für das Gespräch, das wir nachfolgend wiedergeben.

Die Bildschirmzeitung (DBSZ): Vor vier Jahren, genau: am 22. April 2018, wurden Sie mit fast 80 Prozent der abgegebenen Stimmen zur Bürgermeisterin von Bad Wurzach gewählt. Wollen Sie eine Halbzeit-Bilanz ziehen? 
Bürgermeisterin Alexandra Scherer: Gerne zunächst eine kurze Rückschau, die dann auch in einen Ausblick übergeht: Die ganz großen Themen meiner Anfangszeit waren zunächst die Umsetzung der Sanierungsstrategie im Kurbetrieb mit personeller Neuausrichtung. Nach der Sanierung der Moorbadeabteilung und des Hotels einschließlich Restaurant ist der Betrieb unter dem Namen feelMOOR Gesundresort Bad Wurzach ganz hervorragend gestartet – soweit dies unter Pandemie-Bedingungen möglich war.

Wir haben Anfang 2020 auch das Kurhaus verpachten können, darauf hat die Stadt lange gewartet und alle sind voller Optimismus gestartet – bis einen Monat später die Corona-Zeit begann. Die Pandemie hat auch den Bau des Hallenbades nicht gerade vereinfacht, aber dennoch haben die Verantwortlichen es geschafft, dass unser schönes Bad im Oktober letzten Jahres eingeweiht werden konnte.

Wir haben städtebauliche Entwicklungskonzepte in Seibranz und für den Kernort durchgeführt, mit denen wir in das Stadtsanierungsprogramm aufgenommen wurden bzw. ELR-Förderung beantragen können. In Dietmanns wurden das Feuerwehrhaus und die Ortsverwaltung als Anbau an die Schule realisiert und ein neues Feuerwehrfahrzeug eingeweiht.

Fast alle Projekte waren überlagert von der Corona-Pandemie, dennoch konnten wir auch viele neue Vorhaben anstoßen, die wir jetzt umsetzen möchten.

 

DBSZ: Was sind die Schwerpunkte der zweiten Halbzeit?
Scherer: Ein ganz großes Thema der nächsten Jahre wird natürlich der Breitbandausbau sein. In Bad Wurzach, der drittgrößten Gemeinde in Baden-Württemberg, ist der flächendeckende Ausbau eine riesige Aufgabe. Wir sind hier auf Förderungen angewiesen und nutzen dabei sämtliche Möglichkeiten, um sowohl weiße wie auch graue Flecken zu versorgen. Den geplanten Ausbau bis 2025 zu schaffen, wie es der Fördergeber möchte, ist aber sehr ambitioniert.

Und wir werden uns auch in Sachen Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterentwickeln. Wir werden dazu weitere Baugebiete schaffen, um für die eigene Bevölkerung, aber auch für Zuzüge Möglichkeiten und Perspektiven bieten zu können.

Und wir werden in diesem Zusammenhang auch weitere Kinderbetreuungsmöglichkeiten schaffen. Insbesondere die Weiterentwicklung der Kleinkindbetreuung wird in den nächsten Jahren dabei ein Schwerpunkt sein. Die grundsätzlichen Leitplanken sind mit dem Gemeinderat schon vereinbart; die gilt es jetzt umzusetzen. Und zwar baulich wie auch konzeptionell.

Die begonnene Dorfentwicklung in Seibranz mit Sanierung der Mehrzweckhalle geht bald in die Umsetzung. Der Neubau des Feuerwehrhauses in Eintürnen ist zwar beschlossene Sache, muss aber noch gebaut werden. Dabei werden wir selbstverständlich alle bestehenden Fördermöglichkeiten nutzen und entsprechende Zuschüsse beantragen.

Und mit dem in hohem Maße geförderten Turm im Wurzacher Ried möchten wir ein weiteres Highlight für unsere Stadt schaffen, mit dem wir Natur- und Klimaschutz sichtbar machen und als zusätzlichen Mehrwert neue Gäste in die Stadt bringen.

Neben den neuen Aufgaben gilt es auch, das Erreichte zu erhalten und noch weiter auszubauen. Mit unserer „Corporate Identity, CI“ haben wir dabei nicht nur einen optischen Auftritt, sondern auch in gewisser Weise ein Leitbild geschaffen. Denn damit bilden wir unser großes Thema Natur mit dem Wurzacher Ried durch die Farben blau, petrol und grün sowie der Offenheit der Kreise ab. Das Ried ist gewissermaßen der Markenkern von Bad Wurzach, um den herum wir uns ausrichten. Wir sind natürlich offen für Neues und offen für Gäste und Besucher, bieten vielseitige Naturerlebnisse und erfrischende, aber auch wohltuende Erholung. Und das ganzheitlich: als Stadtverwaltung selber, im Gesundresort feelMOOR und natürlich auch mit den Angeboten des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried.

Dass in unserem Logo die gesamte Gemarkungsfläche der Stadt abgebildet ist – und zwar nicht als schwarze Fläche, sondern gepunktet, also mit einem Fokus auch auf den Einzelnen – steht einerseits für unsere Vielfalt, aber genauso auch für Bad Wurzach als Stadtgemeinschaft.

Wir wollen auch künftig unser Augenmerk auf ein gutes Miteinander, auf ein soziales Bad Wurzach legen. Herz & Gemüt, die Lebensräume Jung & Alt und die aktuelle Weiterentwicklung des Stadtseniorenrats im Sinne von „Älter werden in Bad Wurzach“ und auch der neu entstandene Jugendrat sind gute Beispiele hierfür.

 

DBSZ: Wie ist der Stand bei der Gewerbeentwicklung? Was macht das zusammen mit Leutkirch angestrebte interkommunale Gewerbegebiet bei Riedlings?
Scherer: Wir sind gerade dabei, den Flächennutzungsplan zur Weiterentwicklung des Gewerbeparks fortzuschreiben. Diese weitere Entwicklung von Flächen für den örtlichen Bedarf wurde uns vom Regierungspräsidium hier zugesagt, um den Wegfall der Flächen bei Brugg zu kompensieren.

Das interkommunale Gewerbegebiet bei Riedlings steht noch ganz am Anfang. Es ist im Regionalplan vorgesehen, der aber noch genehmigt werden muss.

 

DBSZ: Die Ukraine-Krise macht sich auch ganz konkret hier in Bad Wurzach bemerkbar. Wieviele Flüchtlinge sind inzwischen gekommen, wo sind sie untergebracht?
Scherer: Aktuell (6. Mai) sind 37 ukrainische Geflüchtete in Bad Wurzach gemeldet, die alle auf private Initiative hier angekommen sind und bei Privat untergekommen sind. Über den Landkreis wurden uns bisher noch keine Flüchtlinge zugewiesen, dennoch sind wir vorbereitet und halten Unterkünfte bereit.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, und an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern sowie allen Wohnungsgebern danken. Wir können hier in Bad Wurzach eine große Hilfsbereitschaft feststellen, die in der Unterstützungsaktion unseres Partnerschaftsvereins, zusammen mit dem HGV, ganz großartig gewirkt hat.

 

DBSZ: Die Ukraine-Krise schlägt auch wirtschaftlich durch. Die Energiepreise steigen deutlich an. Das Kurwesen ist auf günstige Energie angewiesen. Wie schätzen Sie die Lage ein, was kann Bad Wurzach konkret tun?
Scherer: Grundsätzlich ist es uns als EEA-Kommune (European Energy Award) immer ein Anliegen, Energie einzusparen. Aus aktuellem Anlass prüfen wir nochmals alle Möglichkeiten zur Energieeinsparung. Ganz konkret hat der Stadtrat uns beauftragt zu prüfen, ob eine Absenkung der Raumtemperaturen in den Gebäuden, den Hallen und der Wassertemperatur in unseren Bädern möglich ist. Was immer möglich ist, setzen wir sofort um, aber zum Beispiel über die Warmbadetage im Hallenbad werden wir im Gemeinderat sprechen, wenn wir den Betrieb des neuen Hallenbades evaluieren. Eine Reduzierung der Anzahl der Tage macht hier wenig Sinn, da es auch viel Energie kosten würde, das Bad für nur einen Tag aufzuheizen. Es geht also eher um eine Abschaffung.

Im Vitalium haben wir übrigens bereits sehr behutsam versucht, die Wassertemperatur abzusenken, was aber von den Gästen sofort bemerkt und auch kritisiert wurde.

 

DBSZ: Warum eigentlich hat das neue Hallenbad kein Thermalwasser? Das wäre doch Wärme aus der Tiefe.
Scherer: Im Vorfeld der Hallenbad-Planungen wurde geprüft, ob die Nutzung von Thermalwasser wirtschaftlich ist. Im Ergebnis war es aber wohl so, dass eine Thermalwasser-Nutzung teurer gewesen wäre, so dass man dann davon Abstand genommen hat. Die gesamte Planung ist nicht darauf ausgerichtet.

 

DBSZ: Das Kapital der Kurstadt Bad Wurzach ist die Landschaft. Nun hat der Regionalverband am 30. März den Teil-Regionalplan „Energie“ auf den Weg gebracht. „Wir schließen nicht ganze Landschaftsräume von vornherein aus“, sagte Nadine Kießling vom Regionalverband bei der wichtigen Ausschuss-Sitzung am 30. März in Blitzenreute. Das gesamte Verbandsgebiet werde planerisch in den Blick genommen, um das 2-Prozent-Ziel der Landesregierung zu erreichen, wonach 2 Prozent der Landesfläche für die Nutzung durch Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik bereitgestellt werden sollen. Was tun Sie, um das europadiplomierte Wurzacher Ried und sein Umfeld gegen die Bebauung mit 250-m-Windkraftanlagen zu schützen?
Scherer: Bei der Fortschreibung des Teilregionalplans Energie werden die Kommunen gehört, auch schon im Vorfeld. Bad Wurzach wird natürlich darauf hinweisen, dass auf unserem Gemeindegebiet nicht nur die Flächen unserer Naturschutzgebiete dafür nicht geeignet sind. Vielmehr ist der gesamte Bereich des Wurzacher Beckens von Technischen Anlagen freizuhalten, was auch Bestandteil der Verleihung des Europa-Diploms ist. Darüber hinaus gibt es entsprechende Urteile, in der die Rechtsprechung dies so bestätigt hat. Wir wissen von anderen derzeit laufenden Verfahren, dass schon die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Realisierung von Windkraftanlagen erscheint mir hier also nicht sehr wahrscheinlich.

 

DBSZ: Stichwort Photovoltaik: Warum sind so wenige PV-Anlagen auf öffentlichen Dächern montiert und wie wollen Sie das ändern? Kann man die IST-Ausstattung der öffentlichen Gebäude mit PV-Anlagen beziffern?
Scherer: Wir werden dieses Jahr auf dem Dach der neuen Kalthalle bei der Kläranlage eine Photovoltaik-Anlage installieren, das ist dann die erste auf öffentlichen Dächern. Aber dort macht die Eigenstrom-Nutzung viel Sinn, denn die Kläranlage ist ein großer Energieverbraucher.

Grundsätzlich müssen Dachflächen geeignet sein, nicht nur von der Ausrichtung her, sondern vor allem auch von der Tragfähigkeit. Wir haben leider viele Dächer, die zunächst saniert werden müssten, da macht es wirtschaftlich dann einfach keinen Sinn. Die Stadt muss mit den vorhandenen Steuermitteln sehr sorgfältig umgehen und stets abwägen, ob ein Invest, also zum Beispiel vorgeschaltete Dachsanierung und dann noch die Kosten für eine Anlage, leistbar ist. Wir werden das aber selbstverständlich bei allen anstehenden Sanierungen prüfen.

 

DBSZ: Nehmen wir die nächsten Wahlen in den Blick. 2024 sind Kommunalwahlen. Nach wie vor wird der Stadtrat im Verfahren der Unechten Teilortswahl gebildet. Die Unechte Teilortswahl garantiert jeder der früher selbstständigen Landgemeinden eine bestimmte Sitzzahl im Gemeindeparlament. Bei der Wahl 2019 hatten die Ortschaften Haidgau und Gospoldshofen jeweils lediglich einen einzigen Kandidaten aufgeboten. Die Wahlbürger der Gesamtgemeinde hatten somit keine Auswahl; die beiden Kandidaten waren am Tag der Nominierung durch ihre jeweilige Liste faktisch bereits gewählt. Der für Haidgau entsandte Gemeinderat zog sich obendrein während der Legislaturperiode zurück, so dass Haidgau für die restliche Zeit gar nicht mehr mit einem stimmberechtigten Mitglied im Gemeindeparlament vertreten ist. Ist es nicht an der Zeit, die Unechte Teilortswahl abzuschaffen? Die große Flächengemeinde Leutkirch ist diesen Schritt gegangen. Kißlegg dagegen hat es beim bisherigen Verfahren belassen. Wie ist Ihre Meinung dazu.
Scherer: Ich persönlich bin der Meinung, dass die Unechte Teilortswahl uns als dezentrale Flächengemeinde mit unserer ganzen Vielfalt gut widerspiegelt. Voraussetzung ist jedoch, dass sich in den Ortschaften genügend Kandidaten finden, um auch eine Wahl anzubieten. Wenn dies tatsächlich auf Dauer nicht gelingt, wird es schwer, die Unechte Teilortswahl weiter zu verteidigen. Denn dann stellt sich irgendwann die Gerechtigkeitsfrage. Aber ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen in den Ortschaften, den Parteien und den Gruppierungen sich dessen bewusst sind und dass sich bei der nächsten Kommunalwahl genügend Kandidatinnen und Kandidaten finden werden.

 

DBSZ: Kandidieren Sie bei der Kreistagswahl 2024?
Scherer: Ja, ich trete für Bad Wurzach an, denn ich finde es wichtig, dass die berechtigten Interessen der Stadt auch durch einen kommunalen Vertreter im Kreistag vertreten sind. Es ist meiner Ansicht nach wichtig und legitim, dass gerade auch die Städte und Gemeinden dort vertreten sind. Nicht zuletzt, weil die Kommunen den Landkreis über die Kreisumlage finanzieren.

 

DBSZ: 2026 ist Bürgermeisterwahl in Bad Wurzach. Sie treten wieder an, nehmen wir an?
Scherer: Bei der Bürgermeisterwahl in Bad Wurzach in 2026 werde ich gerne wieder antreten. Ich habe immer gesagt, dass ich sehr gerne hier Bürgermeisterin bin, denn Bad Wurzach ist eine Stadt mit interessanten Perspektiven und als Kurstadt auch mit besonderen Aufgaben und Schwerpunkten. Für die Kandidatur in Laupheim gab es vor allem private Gründe. Es ging mir dabei auch nicht um Karriere, denn rein dafür wäre der Sprung nicht groß genug gewesen. Und in diesem Fall hätte ich auch nicht auf den zweiten Wahlgang verzichtet. Ich hoffe, die Bad Wurzacher tragen mir dies nicht lange nach und sehen, dass ich meine Aufgabe hier weiter mit Freude und großem Einsatz ausübe.

 

DBSZ: Noch eine Personalie: Frank Högerle, als Verwaltungsdezernent eine zentrale Person in der Stadtspitze, früher sagte man Hauptamtsleiter dazu, wechselt bekanntlich als Bürgermeister nach Burgrieden. Wie sieht die Nachfolge aus?
Scherer: Die Stelle haben wir ausgeschrieben und wir sind derzeit im Stellenbesetzungsverfahren.

 

Die Fragen stellten Gerhard Reischmann und Wolfgang Weiß bei einem Besuch bei Bürgermeisterin Alexandra Scherer am 29. April im Rathaus. 

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Rückblick und Ausblick: Bürgermeisterin Alexandra Scherer zog beim Redaktionsgespräch mit der Bildschirmzeitung eine erste Bilanz nach vierjähriger Tätigkeit in Bad Wurzach und warf den Blick auf anstehende Vorhaben. Zwecks schnellerer Orientierung in dem langen Text haben wir Stichwörter gefettet.

DBSZ-Archivbilder: Uli Gresser

 

 

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