Bad Wurzach - Diplombiologe Horst Weisser, der vor 36 Jahren das Naturschutzzentrum in Bad Wurzach aufbaute und es seitdem leitete, wird am Ende des Monats die Leitung an seinen Nachfolger Dr. Siegfried Roth abgeben. Nun zog er Bilanz über diesen langen Zeitraum.
Nur wenige Jahre nach Abschluss seines Studiums der Agrarbiologie in Stuttgart bekam er am 01. April 1985 vom Land die Aufgabe übertragen in Bad Wurzach ein Naturschutzzentrum für das Wurzacher Ried auf zubauen. Gemeinsam mit einem Praktikanten schaffte er es innerhalb von zwei Monaten mit Hilfe von Material von Pater Agnellus wie Bildern etc. ein Konzept zu erstellen, das die Blaupause für inzwischen sechs weitere Naturschutzzentren im Land werden sollte. „Buchstäblich auf den letzten Drücker sind wir fertig geworden und konnten dem damaligen Landwirtschaft- und Umweltminister Gerhard Weiser eine schöne Ausstellung präsentieren.“
Die Gründung des Naturschutzzentrums fiel in eine Zeit, in der auf allen Verwaltungsebenen eine gewisse Aufbruchstimmung herrschte, sehr gute Voraussetzungen, um der Bevölkerung den Naturschutz nahe zu bringen. Denn alle zogen damals am selben Strang: Bürgermeister, Landräte und Regierungspräsidium. Denn der Wald lag im Sterben und die Bäche schäumten damals. Es war ein sportliche Leistung für den jungen Biologen im Dachgeschoss des Amtshauses in einem einzigen Raum eine repräsentable Ausstellung und ein Veranstaltungsprogramm zu erarbeiten. Gemeinsam mit Pater Agnellus verfolgte er das Ziel, den Natur- und Umweltschutz aus dem Dämmerschlaf der 80er Jahre weiter zu entwickeln, um mehr Verständnis und Akzeptanz für die Anliegen des Naturschutzes in der breiten Bevölkerung zu werben und mit einem integrativen und kooperativen Ansatz Konfliktgegner zu Konfliktpartnern zu machen.
Weisser erinnert sich an seine Anfänge: „Es war eine schöne Stelle ohne große Vorgaben, allerdings gab es auch kaum Orientierungspunkte. So konnte ich mich aber kreativ sehr gut entfalten.“
Die Urmutter aller Naturschutzzentren im Land kann bis heute auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Als die Stadt Anfang der 90er Jahre Maria Rosengarten übernahm, erhielt das Naturschutzzentrum in dem ehemaligen Schulgebäude der Schwestern eine neue und großflächige Heimat. Erste Mitarbeiter waren Praktikanten und Zivilddienstleistende, gemeinsam mit der Sekretärin Gisela Neuber und dem Diplombiologen Franz Renner erarbeitete Weisser dann ein Konzept, um die großzügigen Flächen mit Leben zu erfüllen. 1994 erfolgte mit der Eröffnung der neuen Dauerausstellung in dem Schulgebäude ein weiterer Meilenstein. Dort war das Zentrum dann 21 Jahre beheimatet. Mit der Renovierung des historischen Klosterbaues und der Eröffnung der jetzigen „Moor Extrem“-Ausstellung 2013 kam ein erneuter Publikumsschub.
Der Personalbestand des Naturschutzzentrums wuchs natürlich mit den Aufgaben: Inzwischen hat das Zentrum neun direkte Mitarbeiter dazu kommen vier für die Betreuung des Shops und der Ausstellung. 16 ehrenamtliche Riedführer zeigen den Gästen die Arbeit des Naturschutzzentrums wie z.B. die Wiedervernäßung der ehemaligen Torfstiche im Ried.
Horst Weisser sieht zwei Meilensteine auf dem Weg in den letzten 36 Jahren: „Die Verleihung des Europa-Diplom im Jahre 1989 mit dem eine neue Ära im Naturschutz eingeläutet wurde und – weniger nach außen sichtbar, dafür aber finanziell umso wichtiger, die Aufnahme des Naturschutzgroßprojektes in das Förderprogramm des Bundes, welche dem Projekt riesige Summen zufließen ließ. Mit der damaligen Projektförderung in Höhe von stattlichen 30 Mio. DM (ca. 15 Millionen €) konnte für das Wurzacher Ried ab den 1990er Jahren eine bis heute bundesweit modellhafte Schutzgebietskonzeption erarbeitet und umgesetzt werden.
Weisser erinnert sich gerne an die Organisation vieler internationaler Fachtagungen, die üblicherweise in großen Metropolen zu Hause sind. Aber auch an die Zusammenarbeit mit den Freunden der Torfarbeit, die den Weg zur Eröffnung des Torflehrpfades, des Torfmuseums und der Torfbahn freimachten. Die Wiederbesiedlungen des Riedes durch faunistische und floristische Kostbarkeiten wie den Schwarzstorch, den Kranich, das Tüpfelsumpfhuhn, den Sumpfenzian oder ganz aktuell eines Goldschakals, freut ihn sehr. „Es war ein neuer Weg, den wir mit der Wiedervernäßung gegangen sind und es war eine interessante Entwicklung, wie aus dem ursprünglichen Artenschutz ein erfolgreicher Klimaschutz wurde.“
In Zukunft wird er die Planungen und Entwicklungen zum Bau des Aussichtsturmes, aber auch die weiteren Schritte zur Einrichtung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben interessiert verfolgen. Zwar hätte er noch viele Ideen und gerne noch viele Projekte angestoßen, aber irgendwann sei Schluss: Sein Nachfolger Dr. Siegfried Roth wird nach zweimonatiger Einarbeitung ab nächster Woche die Leitung übernehmen, aber Weisser ist überzeugt: „Die Zeit war zwar knapp, aber die Leitung ist jetzt in sehr guten Händen. Neue Leute mit neuen Ideen bringen auf jeden Fall eine Weiterentwicklung.“
Für ihn ständen dann die wichtigen Dinge des Lebens im Vordergrund: „Das spielen mit meinen Enkeln und die Pflege meines Freundeskreises.“ Dennoch werde er dem Naturschutz nicht untreu: er bleibt weiterhin (ehrenamtlich) der Naturschutzbeauftragte des Landkreises Ravensburg.
Bericht und Bild Uli Gresser