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Zum Artikel „Wildschweine bis heute radioaktiv" belastet von Sabine Dobel (Deutsche Presseagentur), veröffentlicht in der „Schwäbischen Zeitung" am 31. August 2023

Obiger Artikel erschien annähernd wortgleich bei Spektrum.de und einigen Tageszeitungen (https://www.spektrum.de/news/wildschweine-wegen-atomwaffentests-stark-mit-caesium-belastet/2175486). Dass der Artikel von der SZ unverändert übernommen wurde, macht ihn nicht falscher oder richtiger.  Es fehlt es ihm aber an Objektivität!

Bereits in den 60er-Jahren hat Dr. Hermann Hecht in seiner Promotionsarbeit über die radioaktive Belastung von Rotwild im Alpenraum als Folge der Kernwaffentests berichtet. Als späterer Direktor der Abteilung Physik der Bundesanstalt für Fleischforschung gab er 1996 anlässlich einer Konferenz der mit der Problematik der Cs 134/Cs 137-Kontamination befassten Messstellen und Behörden die Schrift „Der lange Schatten von Tschernobyl“ heraus, in welcher die mögliche Bedeutung des Hirschtrüffels bei der Kontamination von Schwarzwild beschrieben wird.

Der Artikel vom 31. August in der „Schwäbischen Zeitung" könnte den Eindruck erwecken, dass Wildschweine bei uns immer belastet sind und man deshalb besser vom Verzehr die Finger lässt.

Seit 1987 betreibe ich die damals erste behördlich anerkannte private Messstelle für die Kontamination von Wildfleisch und Pilzen. Jedes Jahr werden mir aufgrund der allgemeinen Messpflicht für Schwarzwild in den höher kontaminierten Gebieten mehrere hundert Messproben vorgelegt. Alle mit über 600 Becquerel/kg Muskelfleisch belasteten Wildkörper müssen entsorgt werden.

Einige wenige Proben wiesen hier in den vergangenen Jahren Kontaminationen um ca. 3000 Bq/kg bis ca. 6000 Bq/kg auf. Der weitaus überwiegende Teil besaß nur eine sehr geringe, eine erhebliche Zahl davon sogar keine Kontamination.

Da Jäger für entsorgte Wildkörper ausreichend entschädigt werden, andererseits ein Verstoß gegen das Verbot des Inverkehrbringens von Wildfleisch, das eine Belastung von mehr als 600 Bq/kg aufweist, mit einer hohen Strafandrohung belegt ist, dürfte in diesem Bereich ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit gegeben sein.

Wissenschaftlich wesentlich interessanter als die Bedeutung des Hirschtrüffels für die Kontamination wären Erkenntnisse über Möglichkeiten, auf den Transfer von Radionukliden über den Pfad Boden – Pflanze – (Nutz-)Tier reduzierend einzuwirken, zim Beispiel im Wald durch Kalkung oder Kali-Magnesia-Forstdünger und auch in der Landwirtschaft über die Düngung mit kaliumhaltigem Festmist, Gülle und Mineraldünger. Nach unseren Erkenntnissen hat die Beschaffenheit des Bodens, ob sauer oder eher basisch und der Mangel an Kalium oder dessen ausreichende Verfügbarkeit einen wesentlichen Einfluss auf den Transfer von Radiocäsium in natürlichen Ökosystemen.

Die im Artikel von Spektrum.de / „Schwäbische Zeitung" vom Radiocäsium behauptete Wirkung auf das Knochenmark und die mögliche krebsauslösende Wirkung wurde bisher dem Radiostrontium (Sr 90) zugeschrieben, von dem vor allem im Umfeld der Tschernobyl-Region und Weißrussland höhere Konzentrationen gemessen wurden!

Für eine Vorkontamination der Böden in Oberschwaben durch die Kernwaffentests haben wir keinen Beleg gefunden. Von einer 1985 überdachten Fläche im Wald hatte ich 1988 Bodenproben entnommen und bei der FH Ulm gammaspektroskopisch untersuchen lassen. Diese Proben zeigten keine Kontamination von Cs 134 und Cs 137, während Proben, die außerhalb der schützenden Überdachung entnommen wurden, mit ca. 30.000 Bq/qm belastet waren. Da Cs 134 damals stets als Begleitelement mit Cs 137 auftrat, war die eindeutige Zuordnung auf den Tschernobyl-Fallout möglich.

Quellen: Eigene Publikationen in der „Allgemeinen Forstzeitung", dem Jagdmagazin „Pirsch“ und einer UNESCO-Veröffentlichung anlässlich der 1. Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz in Tschernobyl 1990 sowie Forschungsberichte der FH Weingarten-Ravensburg zwischen 1988 und ca. 2006, Berichte von CESN (Chernobyl Ecological Sience Network), Minsk, 2004 – 2008).

Hans-Joachim Schodlok (Messstelle für Radioaktivität in Wildfleisch), Bad Wurzach

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