0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde sollen an die örtlichen Gemeinden fließen, wenn in Humberg drei Windkraftanlagen des Typs Vesta – sie haben eine Höhe von jeweils 261 Metern und wären die derzeit größten Onshore-Anlagen Deutschlands – errichtet würden. 0,2 Cent / kWh – das ergäbe eine Jahressumme von etwa 85.000 €, wovon Bad Wurzach 90 Prozent und Kißlegg 10 Prozent erhielten. Diese Summe, zu der die Betreiber bei neu errichteten Anlagen laut Energieeinspeisegesetz (EEG) verpflichtet sind, soll die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Windkraft erhöhen. Die Summe flösse in den allgemeinen Stadtsäckel, sie wäre nicht zweckgebunden, um besonders belasteten Anwohnern ein kleines Trostpflaster zu geben.
Die drei bei Humberg geplanten Anlagen würden laut Projektierer 42,5 Millionen kWh Strom pro Jahr liefern und damit einen Umsatzerlös von etwa 17 bis 20 Millionen € generieren. Und das 20 bis 25 Jahre lang.
Die Anwohner haben mit Lärm zu kämpfen (im Mischgebiet Humberg sind tagsüber 60 dB(A) erlaubt), haben Schattenwurf zu ertragen (die Anlagen stehen in der Abendsonne), sie sind Infraschall ausgesetzt (wurde bei der öffentlichen Windkraftsitzung des Ortschaftsrates Arnach am 15. Juni nicht thematisiert) und sie haben Druckpulse durch den abgehackten Wind hinzunehmen (auf diese Gesundheitsgefahr antwortete Projektentwickler Christian Böhm von der Laoco GmbH unwillig und ausweichend).
Was auf die Humberger und auf alle Anwohner im Nahbereich von Windkraftanlagen zukommt, ist eine schwere Last. Dafür soll es ein „Nasenwasser“ geben, das für ein paar Ruhebänke am Hummelluckenwald und eine Info-Tafel am Wurzacher Ried reicht!
„Die Gewinne werden privatisiert, die Belastung wird sozialisiert“, sagte ein Anwohner am Rande der Ortschaftsratssitzung zum Vertreter der Bildschirmzeitung und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Hier 17 Millionen, dort 0,085 Millionen – dieses Missverhältnis schreit zum Himmel. Die grün geführte Landesregierung ist hochkreativ bei der Windkraftvorrang-Politik, schränkt Widerspruchsrechte der Bürger ein, baut den Artenschutz ab, schiebt den Denkmalschutz auf die Lange Bank, ja, sogar das Verlegen der Erdkabel wird dergestalt optimiert, dass die Grundstücksbesitzer keine Einrede mehr geltend machen können. Letzteres ist sogar etwas Vernünftiges.
Bei der Bürgerbeteiligung aber versagt ausgerechnet jene Partei, die einst die partizipative Demokratie, die Teilhabe der Leute an transparenter Politik, auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Statt Basisdemokratie gibt es eine neue Umverteilung von unten nach oben. Die Windkraftbetreiber sind die neuen Feudalherren und ihnen halten die Grünen die Steigbügel.
Mit Verlaub, Herr Kretschmann, es gibt freie Güter. Der Wind gehört allen. Selbstverständlich muss das gebundene Kapital sich amortisieren. Selbstverständlich muss es sich für Investoren auskömmlich verzinsen. Aber eine Ernte, bei der nur Brosamen für die Masse der Leute abfallen, ist ethisch nicht in Ordnung.
Apropos Brosamen: Bei der Versammlung in Arnach brachte Laoco-Geschäftsführer Christian Böhm auch die Stiftung des Partner-Unternehmens Energiequelle ins Spiel, aus deren Erträgnissen örtliche Maßnahmen auf Antrag finanziert werden können. Nicht gesagt wurde, mit welchem Kapital die Stiftung ausgestattet ist, und bei der Frage nach Umfang und Art der Förderung blieb Böhm vage. Auf der Homepage der Stiftung (energiequelle-stiftung.de) finden sich Projektberichte wie dieser: „Der SV Eintracht Feldheim 81 e.V. (...) organisiert jährlich ein Sportfest, welches ein Höhepunkt im Dorfleben ist. Für die Durchführung der sportlichen Veranstaltungen wird ein Zelt seitens der Stiftung zugewendet. Das Zelt dient als Wetterschutz bei den Sportfesten, aber auch der Organisation und Koordinierung von Wettkämpfen, Siegerehrung und Präsentation der Pokale.“
Ortschaftsrat Wolfgang Abele hat einen bedenkenswerten Vorschlag zur Bürgerbeteiligung gemacht. In der Annahme, dass die Humberger Windkraft-Investition zumindest zum Teil über Kreditaufnahme finanziert wird, schlug er eine ortsgebundene Anleihe vor; beispielhaft nannte er eine Verzinsung in Höhe von drei Prozent.
Ein gutgemeinter Vorschlag, der aber keine substanzielle Beteiligung darstellt.
Wer die Last trägt, braucht einen Zutritt zur Tränke.
Gerhard Reischmann