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Bad Wurzach - Zu Gast bei der Traditionsveranstaltung Biologisches Kolloquium des Salvatorkolleg Bad Wurzach war in diesem Jahr Roland Roth, der Leiter der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried.

In seinem Vortrag „Im Zeichen des Klimawandels – global und regional“ rückt er die schleichenden Gefahren des Klimawandels ins Blickfeld, deren Tragweite von den meisten nach wie vor unterschätzt würde.

Aus Kapazitätsgründen war die Turnhalle gestuhlt worden, so dass den Vortrag von Roth auf einem Smartboard rund 130 Besucher verfolgen konnten.
Schulleiter Klaus Amann verwies in seiner Begrüßung auf das neue Format (Mittwoch anstatt Samstag), was allerdings für die Gäste den Nachteil habe, dass sie auf Kaffee und Kuchen verzichten müssten.
Dr. Siegfried Roth, der Leiter des Naturschutzzentrums, das die Veranstaltung seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Gymnasium stemmt, verwies in seiner Einführung darauf, dass der Klimawandel derzeit unsere größte Umweltkrise ist. Viele Ereignisse der letzten Jahre führten uns vor Augen, dass der Klimawandel inzwischen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erreicht hat.

Roland Roth fährt bereits seit vielen Jahren zu seinen Vorträgen, deren Erlöse er zu 100% dem Erhalt und Betrieb der auf Spenden und Sponsoren angewiesene Wetterwarte Süd zugute kommen, mit der Bahn und dem Fahrrad. Egal wie weit auch die Strecke sein mag, Vorträge in Vorarlberg oder der Schweiz seien keine Seltenheit. Die Strecke von Bad Schussenried nach Bad Wurzach war für ihn daher ein Katzensprung.

Eines seiner Leitworte lautet: „Das Wetter lehrt uns Demut.“ Denn etwas vorherzusehen, was nicht vorhersehbar ist, sei ein schwieriges Unterfangen.
Als der diesjährige Mai so verregnet war, habe er vermutet, dass ein lange Dürrezeit folgen werde. Dass diese hierzulande mit bisher 30 Tagen ohne Regen zu der längsten Trockenperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden würde, habe er nicht ahnen können.
Es gehe längst nicht mehr nur um die sichtbaren Wetterextreme, die nachweisbar verbreiteter, stärker und folgenschwerer auftreten würden als früher. Roland Roth machte bereits in seiner Einführung deutlich, dass es vielmehr um eine grundlegende Änderung der klimatischen Verhältnisse auf der Erde gehe, um die Verschiebung ganzer Klimazonen.
Motor für das Wetter ist der Jet-Stream, der sich in 20-30 Kilometer Höhe normalerweise mit bis zu 500 Km/h fortbewegt, und dabei mäandert, also Ausbeulungen nach oben („Hoch“) und nach unten („Tief“) produziert.
Dieser wurde nun immer langsamer, ja er sei schockierender weise fast komplett zum Erliegen gekommen. Mit der Folge dass z.B. das Wetter aus dem Mittelmeer-Raum nach Norden (zu uns) verschoben wurde, während in Norditalien riesige Regengebiete für die Überschwemmungen im letzten Monat sorgten. Damit seien Wetter und Klima völlig aus den Fugen geraten. „Es ist absolut verrückt.“ Dass Italien, Marokko und Algerien nun „unsere“ Regengebiete bekommen haben, mache sehr nachdenklich – und das Schlimme daran: „Es ist ein sich selbst verstärkender Prozess.“
Was Roland Roth besonders ärgert: Sowohl der Ökologie-affine ehemalige US-Präsident Jimmy Carter hatte mit seiner Global 2000-Studie 1974 oder der CDU-Politiker (!) Bernd Schmidbauer vor 35 Jahren hatten – neben vielen anderen – den Politikern damals bereits dieselben wissenschaftlichen Erkenntnisse ins Stammbuch geschrieben, für die heute Enquete-Kommissionen eingesetzt werden. Bis heute seien nur wenige Lösungsansätze umgesetzt worden.
„Ich referiere seit 1982 über den Klimawandel und bin erstaunt, wie schnell er sich vollzieht.“ Er habe z.B. damals nicht für möglich gehalten, dass der Nordpol einmal eisfrei sein werde. Oder dass in der Hitparade der weltweit wärmsten Jahre sämtliche 2000er Jahre zu finden sind.
Seit Mitte des 20.Jahrhunderts fand die Klimawende statt, Roth bezeichnet diese als „Point of no Return“. Waren die ersten rund 40 Jahre im Schnitt zu kalt, war der Kipppunkt nach einer Übergangszeit zwischen 1950 und 1970 mit ab den 1980er Jahren mit ständig steigenden Durchschnittswerten. Mit dem bisherigen Höhepunkt, dem Juli 1983, der als heißester Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Annalen einging.
Es gab in den 2000er Jahre viele extreme Wetterereignisse: Dem „Klinsmann-Hitzesommer“ 2006 war nasskaltes Wetter mit Schnee bis in den Mai vorausgegangen. 2007 war die Nordwestpassage vor der Küste Kanadas erstmals eisfrei. Am 28.Juli 2013 richtete ein Hagelsturm mit handballgroßen Hagelkugeln in Reutlingen und am Albrand Milliardenschäden an, während der folgende Winter bei uns vollkommen schneefrei blieb. Der „Hitze-Sommer 2015“ brachte neue Rekordwerte und 10 Monate mit weltweit absoluten Maxima-Werte. 2016 brachte Überschwemmungskatastrophen im Frühjahr, während verheerende Spätfröste im April in 2017 vielerorts die Ernten zerstörten. 2018 wurde zum Jahr ohne Frühling.
Am 25. Juli 2019 wurden in NRW Rekordwerte von 41,2 Grad Celsius erreicht, an 13 Wetterstationen wurde der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2015 von 40,3 Grad übertroffen.

Als natürliche Ursachen für den Klimawandel sieht Roth in der Sonnenfleckenaktivität, aber auch bei Vulkanausbrüchen. Vom Menschen verursachte oder beeinflusste Faktoren sind, u.a. die Abholzung des Regenwaldes, die Bevölkerungsexplosion und die zunehmende Globalisierung. Vor allem aber der Treibhauseffekt.

Die fünf Stellschrauben, an denen rasch und von allen gedreht werden muss, sind: Das Verkehrs- und Mobilitätsverhalten, den Energieverbrauch zu senken (insbesondere auch von der Industrie), das allgemeine Konsumverhalten, natürlich die Ernährung und die Landbewirtschaftung, also wie viel Fläche zukünftig versiegelt wird.

Als globale Folgen des Klimawandels skizziert er in seinem Vortrag auf: Die weitere Erwärmung um 3 bis 5 Grad noch in diesem Jahrhundert, der Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter, durch „kalbende“ Gletscher in der Arktis und den daraus entstehenden riesigen Eisbergen, die dann auf ihrem Weg gen Süden schmelzen.
Die Verschiebung von Klimazonen (siehe oben), eine massive Zunahme verheerender Naturkatstrophen zählen ebenso dazu wie große sozialpolitische und gesellschaftliche Veränderungen.
Flüchtlingströme ,wie die jener Klimaflüchtlinge aus der Sahelzone, denen buchstäblich aus Wassermangel die Lebensgrundlagen „weggebrannt“ sind, werden zunehmen. Roth verglich die Weltpolitik in diesem Zusammenhang mit einem riesigen Tanker, der noch auf dem offenen Meer seine Maschinen abschalten muss, um sicher die Kaimauer im Rotterdamer Hafen zu erreichen.
Gegenwärtig, so drückte es ein Besucher – von Roth, der sich im übrigen sehr über das ausgesprochen fachkundige Wurzacher Publikum freute – wegen dessen punktgenauem Wissen, Professor genannt, gegenwärtig komme es ihm vor, als ob wir mit Vollgas in den Hafen rauschten.

„Wir müssen wegkommen vom ökonomischen Denken, hin zum ökologischen Handeln.“ Roth gab der Verkehrswende die Schulnote 5-6. Der ökologische Ablasshandel bei Klimakonferenzen müsse aufhören. Mit den Elterntaxi´s ging er ebenso streng ins Gericht: es sei pervers, die Sprösslinge mit dem Auto am liebsten bis ins Klassenzimmer zu fahren, gleichzeitig aber von den Schulen zu verlangen, sie sollten den Kindern mehr Sozialkontakte vermitteln und mehr Sportangebote bieten.
Eine Spitze gegen die Stadtverwaltung von Bad Wurzach hatte er auch noch in Petto: Schon zweimal sei er wegen einer geplanten Wetterstation – natürlich mit dem Fahrrad nach Bad Wurzach gekommen, ohne dass etwas Zählbares bei den Gesprächen herausgekommen war. Denn Zeit sei etwas, was er, der für den Unterhalt und Erhalt der Wetterwarte-Süd alljährlich bis zu 1.000 Vorträge hält, nicht im Überfluss habe.

 

Bericht und Bilder von Uli Gresser

 

 

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halloRV

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