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Arnach (ug/rei) - Im Rahmen einer Sitzung des Ortschaftsrates Arnach, in welcher der Projektentwickler Christian Böhm von der LAOCO GmbH (Kirchdorf / Iller) den Windpark Hummelluckenwald vorstellte, hatten Bürger die Gelegenheit, sich zu informieren und Fragen zum Projekt zu stellen. Rund 70 Besucher waren der Einladung gefolgt und nutzten rege die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Ortsvorsteher Michael Rauneker sammelte zunächst gemeinsam mit Christian Böhm sämtliche Fragen der anwesenden Bürger. Einige konnten dann durch den Vortrag Böhms beantwortet werden und diejenigen, die damit noch nicht beantwortet wurden, versuchten die Beiden nach dem Vortrag zu beantworten. Böhm wies auch noch auf die Informationsveranstaltung am 22. September im Kurhaus Bad Wurzach hin.

In seinem Sachvortrag ging Böhm zunächst auf die politischen Forderungen der Landesregierung ein, die für Windkraft und PV-Freiflächenanlagen 2 % (= 64.352 ha) der Landesfläche vorgesehen hat. Bisher liegt die Quote bei 0,5 % (= 17.307 ha).

Er verwies darauf, dass seine Firma das Projekt „Hummelluckenwald“ seit 2020 planerisch vorantreibe, also schon einige Zeit, bevor der neue Regionalplan auf den Weg gebracht wurde. Reinhold Mall, der Vorstand des gemeinnützigen Vereins Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e. V., appellierte in diesem Zusammenhang, man möge doch bei der Dislozierung von Windkraftanlagen zuwarten, bis der neue Regionalplan in Kraft getreten sei. Derzeit herrsche planerischer Wildwuchs; es brauche eine sinnvolle Steuerung, um allen Restriktionen gerecht zu werden.

Die drei Anlagen des Herstellers Vesta haben eine Nabenhöhe von 175 m und eine Gesamthöhe von 261 m. Sie sind die derzeit größten auf dem Markt befindlichen und damit auch am effizientesten arbeitenden Anlagen. Der Fundamentdurchmesser der aktuellen Anlagen wird etwa 25 bis 30 Meter betragen (je nach Untergrundbeschaffenheit). Allein das Fundament pro Anlage wird 2200 bis 2500 Tonnen wiegen. Eine Anlage wird insgesamt 4200 bis 4500 Tonnen wiegen. Er rechnet mit einem „Waldeingriff“, also der Rodung des Waldes pro Anlage, mit 5000 qm. Für Reparaturen und Wartung müssen Flächen vorgehalten werden; es kann also nur ein Teil wieder aufgeforstet werden. Um den vollständigen Rückbau nach dem Ende der etwa 20- bis 25-jährigen Betriebszeit (die per Verlängerungsantrag noch aufgestockt werden kann) zu gewährleisten, muss beim Landratsamt eine Sicherheit hinterlegt werden.

Schall
Die von Böhm zum Thema Schallemission gezeigte Karte beruhe auf eigenen Berechnungen. Er sicherte zu, dass die Grenzwerte eingehalten würden. Diese sind in einem Mischgebiet wie Humberg tags 60 dB(A), nachts 45 dB(A). Böhm zeigte eine Schallausbreitungskarte und verwies auf die Homepage (https://www.energiequelle.de/hummelluckenwald/). Der Karte auf der Homepage zufolge liegt Humberg im Bereich von 40 bis 45 dB(A), nachts also im Bereich des  Grenzwertes. Der westliche Teil von Arnach (Am Kapellenberg und am Hohbühl) liegt im Bereich 35 bis 40 dB(A).

Lichtemissionen durch Flugbefeuerung sind laut Böhm kein Problem. Die Warnleuchten würden erst bei Annäherung eines Flugobjekts aktiviert.

„Stand heute bin ich nicht zu 100 % sicher, ob das Projekt genehmigt wird. Die Entscheidung trifft die Genehmigungsbehörde, in diesem Fall das Landratsamt Ravensburg.“

Die drei Anlagen werden laut Projektierer 42,5 Millionen kWh pro Jahr produzieren, womit rechnerisch 10.625 Haushalte versorgt werden können und rund 58.500 Tonnen CO2 eingespart werden können. Bei 0,2 Cent pro erzeugter kWh = 85.000 €  würde die Stadt Bad Wurzach laut EEG (Energieeinspeisegesetz) 90,4 % erhalten, Kißlegg rund 9,6 %. Weitere Beteiligungen etwa von Genossenschaften sind nicht vorgesehen.

Fragen der Bürger
Fragen der Bürger etwa zum Anlieferungsweg der Bauteile und zur Belastung  durch den projektbezogenen Lkw-Verkehr sowie zu vielen anderen Aspekten wie etwa zum Abstand zur Wohnbebauung wurden von Böhm beantwortet. Gefragt wurde unter anderem nach dem Vogelschutz angesichts der Nähe zum Naturschutzgebiet Rohrsee, das als Brutstätte und als Rastplatz für Millionen Zugvögel ein Biotop von europäischem Rang sei und nur zwei Kilometer vom geplanten WKA-Standort Humberg entfernt liegt. „In diese Zugbahn passen keine Windkraftanlagen“, sagte der Fragesteller. Projektentwickler Böhm verwies auf ein Gutachten, das derzeit vom Memminger Planungs- und Projektentwicklungsbüro Lars Consult erarbeitet werde. Rahmen und Umfang der Untersuchungen seien mit der Unteren Naturschutzbehörde (Landratsamt) erörtert worden. Das artenschutzrechtliche Gutachten sowie Eingriffs- und Ausgleichsregelungen würden wesentliche Bestandteile der Antragsunterlagen sein.

Bezahlt würden die im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens erforderlichen Gutachten vom Projektentwickler.

Schatten
Eine Hauptsorge der Anwohner ist die Belastung durch den Schattenwurf der in der Abendsonne stehenden Anlagen. Das wurde von etlichen Fragestellern angesprochen. Böhm verwies auf die gesetzlichen Vorgaben, wonach pro Tag nicht mehr als 30 Minuten Verschattung stattfinden dürfe und übers Jahr in der Summe die Grenze bei 30 Stunden liege. „Danach wird abgeschaltet.“

Bei der Frage nach der Belastung durch Druckpulse antwortete Böhm ausweichend, dass das nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sei. In diesem Zusammenhang beschrieb er aber die Problematik der Materialermüdung innerhalb eines Windparks aufgrund der Luftverwirbelungen.

Weitere Fragen und Anmerkungen aus der Bürgerschaft galten dem Wertverlust der WKA-nahen Immobilien, den Auswirkungen auf das Europadiplom, dem Vorhandensein eines klimaschädlichen Gases in den Schaltanlagen (Böhm: „Das wird auch im Fensterbau verwendet“), der Präzedenzwirkung des Projektes „Hummelluckenwald“ (eine Fragestellerin: „Wenn Humberg kommt, dann wird massiv weitergebaut“) und anderen Aspekten.

Die Fragesteller zeigten sich gut vorbereitet und sachkundig; trotz spürbarer Betroffenheit wurden die Fragen und Bedenken weitgehend emotionsfrei vorgetragen.

Fragen der Ortschaftsräte
Ortschaftsrat Manfred Braun fragte an, ob es nicht auch mehrere kleinere Anlagen täten. Da man in Konkurrenz zu anderen Projektierern stehe, wäre man im Markt wegen der dann geringeren Effizienz chancenlos, erwiderte Böhm. Braun fragte auch nach, ob, wie es in Leutkirch geschehen war – wegen der Einflugschneise zum Flugplatz Unterzeil wurde dort die Genehmigung versagt – auch hier etwas Ähnliches geschehen könnte. Anders als im Kreis Biberach, der wegen des Militärflugplatzes Laupheim weitgehend windkraftanlagenfrei bleiben werde, sei im Bereich Humberg  mit einer Nichtgenehmigung aus diesem Grunde nicht zu rechnen, weil es weder mit der militärischen Luftfahrt noch mit dem Flughafen Memmingen Konflikte gebe.

Tobias Hoh sagte, dass bisher für die in dem Gebiet herrschenden Windstärken nur Berechnungen vorlägen und keine Erfahrungswerte. Böhm verwies auf den aktuellen Windatlas. Die sich über zwölf Monate erstreckende Windmessung stehe noch aus. Weil sie sehr viel Geld kosten wird, werde man diese erst durchführen, wenn die Genehmigung tendenziell sicher erscheint.

Klaus Ringer fragte nach, ob es bereits einen Einspeisepunkt gebe. Böhm verneinte und meinte: „Die Netze-BW ist derzeit am Prüfen: Leutkirch, Haisterkirch oder ein  neues Umspannwerk.“

Ortsvorsteher Michael Rauneker fragte, ob das Projekt im vereinfachten Verfahren genehmigt werden soll, was Böhm bejahte. Außerdem wollte Rauneker wissen, ob es zum Thema Beeinträchtigung des Wurzacher Beckens seitens des Landratsamtes eine Äußerung des Landratsamtes gäbe. „Dafür müssen wir eine Visualisierung vorlegen.“ Was ihn (Böhm) optimistisch stimme, die Genehmigung betreffend, wollte der Ortsvorsteher wissen. Aufgrund Gesetzesänderungen in jüngerer Zeit gebe es weniger Ablehnungsmöglichkeiten, lautete Böhms Antwort. Ewald Ried fragte, wie die unterschiedliche Betroffenheit bei der Lärmemission erfasst werde, wo doch Arnach (im Tal) weniger belastet sei als Humberg (auf dem Berg). Das sei möglich, weil die Berechnungen in 3D erfolgten. „Können auch nur zwei Anlagen genehmigt werden?“, wollte Gebhard Baumann wissen. Böhm hält das für möglich.

Die bisher nicht eindeutige Abgrenzung des Wurzacher Beckens war auch an diesem Abend Thema: „Die Bürgermeisterin will auf jeden Fall das Europa-Diplom behalten“, sagte Michael Rauneker. Matthias Grad befragte Böhm zu der in der Ortschaftsratsitzung in Ziegelbach geäußerten 50:50-Chance einer Genehmigung. Böhm: „Ich habe schon oft geglaubt, die Genehmigung kommt und dann war es doch nicht so.“ Wolfgang Abele zeigte sich erschrocken, dass jetzt mit den 261 m hohen Kolossen „die höchsten auf dem Land gebauten Anlagen“ entstehen sollten. Er bat darum, den erforderlichen Flächenausgleich regional zu machen. Er schlug auch vor, die dritte Anlage etwas zurückzusetzen, um die Humberger etwas zu entlasten. Am Schattenwurf würde sich dadurch für die Betroffenen jedoch nichts ändern, bekam er von Böhm zur Antwort. Weiter schlug Abele ein Finanzierungsmodell vor, bei dem die Anlieger am Erfolg der WKA in gewisser Weise partizipieren könnten.

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Dieser „Schmetterling“ beschreibt die Schattenbelastung, die entstehen würde, wenn die drei geplanten Windkraftanlagen in Humberg realisiert würden. Der linke Flügel des „Schmetterlings“ stellt die Schatten-Belastung für den Bereich Eintürnen am Morgen dar; der rechte Flügel bezieht sich auf Humberg und Arnach, die vom abendlichen Schattenwurf betroffen wären. Humberg liegt im roten Bereich; das heißt, man hat als dortiger Anwohner mit einer erheblichen Schattenbelastung – Schlagschatten im Sekundentakt – zu rechnen. „Wie beim Schall müssen auch beim Schattenwurf Immissionsrichtwerte eingehalten werden“, schreibt die LAOCO GmbH (Kirchdorf / Iller), die das Windkraftprojekt Humberg vorantreibt, auf ihrer Homepage. „Demnach werden Windenergieanlagen vorübergehend abgeschaltet, wenn die Schattenwurfdauer auf ein Fenster die Richtwerte von 30 Minuten/Tag oder 30 Stunden/Jahr überschreiten.“  Der Westteil des Dorfgebietes Arnach muss mit bis zu 10 Stunden Schattenwurf pro Jahr rechnen (blaue Zone).  Die Karte wurde der Homepage der LAOCO GmbH (Kirchdorf / Iller) entnommen. Die Bildschirmzeitung und ihre Leserschaft würden sich eine schärfere Karte wünschen.

02 OR Böhm

Das Thema „Windkraft“ wurde am 15. Juni im Rahmen einer Ortschaftsratssitzung behandelt. Wegen des erwarteten großen Andrangs der Bürger wurde die Sitzung in der Turn- und Festhalle Arnach abgehalten. Unter Tagesordnungspunkt 2 hatten die Bürger die Gelegenheit, an den Projektentwickler Christian Böhm von der Laoco GmbH zu richten. Unser Bild zeigt vier der acht Ortschaftsräte mit Christian Böhm (links). Foto: Uli Gresser

03 OR MikeDie Sitzungsleitung hatte Ortsvorsteher Michael Rauneker (rechts); links Ortschaftsräte. Foto: Uli Gresser

03WVisualisierung Arnach Kopie

So sähen die Windkraftanlagen bei Arnach aus. Visualisierung: Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e. V. (Mall)

03WLandschaftsschützer Humberg Kopie
Der Blick von Eintürnen her (Standort des Betrachters: bei der Straße am Oberen Weiher an der Abzweigung nach Immenried). Visualisierung: Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e. V. aus (Mall)

03W WKAPlanbereich Hummelluckenwald

Die Standorte der geplanten drei Windkraftanlagen bei Humberg. Die schwarze Linie markiert den 700-m-Abstand. Humberg sieht man rechts (östlich) der schwarzen Linie. Unten links, rechts der Straße Arnach – Eintürnen, sieht man den Oberen Weiher. Die Karte war den Sitzungsunterlagen bei der Gemeinderatssitzung am 24. April beigegeben; sie stammt von der projektierenden Firma Energiequelle. Diese Karte wurde auch am 15. Juni in Arnach gezeigt. Die Frage des Abstands zur Wohnbebauung war ein weiteres Kernthema der Veranstaltung.

03 W von oben

Die Standorte der drei bei Humberg projektierten Windkraftanlagen im Luftbild. Diese Visualisierung wurde vom Verein Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e. V. auf der Basis von Google Earth erzeugt. Arnach ist am rechten Bildrand zu sehen; darüber sieht man das weitläufige Gelände des Ziegelwerks; links vom Ziegelwerksgelände der Weiler Humberg. Gut erkennbar ist die Straße Arnach – Eintürnen.

03 W von oben 2Der Abstand der drei WKA zum Weiler Humberg beträgt etwas über 700 Meter. Möglicherweise ist der Abstand zum Wohnplatz St. Nikolaus (gehört zu Ziegelbach) geringer als 700 Meter. 

Bekanntgaben
Vor dem Einstieg in das Hauptthema des Abends hatte der Ortsvorsteher noch einige Termine bekanntgegeben. Er wies auf das am Wochenende vom 16. bis 18. Juni stattfindende traditionelle Motorradtreffen hin. Am 23. Juni tritt der Musikverein in Kehlen um die Krone „Blaskapelle des Südens“ an und sucht noch Schlachtenbummler. Am 25. Juni steigt das traditionelle Elfmeterturnier. Am 9. Juli wird das Kirchenfest in Arnach stattfinden. Die nächste Ortschaftsratsitzung wird am 17. Juli sein. Dann warf Rauneker noch einen weiten Blick voraus: Am 9. Juni 2024 werden die nächsten Kommunalwahlen stattfinden, wobei schon absehbar sei, dass es im Ortschaftsrat Veränderungen geben werde. Er bat daher, dass Interessierte sich bitte engagieren und aufstellen lassen sollten. 

 

 

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halloRV

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