Boms - Das mit Spannung erwartete Gutachten zu den Veränderungen des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen wurde am 28. April in Boms (bei Altshausen) vorgestellt. Genauer gesagt: Gutachter Reinhold Hettrich vom Planungsbüro PAN (München) stellte der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben via Beamer Ergebnisse seines Fachgutachtens vor. Für Bad Wurzach zeichnet sich ein Lichtstreif am Horizont ab: Erwartungsgemäß wurde die Hochwertigkeit des Wurzacher Riedes und seines Umfeldes anerkannt. Doch stellt sich die Frage der Gewichtung des Landschaftsbildes beim Aufstellen des Teilregionalplanes Energie. Das Landschaftsbild ist in einem Punktekatalog zur Bewertung der Eignung von Windkraftanlagen in bestimmten Räumen nämlich nur eine von zwölf Kategorien.
Die zwölf Kriterien sind: Windhöffigkeit; Siedlungsabstand; Einschränkungen durch vorhandene infrastrukturelle Daten wie Stromleitungen und Luftverkehr; militärische Restriktionen; Denkmalschutz; Natur- und Artenschutz; Landschaft und Erholung; Waldschutz; Wasserschutz; Bodenschutz; Raumordnung; WKA-Bestand.
Schloss Zeil hat einen gewissen Schutz
Eine hohe Windhöffigkeit zum Beispiel wird im Hinblick auf Erschließung des betreffenden Gebietes für die Windkraft mit 40 Pluspunkten bewertet. Steht ein höchst raumwirksames Kulturdenkmal wie zum Beispiel Schloss Zeil in Konkurrenz zu einer Windkraftanlage, werden 20 Minuspunkte in Anschlag gebracht. Nebenbei: Der Abstand zu einem solch herausragenden Objekt wird mit 1000 m bis 7500 m angegeben. In der Erläuterung zu diesem Punkt heißt es: „Der Umgang mit dem Umgebungsschutz ist im Einzelfall zu klären. Ein Fachgutachten zu den Sichtbarkeitsbeziehungen ist erforderlich.“
Wie groß ist der Puffer zum Ried?
Nun zum Wurzacher Ried. Im Kriterienkatalog wird die erhebliche Empfindlichkeit des Landschaftsbildes respektive die Beeinträchtigung der Erholungsfunktion durch Windkraft mit 20 Abzugspunkten bewertet. Die einschränkende Wirkung des Europadiploms auf Windkrafterschließung wird ebenfalls mit 20 Minuspunkten bewertet. Da der Punkt „Europadiplom“ als Unterpunkt „Weitere Kriterien“ aufgeführt wird, ist davon auszugehen, dass das Diplom zusätzlich diese 20 Minuspunkte bewirkt. In der Erläuterungsspalte wird ein Schreiben des Regierungspräsidiums Tübingen vom 11. Oktober 2022 genannt, in dem die Vorgaben des Europa-Diploms als Soll-Bestimmungen klassifiziert werden. Ein Puffer zum Ried „wegen visueller Integrität“ wird angesprochen, nicht aber, wie groß dieser sein soll. „Die genaue Abgrenzung des betroffenen Gebietes ist noch zu klären.“
Hier nun kommt das Gutachten des Reinhold Hettrich ins Spiel. Einleitend stellte er die Methodik seiner Untersuchung dar. „Die Bewertung soll objektiv, transparent und nachvollziehbar sein“, sagte er. Um das zu erreichen, näherte er sich seinem Untersuchungsgegenstand unter den Gesichtspunkten „Vielfalt“, „Eigenart“, „Schönheit“ und „Erholungsfunktion“. Zum einen stützte er sich auf vorhandene Daten, so auf das GIS, eine computergestützte Sammlung geographischer Informationen, zum anderen bereiste er das Untersuchungsgebiet. Hettrichs Zugang zum Untersuchungsgegenstand wurde in der Verbandsversammlung als belastbar gewürdigt.
250 Meter oder 300 Meter?
In Summe erkennt er dem Wurzacher Ried die höchste Schutzbedürftigkeit zu, „vergleichbar dem Bodenseeufer“. Das Ried sei eine „besonders hochwertige“ Landschaft, der Blick aufs Ried „herausragend“. Die Erholungsfunktion sei groß, die Empfindlichkeit gegenüber Windkraftanlagen erheblich.
Sichtgrenze: 10 km
Als Sichtgrenze nannte Hettrich eine Distanz von 10 Kilometern, innerhalb derer Windkraftanlagen eine „erhebliche Beeinträchtigung“ darstellten. Die Beckenlage verstärke noch die Einsehbarkeit. Hier hakte Armin Willburger, Stadtrat aus Bad Wurzach, ein. Welche Anlagenhöhe er (Hettrich) denn bei der Sichtproblematik zugrundegelegt habe, wollte Willburger wissen. 250 Meter, lautete die Antwort. Mittlerweile dächten die Projektierer bereits an 300 Meter, entgegnete Willburger.
In der Tat: Auf der Homepage der Energiequelle GmbH (Erfurt), die in Kooperation mit der LAOCO GmbH (Kirchdorf an der Iller) das Projekt Hummelluckenwald bei Humberg betreibt, heißt es: „Die Entscheidung für den Bau eines höheren Turms kann je nach Wirtschaftlichkeit sowie technischer Verfügbarkeit möglich sein." Derzeit sind dort Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils 261 Metern projektiert.
Rot = für Windkraft ungeeignet
Im Ergebnis färbte der Gutachter Reinhold Hettrich das Wurzacher Ried und eine – allerdings kleine – Zone darum herum rot ein. Rot, das bedeutet: für Windkraft ungeeignet.
In der nur kurzen und vom Verbandsvorsitzenden Thomas Kugler rasch beendeten Diskussion fragte Dr. Ulrich Walz (Bad Wurzach): „Wie ist die Energieernte in Bezug auf das Landschaftsbild zu bewerten?“ Dr. Matthias Klemm (Friedrichshafen) beklagte die Kürze der Aussprache.
Gerhard Reischmann
Diese Karte macht die überdurchschnittliche Bedeutung des Wurzacher Riedes unter dem Aspekt Landschaftsbild / Erholungsfunktion deutlich. Karte: RVBO (PAN)
Diese Karte macht die Empfindlichkeit der Landschaft gegenüber WKA deutlich. Rot bedeutet: deutlich überdurchnittliche Empfindlichkeit bezüglich Einsehbarkeit. Interessant: Der Altdorfer Wald – diese Zone ist grün eingefärbt – gilt unter dem Aspekt Einsehbarkeit als deutlich unterdurchschnittlich empfindlich. Karte: RVBO (PAN)
Diese Karte nennt die wichtigsten Aussichtspunkte in der Region, darunter die Grabener Höhe mit der Sicht auf die Alpen sowie den Aussichtspunkt Schloss Zeil. Auch der im Ried geplante Aussichtsturm ist genannt.
Präsentation des Landschaftsgutachtens durch Reinhold Hettrich bei der Verbandsversammlung am 28. April in Boms. Foto: Wolfgang Hübner
Falls in der Talaue bei Osterhofen, wie von der EnBW geplant, bis zu acht Windkraftanlagen mit einer Höhe von jeweils mehr als 250 Metern realisiert würden, würden diese Bauwerke den Höhenzug mit der Grabener Höhe deutlich überragen und wären von Bad Wurzach aus zu sehen. Diese Visualisierung stammt von Reinhold Mall, dem Vorsitzenden der Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e.V. Sie zeigt den Blick aufs Ried von Bad Wurzach aus Richtung Ziegolz (Standort des Betrachters: zwischen Reischberg und Albers)