DBSZ DBSZ BadWurzach 1200v01

Das Ried ist der Schatz von Bad Wurzach. Das ist eine Grundwahrheit im Selbstverständnis der Kurstadt. Man könnte sagen: ein Axiom, eine unverrückbare Voraussetzung allen Denkens und Handelns. Da nimmt es wunder, dass dieses Axiom bei der Präsentation der Windkraftpläne in der Gemeinderatssitzung so gut wie keine Rolle spielte.

Lediglich bei der Visualisierung, bei der Darstellung der optischen Wirkung auf die Landschaft, kamen die beiden Präsentatoren nicht umhin, eine Folie der Sicht aufs Ried aufzulegen. Und die hatte es in sich: Gezeigt wurde das Ried, vom Standort Knetzenweiler aus gesehen, in einer grau-soßigen Nebeltagsoptik, in der die in Humberg geplanten 260-Meter-Türme kaum erkennbar waren. Da platzte dem braven Ortsvorsteher Leupolz der Kragen: „Die Windräder in Adelshofen sieht man gut – und die sind nur ein Drittel so hoch!“ Die im Jahre 2002 bei Adelshofen errichteten zwei Windräder messen in der Tat bis zur Rotorspitze nur 91 Meter.

Auch beim Thema „Lärm“ warfen die Projektierer eine Nebelkerze. Mehrfach nannten sie den Grenzwert der TA Lärm für Wohngebiete. Erst auf Nachfrage von Stadtrat Riedl wurde deutlich, dass es sich in Humberg um ein Mischgebiet handelt, für das ein deutlich schwächerer Lärmschutz gilt.

Beiläufig wurde von Projektierer Christian Böhm (Firma LAOCO, Kirchdorf an der Iller) erwähnt, dass die artenschutzrechtliche Begutachtung bereits im Jahre 2022 durchgeführt worden sei. Wer hat da begutachtet? Mit welchem Ergebnis? Sind die Gutachter unabhängig? Oder bezahlt von den Projektierern?

Der Rohrsee, nur 2000 Meter vom WKA-Standort Humberg entfernt, ist ein Vogelschutzgebiet höchsten Ranges, ein sogenannter Trittstein beim Vogelzug. Millionen Vögel ziehen auf ihrem Weg nach Süden am Hummelluckenwald vorbei. Hätte man den örtlichen Vogelkundler Ulrich Grösser mit dem Gutachten beauftragt, seine Expertise hätte mit dem Satz geendet: „Aus ornithologischer Sicht verbietet sich ein Errichten von Windkraftanlagen im Hummelluckenwald.“ Dieser Satz findet sich in dem gleichermaßen sachkundigen wie mutigen Leserbrief, den der hiesige Ornithologe am 24. April hier in der Bildschirmzeitung veröffentlicht hat.

Dieses heiße Eisen – Vogelschutz – wurde bei der Präsentation nicht diskutiert. Stattdessen wurden Beruhigungspillen verabreicht. Über weite Strecken ging es um den Schattenwurf, auch die Lichtemissionen der blinkenden Riesentürme wurden von den Projektierern angesprochen. Beides bekomme man über Abschaltmechanismen in den Griff.

Zwar wurde aus den Reihen der Räte nach dem Rückbau nach 25 Jahren Nutzung gefragt, nicht aber danach, wer als Bürge für die Kosten geradesteht. Ist das die Vier-Mann-Firma LAOCO oder ist das der Grundstücksbesitzer, der Fürst von Waldburg-Wolfegg-Waldsee? Ein Verweis auf Letzteren hätte beruhigende Wirkung entfaltet.

Kein Thema war der Eiswurf im Winter.

Ebenfalls kein Thema: die Luftdruckpulse. Der Weiler Humberg liegt in Hauptwindrichtung zu den drei geplanten Windkraftanlagen und ist nur 780 Meter entfernt. WKA-Bauer wissen, dass die abgehackten Luftströme innerhalb eines Windparks ihre Maschinen schädigen können und achten deshalb auf ausreichenden inneren Abstand beim Anlagen-Layout. Was aber ist mit dem Gesundheitsschutz der Anwohner? Reichen die 780 Meter, um sie vor schädlichen Auswirkungen der im Sekundentakt entstehenden Luftdruckpulse zu bewahren?

Mikroklimatische Auswirkungen auf das Ried? Fehlanzeige. Dabei gibt es Studien, die aufwärmende und austrocknende Wirkungen von Großwindanlagen auf die unmittelbare Umgebung belegen. Gewiss, solche Auswirkungen sind dann eher bei den acht Großwindanlagen zu befürchten, die westlich des Rieds bei Osterhofen geplant sind.

Der Windpark Osterhofen liegt ja jenseits der Bad Wurzacher Gemarkungsgrenzen, da hat die Stadt so gut wie keinen Einfluss. Kleinteilige Zuständigkeiten bei großflächigen Auswirkungen, das ist ein Grundproblem bei der Windkraft. Hier ist der Regionalverband gefordert, dessen Planungen über den Tellerrand hinausreichen.

In beinahe zynischer Art wurde das Thema „Infraschall“ abgetan. Das sei „kein Problem“, sagte Windkraftplaner Stefan Siegmund lapidar. Und kam damit durch, denn es gab keine Nachfrage hierzu.

Noch dreister waren die Ausführungen der Projektierer zum Kardinalproblem der Bad Wurzacher: Hat die Windkraft am Ried Auswirkungen auf den Tourismus? Der Tourismus an der Nordsee sei trotz starken Ausbaus der Windkraft nicht zurückgegangen, sagte Stefan Siegmund (Firma Energiequelle, Erfurt). Lediglich in NRW habe man „leichte Auswirkungen“ registriert. Insgesamt gebe es bei diesem Thema eine „offene Studienlage“. Spätestens wenn Windkraft flächendeckend installiert sei, sei „das Thema durch“.

Es ist zu konstatieren: Die Hürde „Präsentation vor den Hütern des Schatzes“ haben die Projektierer locker genommen.
Gerhard Reischmann

 

 

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halloRV

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