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Zur Diskussion um die Windkraft rund ums Wurzacher Ried

Nachdem die Auseinandersetzungen um die zukünftige Bestückung der Umgebung von Bad Wurzach mit Monster-Windrädern immer breiteren Raum einnehmen, seien hier drei Veröffentlichungen genannt: der Artikel „Weiter Unklarheit über Wind- und Solarflächen“ in der „Schwäbische Zeitung“ vom 1. April plus zugehörigem Kommentar von Paul Martin („Schluss mit der Geheimniskrämerei“), der in bemerkenswerter Offenheit den Finger in die Wunde legt. Und das Interview des Redakteurs Gerhard Reischmann mit Dr. Nadine Kießling vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO) in der Bildschirmzeitung. Die restriktive Informationspolitik legt den Verdacht nahe, wir Bürger sollen möglichst wenig und möglichst spät informiert werden, damit sich keine organisierten Proteste entwickeln können.

Dieser Verdacht wird bestärkt durch die Meldung, dass eine vorerst mit 50.000 € dotierte Werbeagentur beauftragt werden soll, uns die Planungen schmackhaft zu machen. Wie, bleibt offen. Vielleicht mit Hochglanz-Werbeplakaten mit einer glücklich strahlenden Allgäuer Bäuerin im Sonntagsdirndl auf einer Blumenwiese, direkt unter einem 300 m hohen Windrädchen. Die glücklichen Kühe neben ihr lassen sich weder vom Schattenschlag noch vom rhythmischen Rauschen der Anlage stören. Gleich ergeht es der ebenso glücklichen Reh-Mama, die friedlich mit ihrem Reh-Baby am nahen Waldrand äst. Oder vielleicht mit rein ökologischen Windrädchen (ohne Plastik) für die Kleinen im Kindergarten und gesponserten Schulausflügen. „Nach der Hand, die uns so viel Gutes tut, schlägt man nicht!“ –  gemäß diesem Motto ließe sich die Stimmung in der Bevölkerung zugunsten der Projektierer drehen.

Dass es sich bei den 50.000 € um Steuergelder handelt, können wir nicht behaupten, müssen es aber annehmen.

Soll hier vielleicht bei der Gehirnwäsche für die störrischen Bürger nun zweigleisig vorgegangen werden? Bisher erschien bei allen kritischen Vorhaben der mit „Staatsknete“ alimentierte Herr Ewen mit seinem "Büro für Konflikt- und Prozessmanagement". In Aitrach hatte er leichtes Spiel. Dort marschierten Gemeinderäte zusammen mit ihrem CDU-Bürgermeister im erwünschten grün-ideologischen Gleichschritt. Der Herr MdL Haser von den unechten Schwarzen hätte daran seine Freude gehabt.

Weniger Freude wäre bei ihm vor einigen Jahren in Bad Waldsee aufgekommen. Dort gelang es der BI „Lebenswerter Haistergau“ im Verbund mit unserer BI „Landschaftsschützer Oberschwaben/Allgäu“ e.V., einen so hohen Widerstand in der Bevölkerung aufzubauen, dass der städtische Beauftragte für die Energiewende, der Bürgermeister und der Herr Ewen das Handtuch warfen. Deutlich mehr als 500.000 € städtischer und staatlicher Gelder waren damals verbraten worden, dafür aber der Haistergau und das Naherholungsgebiet von Bad Waldsee vor verantwortungsloser Verunstaltung vorerst gerettet.

Das nicht weniger aufschlussreiche Interview mit Frau Kießling vom RVBO in der Bildschirmzeitung vermittelt ein ähnliches Bild. Überall, wo die eingeforderten Antworten konkret werden sollten, versuchte sich Frau Kießling wie eine Schlange um eine belastbare Aussage zu drücken. Vermutlich darf sie eine solche auch nicht abgeben. Immerhin erfahren wir, dass es der Regionalverband bisher nicht für notwendig gefunden hat, beim Europarat eine Stellungnahme zu den bekannten Plänen einzuholen. Frau Kießling betont, bei den Vorgaben des Europarates handele es sich nur um Empfehlungen ohne bindenden Charakter, denen die gesetzlich relevanten Ausführungen von § 2 EEG entgegenstehen („Vorhaben von überragender nationaler Bedeutung“). Diesen könnte der Regionalverband gegebenfalls Vorrang einräumen.

Hier können wir Frau Kießling nur die Lektüre des Wikipedia-Artikels über die Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels für das Elbtal bei Dresden empfehlen. Dort wurde entgegen dem Votum der Weltkulturerbe-Kommission der UNESCO die historische Waldschlösschenbrücke abgerissen und durch eine Betonbrücke ersetzt. Auch dort argumentierten die Befürworter des Neubaus mit angeblich unverbindlichen Empfehlungen. Die UNESCO-Kommission sah das anders, sprach von einem Rechtsbruch und entzog den Weltkulturerbetitel.

Macht nichts, meinte der einstige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), da die Besucher aufgrund der internationalen Bekanntheit von Dresden trotzdem kommen werden.

Ob die Kurgäste bei einer Aberkennung des Europadiploms aufgrund der „internationalen“ Bekanntheit von Bad Wurzach trotzdem kommen werden?

Zum Europadiplom: (Auszug)
Die Einführung des Diploms fand im Jahr 1965 mit der Resolution (65)6 statt. Damals wurde festgelegt, dass das Diplom eine Geltungsdauer von fünf Jahren besitzt und eine fortlaufende Wiederverleihung für weitere fünf Jahre möglich ist. Das Diplom wird an natürliche oder naturnahe Gebiete, die von europäischer Bedeutung sind, verliehen. Das Diplom soll die biologische, geologische und landschaftliche Vielfalt sichern.

Gebiete, die mit dem Europadiplom für geschützte Gebiete ausgezeichnet wurden, müssen jährlich einen Bericht über die Entwicklung sowie über aktuelle Ereignisse verfassen. Alle fünf Jahre findet eine Begutachtung durch einen Sachverständigen statt, der einen Bericht zu dem Gebiet, in dem das Diplom bereits vergeben wurde, anfertigen muss. Teile dieses Berichtes können zum Beispiel neue oder geänderte Auflagen, Empfehlungen oder auch eine Nicht-Verlängerung sein.

Frage: Wer verfasst diesen Bericht für Bad Wurzach? Was steht in diesem Bericht über die neuesten Windkraftpläne? Wurden diese im Bericht für 2022 ausreichend gewürdigt? Warum blieb dieser Bericht der Öffentlichkeit vorenthalten?

Warum hat das Dresdner Elbtal seinen Status als Weltkulturerbe verloren? Weil die Stadt Dresden trotz Mahnungen und Warnungen den Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke vorantrieb. Es ist eine Blamage für Deutschland.

Warum sollte Baden-Württemberg mit Bad Wurzach und seinem Ried nicht als zweiter Fall für eine Blamage für Deutschland herhalten?

Das Diplom beinhaltet ohne Wenn und Aber die völlige Freiheit von Windkraftanlagen und Solaranlagen für das gesamte Wurzacher Becken, die auch nicht von jenseits des Beckenrandes in das Becken optisch hineinwirken dürfen.

Nach dieser Definition sind alle bisher bekannten Vorhaben bei Humberg, bei Weitprechts und im Raum Haisterkirch – Osterhofen – Eggmannsried unzulässig, da diese Anlagen die durch das Diplom geschützte Sichtbeziehungen empfindlich stören würden. Gleiches gilt für die früher angedachten Anlagen im Mangenwald an der Kreisgrenze zu Biberach.

Das Wurzacher Becken reicht laut einem Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes mindestens bis Rupprechts. Wegen der Einschränkungen bezüglich der optischen Störungen reicht seine Schutzwirkung vermutlich bis Steinental und die angrenzenden Flächen oberhalb von Aitrach wie auch an die an Steinental grenzenden Flächen von Rot a.d. Rot.

Bereits 2006 erfolgte die Ablehnung des Planes zur Errichtung von sechs Anlagen im Banwald, Gemeinde Rot an der Rot (Kreis Biberach), durch das Landratsamt Biberach. Das Landratsamt Ravensburg empfahl 2006 die Ablehnung dieser Pläne wegen der Nähe zum Wurzacher Ried und möglicher negativer Auswirkungen auf das Schutzgebiet. 2006 betrug die Höhe der beantragten Anlagen ca. 120 m. Inzwischen sind Anlagen bis ca. 300 m Gesamthöhe möglich.

Sollten die Vorgaben nachträglich aufgeweicht werden, könnte der Europarat nicht umhin, das Diplom zu streichen. Dresden lässt grüßen. Dieser Schritt wäre zum Schutz der übrigen mit dem Europadiplom ausgezeichneten Gebiete in Deutschland notwendig, denen sonst das gleiche Schicksal droht!
Hans-Joachim Schodlok, Bad Wurzach

 

 

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halloRV

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