DBSZ DBSZ BadWurzach 1200v01

Interview mit Dr. Nadine Kießling vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben

Dr. Nadine Kießling ist beim Regionalverband Bodensee-Oberschwaben seit 1. Januar 2022 Stellvertreterin des Verbandsdirektors Dr. Wolfgang Heine. Derzeit ist der Regionalverband, der für die drei Landkreise Ravensburg, Bodenseekreis und Sigmaringen eine gemeinsame Raumplanung durchführt, mit der Neufassung des Regionalplanes befasst. Im neuen Regionalplan wird genau festgelegt, wo in den drei Landkreisen Windkraftanlagen gebaut werden können. Bei der Sitzung des Planungsausschusses am 29. März in Alttann hat Dr. Nadine Kießling auf die Frage von Armin Willburger, Gemeinderat aus Bad Wurzach-Hauerz, Ausführungen zur Windkraftentwicklung in der Nähe des Wurzacher Riedes gemacht. Die Antwort war zwar ein Bekenntnis zur Hochwertigkeit des Riedes, aber im Hinblick auf die Windkraftplanung in Sichtweite des Riedes war das Statement eher vage. Die Bildschirmzeitung hat nachgehakt.

Bildschirmzeitung: Frau Dr. Kießling, am 20. März hat der Bad Wurzacher Gemeinderat beschlossen, „Vorhaben, die das Wurzacher Ried oder das Europadiplom beeinträchtigen, beschädigen oder gar den Verlust des Europadiploms befürchten lassen könnten“, abzulehnen. Bad Wurzachs Bürgermeisterin Alexandra Scherer hat von einem „starken Signal“ gesprochen. Wie wichtig ist dem Regionalverband, der – gesetzlich dazu verpflichtet – fieberhaft nach Standorten für Windkraftanlagen sucht, das Wurzacher Ried.
Dr. Nadine Kießling: Das Wurzacher Ried ist zweifelsohne ein europaweit herausragendes Gebiet für den Schutz der Flora und Fauna mit immenser ökologischer Bedeutung. Daher hat es auch das Europadiplom verliehen bekommen. Uns liegt das Europadiplom als einzigartige Auszeichnung sehr am Herzen. Der Schutz der Ökologie sowie der Flora und Fauna des Wurzacher Rieds stehen für uns außer Frage. Hier ist das Wurzacher Ried als Natura-2000-Gebiet, Naturschutzgebiet, Biotop etc. mit Puffer mehrfach Ausschluss für Windenergieanlagen und Freiflächensolaranlagen.

Bildschirmzeitung: Unbestritten ist das Wurzacher Ried von höchstem ökologischem Wert. Und Sie, Frau Dr. Kießling, bekennen sich uneingeschränkt zum Schutz dieses Juwels. Nun ist das Ried exakt 18,12 Quadratkilometer groß, die Gemarkung Bad Wurzachs umfasst aber 182,24 Quadratkilometer, also ziemlich genau das Zehnfache. Wie beplanen Sie das Drumherum ums Ried? Anders gesagt: In welchem Abstand zum Ried sind Windkraftanlagen laut Regionalverband möglich?
Dr. Kießling: Wir sind noch im laufenden Planungsprozess, daher kann ich nicht sagen, in welchem Abstand zum Ried Windenergieanlagen möglich sind. Wir arbeiten derzeit mit dem Umweltministerium und dem Landschaftsplanungsbüro PAN an einer Lösung zur Konkretisierung der Aussagen im Europadiplom.

Bildschirmzeitung: In der Verlängerungsurkunde für das Europadiplom von 2019 heißt es: „... die Integrität der Landschaft rund um das Becken von Bad Wurzach zu erhalten und den Bau technischer Infrastruktur auf den Hügeln und Bergkuppen im Sichtbereich des Wurzacher Riedes zu vermeiden.“ Wie beurteilen Sie die rechtliche Relevanz der Vorgaben des Europarates? Sehen Sie das Europa-Diplom gefährdet, wenn in Sichtweite des Riedes Windkraftanlagen errichtet werden?
Dr. Kießling: Die Formulierungen in den Texten zum Europadiplom sind allesamt Empfehlungen und Soll-Formulierungen und haben keine stringente Rechtsgrundlage wie zum Beispiel ein Naturschutzgebiet. Aber, wie gesagt, wir wollen das Europadiplom nicht gefährden. Darum arbeiten wir, wie oben gesagt, gemeinsam mit dem Umweltministerium und dem Landschaftsplanungsbüro an einer Lösung. Es ist auch noch offen, ob bei jeglicher Sichtbarkeit von Windenergieanlagen das Europadiplom gefährdet ist – zum Beispiel auch, wenn nur ein Teil des Rotors sichtbar ist oder die Windenergieanlagen in weiter Entfernung sichtbar sind – oder ob die Windenergieanlagen dominanter in Erscheinung treten müssen. Wie gesagt: Wir sind dran. Aber wir haben eben auch § 2 EEG – Erneuerbare Energien stehen im überragenden öffentlichen Interesse und wir müssen den Erneuerbaren Energien in unserer regionalplanerischen Abwägung aller Belange daher immer ein sehr großes Gewicht beimessen.

Bildschirmzeitung: Wird der Regionalverband beim Europarat eine rechtliche Beurteilung vorab einholen?
Dr. Kießling: Das ist noch offen.

Bildschirmzeitung: Demnächst wird das vom Regionalverband in Auftrag gegebene Gutachten zum Landschaftsbild und seiner Erholungsfunktion vorliegen. Wir sind gespannt, was das Gutachten dazu sagt, dass die bei Osterhofen geplanten Windkraftanlagen zu sehen sind, wenn man den Blick übers Ried schweifen lasst. Kann das Gutachten so etwas gutheißen? Für die Tourismus-Stadt Bad Wurzach ist die Erholungsfunktion von existentieller Bedeutung.
Dr. Kießling: Die Ergebnisse des Gutachtens werden in der Verbandsversammlung im April öffentlich vorgestellt. Ich gehe davon aus, dass das Wurzacher Ried bezüglich Landschaftsbild und Erholungsfunktion als sehr hochwertig eingestuft werden wird.

Bildschirmzeitung: Es geht nicht nur um die „visuelle Integrität“. Kritiker der Windenergie sagen, dass das örtliche Mikroklima sich im Umfeld eines Windparks ändere, dass es örtlich warmer und trockener werde. Wie sehen Sie diese These mit Blick aufs Wurzacher Ried?
Dr. Kießling: Es gibt tatsächlich wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass sich Windkraftanlagen aufs Mikroklima auswirken können. Wir gehen aber davon aus, dass diese Änderungen vor allem für den unmittelbaren Nahbereich von Windkraftanlagen von Bedeutung sind. Und wie bereits oben erwähnt, ist das Wurzacher Ried samt großzügigem Puffer aus naturschutzfachlichen Gründen auf jeden Fall Ausschluss für Windenergieanlagen und Freiflächensolaranlagen.

Sehr geehrte Frau Dr. Kießling, wir danken für das Interview.

Die Fragen hatten wir per Mail eingereicht und auf diesem Wege auch beantwortet bekommen. Die Fragen stellte Gerhard Reischmann.

 

 

--------------------------------------------------

halloRV

­