Bad Wurzach - Es war eine generationenübergreifende Koproduktion, als am vergangenen Wochenende der Ostergarten, in dem die Passionsgeschichte in beeindruckender Weise dargestellt wird, im Evangelischen Gemeindehaus in Bad Wurzach aufgebaut wurde. Dieser kann bis zum Ostersonntag täglich für jedermann bei Führungen erkundet werden.
Christian Voss, der Leiter des Evangelischen Jugendwerkes Ravensburg, das den Ostergarten vor zehn Jahren für das Konfirmandencamp aufgebaut hatte, war beeindruckt: 20 Leute im Alter von 15 bis 70 Jahren halfen mit, das Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde in die neun „Sinnesräume“ der Passionsgeschichte zu verwandeln.
Insgesamt werden in den zwei Wochen bis Ostern 40 Ehrenamtliche an dem Unternehmen „Ostergarten“ beteiligt sein – sei es als Führer für die angemeldeten Gruppen, bei der Dekoration oder im Bistro; es sind viele helfende Hände im Einsatz.
Seit 2013 geht der Ostergarten alle zwei Jahre im Landkreis auf Reisen. Vor zwei Jahren war er outdoor in Baindt zu bestaunen, passenderweise auf einem Friedhof ...
Ein Stein als Symbol für die Last eines jeden einzelnen
Vor dem Eintritt zur ersten Station, dem Einzug Jesu am Palmsonntag in Jerusalem, kann jeder Besucher einen Stein als Symbol für die Last des einzelnen sowie ein historisches Gewand mit nehmen, das er dann den auf seinem Esel reitenden Jesu auf die Straße legen kann. Voss sieht dazu eine enge Verknüpfung, etwa mit dem roten Teppich bei großen Galas. Die Menschen jubelten Jesus damals begeistert zu, es herrschte eine Aufbruchstimmung, die Hoffnung auf Befreiung vom römischen Joch war groß.
Beim Pessach-Mahl schlüpfte Pfarrerin Silke Kuczera als die irdische Stellvertreterin von Gott in die Rolle von Jesus, um mit den entsprechenden Zutaten – Brot und Wein und vielem mehr – die Befreiung Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft zu feiern. All dies wurde mit viel Liebe zum Detail dargestellt.
Christian Voss erläutert den Gegenwartsbezug: „Ostern hat – mit Jesus als Diener seiner Jünger – auch und gerade heute – einen viel größeren Stellenwert als Weihnachten, sein Inhalt wird – mit Brot und Wein, dem Ei als Sinnbild für ein neues Leben, dem Salzwasser als Symbol für die Tränen – lebendig.“ Jesus hat damals die Liturgie verändert und damit die Menschen gegen sich aufgebracht.
Als der Hahn kräht ...
Nach dem Mahl führt der Weg Jesu und seine Jünger in den (dunklen) Garten Gezemaneh, wo sich Jesus angesichts der kommenden Ereignisse seiner Selbstzweifel und seiner menschlichen Angst bewusst wird: „Wie kannst du den Verrat zulassen. Herr lasse mich nicht so leiden", ruft er den Vater an. Und: „Herr, Dein Wille geschehe, stehe mir bei!“ als dieser ihm nicht antwortet und die Häscher mit dem Verräter Judas sich nähern. Alle Freunde und Jünger verlassen ihn, eine Reaktion, die damals wie heute gleich ist und dabei doch sehr menschlich ist. Nur Petrus folgt dem Tross in der Entfernung, als Jesus in den Tempel gebracht wird. Um ihn dann dreimal zu verleugnen, als er als einer seiner Jünger erkannt wird. Erst als der Hahn am frühen Morgen kräht, wird ihm bewusst, was er da gerade gemacht hat...
„Ich wasche meine Hände in Unschuld“
Als der römische Statthalter Pilatus keine Schuld bei Jesus feststellen kann, geschieht das, was auch heutigen Politikern widerfährt: Das Volk treibt ihn vor sich her, so dass er – um einen Volksaufstand zu verhindern – einknickt und den berühmten Satz sagt: „Ich wasche meine Hände in Unschuld!“
Den Stein am Kreuz niederlegen
Dass der römische Hauptmann – die römischen Soldaten waren zu jener Zeit die „Profis“ unter den Kriegern – dass dieser nach dem Tod von Jesus am Kreuz mit der Feststellung „Jesus war tatsächlich der Sohn Gottes“ im Bewusstsein, dass dieser ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wird, praktisch bekehrt wird, darin sieht Christian Voss ein deutliches Glaubenszeichen. In dem Kreuzigungsraum haben die Besucher dann die Gelegenheit ihren Stein und damit ihre Sündenlast am Fuße des Kreuzes abzulegen.
„Er ist nicht hier“ die Botschaft empfangen die drei Frauen, die sich mutig in die bereits geöffnete dunkle Felsenhöhle hinein wagen um den Leichnam Jesu ein zu balsamieren. Pfarrerin Silke Kuczera freute sich, dass dieser Raum direkt an die Kirchentreppe angrenzt, so dass die Auferstehung sehr bildlich dargestellt werden kann.
Am oberen Ende der Treppe erwartet die Ostergartenbesucher das, was einen Frühlingsgarten ausmacht: Intensiv duftende Blumen, die Symbolisierung „des blühenden Lebens“.
Auch an einen kleinen Andachtsraum haben die „Architekten“ des Ostergartens gedacht, wo über das Gesehene und Gehörte reflektiert oder gebetet werden kann oder einfach nur ein Feedback hinterlassen werden kann.
Zu sehen bis Ostersonntag
Bis diesen Donnerstag wird der Ostergarten, der bis einschließlich Ostersonntag geöffnet sein wird, am Vormittag überwiegend von Schulklassen bevölkert sein. Es haben sich aber auch schon viele Gruppen und Familien angemeldet. Anmeldungen können unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder telefonisch unter 0176-30126633 getätigt werden. Auf der Homepage www.ejw-rv.de/ostergarten gibt es einen täglich aktualisierten Besuchsplan.
Der Eintritt ist frei, zur Deckung der Kosten bitten die Veranstalter um eine kleine Spende.
Bericht und Bilder: Ulrich Gresser