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Bad Wurzach - Der Tagesordnungspunkt 5 der Gemeinderatssitzung am Montag hatte es in sich. Den ganzen Tag über war in den SWR4-Regionalnachrichten Bad Wurzach und sein Ried das Thema. Wie wird sich der Gemeinderat angesichts doch recht konkreter Windkraft-Planungen rund ums Ried positionieren?

Am Ende stand ein einstimmiger Beschluss: „Vorhaben, die das Wurzacher Ried oder das Europadiplom beeinträchtigen, beschädigen oder gar den Verlust des Europadiploms befürchten lassen könnten, lehnt der Gemeinderat ab.“ Bürgermeisterin Alexandra Scherer resümierte: „Ein starkes Signal.“

Stadtrat Klaus Schütt (CDU), der die Debatte eröffnete und um Zustimmung zum Beschlussvorschlag der Verwaltung warb, sagte: „Das Europadiplom brauchen wir!“ Er warnte vor einer Entwicklung wie in Dresden, wo der Welterbe-Titel nach einem Brückenbau im idyllischen Elbtal aberkannt worden ist. Bad Wurzach besitze eines von bundesweit nur sieben europadiplomierten Naturschutzgebieten. Das Diplom gelte es unbedingt zu erhalten. In der ernsthaften Diskussion zeigte sich aber, dass der Schutz für das Ried durch die politische Großwetterlage aufgehoben werden könnte.

Zunächst hatte Bürgermeisterin Scherer in einer längeren Vorrede den rechtlichen Rahmen abgesteckt. Es stehe einer Kommune nicht an, grundsätzlich über Für und Wider von Windkraft zu debattieren. Nach Paragraf 24 der Gemeindeordnung befasse sich ein Gemeinderat ausschließlich mit Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Dass die Region aufgrund gesetzlicher Vorgaben 1,8 Prozent der Fläche für Windkraft bereitstellen muss, das müsse auch Bad Wurzach zur Kenntnis nehmen. Aber Bad Wurzach habe mit dem Ried eine Sondersituation, ein Alleinstellungsmerkmal. „Das Moor ist der Markenkern unserer Stadt. Als hochprädikatisierte Kurstadt haben wir den Fokus auf dem Heilmittel Moor. Die Auszeichnung mit dem Europadiplom erfüllt uns mit Stolz.“ Insofern sei es legitim, zu diesem Sachverhalt ein Bekenntnis abzugeben, das man selbstverständlich den Oberbehörden zur Kenntnis bringen werde. Eine solches Bekenntnis habe „Strahlkraft“, „das wird gehört“. Gerne habe sie und ihr Baurechtler Andreas Haufler den Vorstoß des windkraftkritischen Vereines „Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu“ aufgegriffen, sagte sie mit Blick auf Dr. Wolfgang Hübner, der in der Bürgerfragestunde der Gemeinderatssitzung am 30. Januar ein klärendes Wort des Gemeinderates zu den jüngst in der Presse bekanntgewordenen Windkraftplänen gefordert hatte; ihm seien derzeit 15 Planungen in Sichtweite des Riedes bekannt.

Derzeit lägen der Stadt keine förmlichen Anträge zur Errichtung von Windkraftanlagen auf Bad Wurzacher Gemarkung vor, stellte Alexandra Scherer klar. Wenn aber ein Antrag von Bad Wurzach als Baurechtsbehörde zu prüfen sei und das betreffende Projekt das Europadiplom gefährde, dann könne die Stadt das gemeindliche Einvernehmen versagen, führte die Bürgermeisterin aus. Allerdings, das wurde in der Diskussion auf Nachfrage von Stadtrat Armin Willburger (Freie Wähler) deutlich, kann die entscheidende Genehmigungsbehörde, das Landratsamt, ein gemeindliches Einvernehmen „ersetzen“, erläuterte Andreas Haufler, also aufheben. „Wir reden mit, das Landratsamt entscheidet“ – so brachte es Haufler auf den Punkt.

Martin Häfele (Freie Wähler) problematisierte die rechtliche Relevanz des Europa-Diploms. Dessen Anforderungen könnten unter Umständen aufgeweicht werden. Möglicherweise zähle Windhöffigkeit künftig mehr als das Diplom, spekulierte er. Bürgermeisterin Scherer wollte diese Einschätzung nicht teilen. Der Beurteilungsrahmen werde nicht mir nichts dir nichts geändert. Das Europadiplom spreche eine eindeutige Sprache. Auch auf den Hügeln des Wurzacher Beckens schließe das Diplom Windkraftanlagen aus.

Karl-Heinz Buschle (Freie Wähler) wollte wissen, wie es um die Provilegierung der Windkraft bestellt sei. Andreas Haufler antwortete, es gebe für die Baugenehmigung einen Rechtsanspruch, „wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen“.

Eintürnens Ortsvorsteher Berthold Leupolz, dessen Gemarkung an gleich zwei Rändern beplant wird, wollte mehr Fakten wissen, Abstände und Höhen. In diese Kerbe schlug auch Ewald Riedl (CDU).

Franz-Josef Maier (Mir Wurzacher) lobte die Vorlage der Verwaltung als „klar und treffend“, vermisste aber eine rechtssichere Auskunft über die windkrafthemmende Wirkung des Europadiploms. „Wo ist die Ansprechstelle?“ Bürgermeisterin Scherer erwähnte die Schreiben der Landschaftsschützer an den Europarat und zitierte aus der Antwort: „Wir vertrauen auch darauf, dass die Verantwortlichen der Stadt Bad Wurzach jede infrastrukturelle Entwicklung in ihrem Gebiet sehr sorgfältig überprüfen, damit die ökologische Integrität des Wurzacher Rieds gewahrt bleibt.“ Sie zeigte sich zuversichtlich, dass nach einer Nichterteilung des gemeindlichen Einvernehmens die Oberbehörde nicht auf Konfrontation gehe, sondern sorgfältig abwäge.

Wortlaut des Beschlusses
1. Der Gemeinderat bekennt sich zu den Schutzzielen des Wurzacher Rieds und stellt fest, dass das verliehene Prädikat des Europadiploms für eines der größten, noch intakten Hochmoore Mitteleuropas von sehr hoher Bedeutung für die Stadt Bad Wurzach ist.

2. Vorhaben, die das Wurzacher Ried oder das Europadiplom beeinträchtigen, beschädigen oder gar den Verlust des Europadiploms befürchten lassen könnten, lehnt der Gemeinderat ab.

Wie geht es weiter?
Am 24. April stellt jener Projektierer, der Vorhaben in Humberg und bei Weitprechts vorantreibt, seine Pläne dem Gemeinderat vor. Das sei eine reine Sachinformation, da werde nicht grundsätzlich über Windkraft debattiert, stellte Bürgermeisterin Scherer vorab klar. Angesichts des zu erwartenden großen Bürgerinteresses werde man jene Gemeinderatssitzung im Kurhaussaal abhalten. Mit förmlichen Anträgen dieses Projektierers rechne sie für den Herbst. Andreas Haufler machte deutlich, dass die untere kommunale Ebene bei der Anhörung als Täger öffentlicher Belange (TöB) mit eher marginalen Aspekten wie Zuwegung und, als Beispiel in anderer Sache, Löschteichen befasst werde. Der Stadt sei es aber unbenommen, wegen der Sorge um nachteilige Auswirkungen auf das Ried das gemeindliche Einvernehmen zu verweigern.

Wenn dann der Ober (das Landratsamt) den Unter (die Stadt) sticht, dann „hat man wenigstens ehrenvoll gekämpft“, sagte ein Beobachter am Rande der Sitzung.

Bürgermeisterin Scherer appellierte, dass man die Thematik „im guten Miteinander“ behandeln möge. Sie warnte vor Grabenkämpfen und mahnte an, demokratische Beschlüsse zu akzeptieren.
Gerhard Reischmann

 

 

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