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Bad Wurzach - Die Idee war pfiffig, der Besuch stark, die Stimmung aufgeräumt: Uli Gresser hatte zu seiner Ausstellung „Werke ohne Autor“ geladen und es kamen viele: allen voran die Bürgermeisterin, dazu Weggefährten, Freunde, Kulturbeflissene – und Emely und Ronja, zwei 14-jährige Schülerinnen, die im Internet von der Ausstellung in der Stadtbücherei gelesen hatten. Und ihren Besuch nicht bereuten. Eine Vernissage hatten sie noch nie erlebt. „Die Reden. Die Musik. Und die Bilder!“

Uli Gresser ist in Bad Wurzach und Umgebung bekannt wie ein bunter Hund. Seit 2005 arbeitet er als Berichterstatter bei der Bildschirmzeitung, ist Herz und Seele dieses in der Raumschaft unverzichtbaren Mediums. Als „rasender Reporter“ tanzt er auf vielen Hochzeiten, schreibt über das Blasmusikkonzert genauso wie über den Gemeinderat oder den Blutritt. Dabei benutzt er die spiegellose Systemkamera Fuji XH-1, ein hochsensibles Gerät, das sich manchmal selbständig macht. „Sie hat einen so leisen Auslöser, dass ich es gar nicht mitbekam, wie sie, etwa beim Umschalten vom Standby- in den Aktiv-Modus, eigenmächtig Aufnahmen machte.“ Anfänglich ärgerte sich der Ober-Schwabe Uli G. über die Speicherplatz-Verschwendung. Dann aber erkannte er die pittoreske Klasse der Zufallsbilder. Und hatte eine Idee.

Bei all dem Hasten zwischen den Terminen und dem fleißigen Artikelschreiben hat der Fotograf Uli Gresser seine künstlerischen Ambitionen zwar manchmal hintangestellt, aber nie vergessen. Zwei Dutzend Ausstellungen hat er neben seinem rastlosen Tun schon zuwegegebracht – in Bad Wurzach und anderswo und auch in der Partnerstadt Luxeil-les-Bains. Einheimische Fasnetsfiguren hat er gezeigt, Sakrales („Soli deo gloria“), Störche, Fotos aus der Arbeitswelt, immer wieder Naturaufnahmen und, und, und.

Jetzt also malerische Fehlschüsse aus seiner eigensinnigen Kamera.

„Es ist der Mensch, der Emotion weckt“
„KI, die Künstliche Intelligenz, vermag viel. Die Maschine kann ohne Zweifel autonom etwas herstellen“, führte Uli Gresser in seiner Ansprache bei der Vernissage aus. Aber es brauche den Menschen, der einem Produkt einen Atem einhauche, „der Emotion weckt“.

Hier war der Könner bei der Anwendung des Bildbearbeitungsprogrammes Photoshop gefordert. Auswahl des Motives, Beschnitt und Kontrastierung, gewiss auch da und dort Farbverstärkung, das Spiel mit Licht und Dunkel, die Kombination von alledem – das ist ein kreativer Akt.

„Rosemarie schluckte erst mal“
Und so ging Uli Gresser mit seiner Idee zu Rosemarie Stäbler. Der altgedienten Galeristin, die bis dahin etwa 150 Ausstellungen kuratiert hatte, war so etwas noch nie untergekommen.

„Rosemarie schluckte erst mal“, plauderte Uli Gresser aus dem Nähkästchen des ersten Planungsgesprächs. „Dann meinte sie: Man muss es probieren.“

Rasch nahm die Idee nahm Gestalt an. Und am vergangenen Freitag (20. 1.) war dann Vernissage.

Die Bürgermeisterin dankte
Bürgermeisterin Alexandra Scherer bekannte schmunzelnd: „So etwas hatten wir noch nie.“ Doch passten die expressiven Exponate bestens in den Kapitelsaal des ehemaligen Klosters. Der historische Rahmen und die modernen Bilder, das ergebe einen attraktiven Kontrast. „Es war mir ein Anliegen, Ihnen meine Aufwartung zu machen“, sagte sie an Uli Gresser gewandt. „Ich schätze Sie.“ Gewiss sei sie auch neugierig auf die die Phantasie anregenden Objekte gewesen. Vor allem aber wolle sie dem bescheidenen Künstler danken, der auch mit der neuen Ausstellung in den Räumen von Maria Rosengarten seine Verbundenheit mit Bad Wurzach deutlich mache. „Sie mögen die Stadt, Sie mögen die Menschen.“ Das spüre man.

Strukturierte Improvisation
Ute Giese aus Riedlingen und Hans-Georg Hinderberger aus Bad Waldsee machten die Musik. Mit Blockflöte und Geige, mit Bassflöte und Klangschalen. Experimentell. Sphärisch. Kaskadierend. Mal melodiös. Mal sägend-jaulend. Aber nie ohne Struktur. Vor jedem Stück hielt Ute Giese eines der Bilder in digitaler Kopie hoch, das die beiden dann musizierend interpretierten. „Variation in Rot“ hieß so ein Stück. Der Variation lag ein Konzept zugrunde, das auf Notenblättern notiert war. Ausgehend von der Notation wurde improvisiert.

Viel Beifall, viel Lob. „Das passte bestens“, sagte Besucherin Beate Ebel zum Rezensenten.

Erwähnt sei das Aperçu von Hans-Georg Hinderberger nach dem letzten Stück: „Schön, dass wir reale Musik machen können und nicht durch einen Algorithmus ersetzt wurden.“

Das Gästebuch
Ein Blick ins Gästebuch zeigt, dass die Besucher der Vernissage sehr angetan waren von der ungewöhnlichen Ausstellungsidee, von den dadurch entstandenen Exponaten und der kongruenten Musik. Hier einige Statements:

„Zufallsfotografie in Hochform. Interessante, vielschichtige Arbeiten.“

„Eine Ausstellung, die die Fantasie beflügelt.“

„Großes Kompliment an Künstler und Veranstalter.“

„Diese Farben! Wunderschön.“

„Musikalische Begleitung vom Feinsten.“

„Zu schade zum Wegwerfen.“

"Isch des Kunscht?"
„Isch des Kunscht?“, fragte Uli Gresser in seiner Ansprache. „Oder ka des weg?“, kam es keck aus dem Auditorium zurück.

Kunst ist gewiss mehr als das gekonnte Anfertigen. Das diesmal die Maschine besorgt hat. Es ist auch das Aufbereiten, das Darbieten, das Anregen. Dass eine künstlerische Leistung in diesem Sinne bei der Ausstellung „Werke ohne Autor“ erbracht wird, das war aus den Gesprächen mit den Bildbetrachtern herauszuhören.

Teure Fehldrucke
In der Philatelie gibt es die berühmten Fehldrucke. Briefmarken, die versehentlich in Druck gegangen sind. Sie werden mitunter hoch gehandelt. „Mal sehen, was die Fehlleistungen meiner Kamera so bringen“, spekulierte der Mann hinter der Kamera, der die Zufallsschätze gehoben und ins rechte Licht gerückt hatte, im Gespräch mit dem Reporterkollegen von der Bildschirmzeitung.

Bis 3. März
Die Ausstellung „Werke ohne Autor – (Un)-heimliche Fotografien, bearbeitet von Ulrich Gresser“ geht noch bis 3. März. Zu sehen zu den Öffnungszeiten der Stadtbücherei.
Text und Fotos: Gerhard Reischmann

01 Stäbler eröffnet

Rosemarie Stäbler bei der Eröffnung der Ausstellung. Bisher hat sie etwa 150 Bad Wurzacher Kunstausstellungen kuratiert. Die jüngste ist sicherlich eine ihrer ungewöhnlichsten.

02 Uli spricht

Uli Gresser erläutert seine Konzeption.

03 BM Uli

Bürgermeisterin Alexandra Scherer wendet sich direkt an Uli Gresser. Sie dankt ihm für all das, was er als heimatverbundener Mensch für seine Vaterstadt tut und bereits getan hat – über die Fotokunst hinaus.

04 Bespieltes Bild

Ute Giese und Hans-Georg Hinderberger zeigen auf einem Tablet ein Bild, zu dem sie Musik machen.

05 Geige und Bassflöte

Die Blockflötistin Ute Giese spielt hier eine Bassflöte. Außer der Violine von Hans-Georg Hinderberger waren auch noch Klangschalen zu hören.

06 Giese Konzept

Ute Giese zeigt eine Notation, eigens zur Ausstellung gefertigt. Der Musikvortrag des Duos war eine auf solche Konzepte gestützte Improvisation.

07 Besucher

Der Kapitelsaal war gut gefüllt. Unser Bild zeigt hier einen Teil des Auditoriums beim Musikvortrag.

08 BlumenJPG

Uli Gresser dankt Rosemarie Stäbler mit Blumen dafür, dass sie seine ungewöhnliche Idee wohlwollend aufgegriffen und in der Ausstellung realisiert hat.

09 Schlussbild

Die Ausstellung „Werke ohne Autor“ ist noch bis 3. März in der Stadtbücherei in Maria Rosengarten zu sehen. Es ist die 242. in der unter Henning von Zadow in den 1980ern begonnenen Reihe.

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Werke ohne Autor (Auswahl). Insgesamt gibt es 29 Exponate. Sie sind käuflich zu erwerben.

 

 

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halloRV

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