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Bad Wurzach - Mit der Buchlesung durch Pastor Günther Schulz, der einige Passagen aus dem Buch „Ich sehe den Himmel“ seiner vor drei Jahren an Krebs gestorbenen Frau Esther vorlas, feierte die vor 25 Jahren von Stefanie Lacher und Christine Uhl gegründete Hospizgruppe Bad Wurzach in der evangelischen Kirche das Jubiläum. Christine Beck begleitete die Lesung mit ihrem einfühlsamen Harfenspiel.

„Schwerkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen und Freunde begleiten zu dürfen, ist eine Ehre,“ mit diesen Worten begrüßte Stefanie Lacher die Gäste der Lesung. „In diesem Dienst an einer existenziellen Nahtstelle des Lebens begegnen auch wir unseren ganz persönlichen Fragen und auch Ängsten nach dem Sinn unseres Lebens.“ Sinn dieser Hospizarbeit sei es, an der Schwelle von Leben und Sterben diesen Menschen, die – am Rande der Belastbarkeit – um Entscheidungen mit endgültigen Konsequenzen ringen, Unterstützung zu geben und da zu sein. „Rund 400 Menschen durften wir in den 25 Jahren begleiten. Jede Begleitung war ein einmaliges Geschehen. Jeder dieser Menschen stand am Ende seiner ureigendsten Lebensgeschichte mit Gelingen und Scheitern, Freud und Leid.
Am Ende geht es nur noch um Annahme, Würdigung und Loslassen, die vielleicht größte Herausforderung unseres Lebens. Aber wir haben auch viel zurückbekommen.“
„Exemplarisch für einen solchen Weg haben wir das Leben und Sterben von Esther Schulz ausgewählt und dazu ihren Mann Pastor Günther Schulz aus Hagen zu einer Lesung aus dem Buch „Ich sehe den Himmel“ eingeladen.“ Denn Familie Schulz war diesen herausfordernden Weg gegangen und teilte diese Erfahrungen mit den selbstbestimmten Entscheidungen in dem Buch.

Günther Schulz eröffnete seine Lesung aus dem Buch, in dem neben Esther Schulz und ihrem Mann Günther auch Sohn Benjamin ihre jeweilige Perspektive der Geschehnisse in der 14 monatigen Leidenszeit der Hauptprotagonistin schildern, mit einigen Fotos aus dieser Zeit.
Ende Mai 2018 brach die Krebsdiagnose Lymphdrüsenkrebs wie ein Hammer in die Welt des Hagener Pastorenehepaares Esther und Günther Schulz ein. Esther Schulz beschloss, entgegen dem Rat aller Ärzte, keine Chemotherapie zu machen.
Denn lieber wollte sie ein Jahr noch mit einer guten Lebensqualität erleben, statt dahin zu siechen und dann doch zu sterben.
Sie fragte stattdessen ihren Mann: „Gehst Du mit mir diesen Weg?“ Doch für diesen gab es da kein Zögern. Und er übernahm die Rolle des Vermittlers zwischen seiner Frau und der Familie.
Das einzige Kind, Sohn Benjamin lebt 120 Kilometer entfernt in einem Dorf bei Gießen. „Die Krebsdiagnose hat geknallt wie eine Bombe.“ Er und seine Familie wollten gerade mit dem Hausbau beginnen, wofür alles vorbereitet war. Noch am selben Tag wurden diese Pläne über den Haufen geworfen, stattdessen wurde beschlossen, die kranke Mutter und den Vater zu sich zu holen, solange noch ein Umzug möglich war.
Esther Schulz erntete zwei Tage nach der Diagnose von ihrem Onkologen nur blankes Unverständnis, als sie ihm nach „viel innerem Kampf“ ihre Entscheidung gegen die Chemo mitteilte und sagte: „Es geschieht nichts was nicht geschehen soll.“
Gut und kompetent aufgehoben fühlte sie sich dagegen in der Krebsklinik in Essen, wo ihre Entscheidung akzeptiert und respektiert wurde. „Seit der Diagnose habe ich bewusster gelebt,“ schreibt sie über die folgende Zeit. Sie fragte sich: „Was ist bzw. tut mir gut.“ Briefeschreiben und weil ihre Nase sehr empfindlich wurde, wenn in der Küche nebenan ein Kuchen gebacken wurde.
Seine Mutter sei immer „Wirksamkeit“ im Tun gewesen, nun eben im Sein. Sie habe in dieser Zeit eine große Zufriedenheit mit ihrem Leben ausgestrahlt, sagt Sohn Benjamin an anderer Stelle. Esther wiederum fand sich sehr in der Figur der „schaffigen“ Martha in der biblischen Geschichte von Martha, Maria und Lazarus wieder. Dieses „Marthasein“ habe sich schon durch ihr ganzes Leben gezogen.
So plante sie auch en Detail ihre eigene Beerdigung, um damit ihren Mann zu entlasten: Sie ließ eine Freundin, eine Schneiderin, ihr eigenes „Bettzeug“ für ihre letzte Ruhestätte schneidern.
Was wahre Freundschaft ist, lernte sie in den letzten Wochen kennen, als eine einstmals beste Freundin sich – offensichtlich von der Situation überfordert – nicht mehr meldete. Der Hausmeister ihrer Pfarrei in Hagen, stand eines Morgens um acht vor ihrer Haustüre, war eigens die 120 Kilometer angefahren gekommen um einen umgebauten Tisch vorbeizubringen, damit Esther Schulz, inzwischen komplett bettlägerig in ihrem mitten mit großen Fenstern ausgestatteten Wohnzimmer stehenden Pflegebett – und damit auch mitten im Leben der Familie – besser essen konnte. Als es dann dem Ende entgegen ging, sagte sie öfters : „Ich sehe den Himmel.“
Das letzte Kapitel, das Günther Schulz an diesem Abend vorlas, ging es um die Dinge die Stefanie Lacher in ihrer Einführung angesprochen hatte: Sie habe ihre Aufgabe erledigt, habe ein gutes Gefühl dass Alles (Mann, Familie, Sohn und Enkelkinder) in besten Händen ist. Sie treffe Entscheidungen, habe Beziehungen geklärt, denn „Vergeben befreit“ und gelernt loszulassen, also ganz im Sinne der Kernbotschaft des Christlichen Glaubens.
Als Esther Schulz am 08. Juli 2019 für immer die Augen schloss, war auch Günther Schulz mit sich im Reinen: „Ich habe Frieden, weiß meine Frau in besten Händen.“
Er sei auch dankbar, dass die Enkel in dieser Zeit jeden Tag bei ihr gewesen waren und ihnen damit auch die Furcht vor dem Sterben und dem Tod genommen wurde.
An Christine Uhl es im Anschluss an die Lesung Dank zu sagen, Pastor Schulz für die Bereitschaft diese Lesung zu halten, Christine Beck für die einfühlsame musikalische Umrahmung und der evangelischen Kirchengemeinde für das zur Verfügung stellen der Kirche.
Sie wies die Gäste auf die weiteren Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläums hin: Bereits am kommenden Freitag 30. September gibt es das Bilderbuchkino für Kinder „Oma isst Zement“ mit Bernadette Miller in der Stadtbibliothek zum Thema Demenz und am 07. Oktober beschließt ein Seminarabend im Veranstaltungsraum der Wohnanlage für Jung und Alt „Letzte Hilfe – am Ende wissen, wie es gehen könnte.“
Angela Kühne-Rölle merkte mit Blick auf die Arbeit der Hospizgruppe an: „Ich fühle mich bei Euch sehr gut aufgehoben, wurde leise eingeführt und bekleidet. Ich habe Euch oft bewundert. Ihr habt einen Langen Atem gehabt und Danke für Euer Wissen.“
Auch eine vom Gehörten sichtlich angefasste Bürgermeisterin Alexandra Scherer bedankte sich bei Günther Schulz für die Lesung und bei den Mitgliedern der Hospizgruppe: „Ihr Tun ist der größte Dienst, den man Menschen erweisen kann. Ich wünsche ihnen viel Kraft für ihre Arbeit.“

 

 

Bericht und Bilder: Uli Gresser

 

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halloRV

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