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Bad Waldsee - Im Entenmoos, in der Nähe des Vötschenturms, stand bis 2016 ein altes unbewohntes Haus, wohl aus dem 19. Jahrhundert stammend. An ihm nagte der Zahn der Zeit, doch die Inschrift am Giebel war bis zum Abriss noch sehr gut lesbar: Bäckerei Fritz Bühler stand da geschrieben. Es war das Elternhaus eines intellektuellen NS-Schreibtischtäters. Dr. Josef Bühler, der im Januar 1942 an der berüchtigten Wannsee-Konferenz teilgenommen hat, wurde hier am 16. Februar 1904 geboren, hineingeboren in eine kleine oberschwäbische Existenz, eine Bäckersfamilie mit zwölf Kindern, katholische, rechtschaffene Leute.

 

Wie ein hochbegabter, katholisch geprägter Bäckerssohn aus Oberschwaben in den Kreis der Freislers, Heydrichs und Eichmanns gelangt und dort sein organisatorisch-administratives Können in den größten Mordplan der Weltgeschichte einbringt, das schildert Hans Grimm in dem Sammelband „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus Oberschwaben“, der von Dr. Wolfgang Proske (Gerstetten) herausgegeben wurde (322 Seiten, broschiert, Band 4 einer Reihe, Kugelberg-Verlag, 2015, ISBN: 978-3-945893-00-5; 19,99 €).

 

Der gescheite Bub macht Abitur, studiert Jura, wird 1930 zum Dr. jur. promoviert und als die Nazis an die Macht kommen, wirft er den Karriere-Turbo an. Am 1. April 1933 Eintritt in die NSDAP, dann ein rascher Aufstieg im Schlepptau von Hans Frank, in dessen Münchner Anwaltskanzlei Josef Bühler schon in den Jahren 1930 bis 1932 tätig gewesen war. Am 8. Dezember 1939 – also nur drei Monate nach dem Überfall auf Polen – wird Bühler in Krakau Amtschef bei Generalgouverneur Frank, dem Statthalter Hitlers in Polen; er ist in der Schlüsselstellung einer Zentralinstanz der NS-Rassen- und Vernichtungspolitik angekommen. Am 20. Januar 1942 nimmt der stromlinienförmige Karrierejurist kleinbürgerlicher Herkunft an jener Konferenz teil, bei der Spitzentechnokraten den Holocaust planen, die fabrikmäßige Vernichtung von Menschen also. Nach dem Krieg wird Dr. Josef Bühler nach Polen überstellt, wo er am 10. Juli 1948 zum Tode verurteilt und am 21. August 1948 in Krakau hingerichtet wird.

 

Autor Hans Grimm, von Haus aus Steuerberater, ist gebürtiger Waldseer und schon mehrfach mit regionalgeschichtlichen Arbeiten hervorgetreten. Auf den Seiten 70 bis 83 des genannten Sammelbandes (kurz: THT) schildert er auch seinen persönlichen Zugang zum Fall Josef Bühler, Begegnungen mit Josefs Bruder Fritz, der die Bäckerei übernommen hat, und auch die kleinstädtische Schweigespirale, die nach 45 ihre Wirkung entfaltete. Auf Seite 71 in THT schreibt Grimm, dass Josef Bühler elf Geschwister gehabt habe. In der Todesanzeige für die Mutter Josefs, aufgefunden von Heimatforscher Paul Sägmüller (Bergatreute), veröffentlicht seinerzeit im „Waldseer Tagblatt“ im Juni 1936 (nun erneut publiziert in der „Schwäbischen Zeitung“ Bad Waldsee am 7. Februar 2022), sind acht hinterbliebene Kinder der Verstorbenen namentlich aufgeführt, darunter Pfarrer Georg Bühler. In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia ist wie auch bei Grimm von elf Geschwistern Josef Bühlers die Rede (möglichweise ist Hans Grimm einer der Editoren des Wikipedia-Artikels).

Die Promotion Josef Bühlers wird in Wikipedia auf 1932 datiert; Grimm nennt das Jahr 1930 (THT S. 71). Die Amtschef-Bestallung Bühlers in Krakau erfolgt laut Wikipedia bereits im November 1939 (Grimm nennt ein genaues Datum: 8. Dezember 1939 – damals war Dr. Josef Bühler 35 Jahre alt).

Neben Grimm befassen sich in dem genannten Band 4 der Reihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ neun weitere Autoren mit insgesamt 19 Biografien oberschwäbischer Persönlichkeiten, die sich in der Nazi-Zeit mit den Machthabern gemein gemacht haben – als Täter, als Helfershelfer oder die als Trittbrettfahrer vor allem um das eigene Fortkommen bemüht waren und so ebenfalls dem System gedient haben.

 

Gerhard Reischmann

 

Buuehler Haus Bad Waldsee 2015 Foto Gerhard Reischmann 578

Im Entenmoos in Bad Waldsee stand bis 2016 das Elternhaus des NS-Schreibtischtäters Dr. Josef Bühler. Der Schriftzug „Bäckerei Fritz Bühler“ war bis zuletzt gut lesbar. (Siehe Titelbild)
Die Aufnahmen wurden am 4. Dezember 2015 gemacht. Fotos: Gerhard Reischmann

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