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Bad Waldsee - Die SPD-Region Südwürttemberg hat unter dem Slogan „SPD im Gespräch“ in der Stadthalle Bad Waldsee rund um die Kandidaten-Kürung des Wahlkreises ein hochkarätiges Programm mit Fachpodien und Reden von Andreas Stoch MdL, Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag und dem Stargast MdB Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, zusammengestellt.

 

Nach Begrüßung und Grußwort von Bürgermeister Matthias Henne diskutierte ein hochkarätiges Fachpodium über „Das krisenfeste Klassenzimmer – Bildung in Zeiten von Corona“. Moderiert von Heike Engelhardt, der SPD-Kreisvorsitzenden Ravensburg und Bundestagskandidatin der SPD für den Wahlkreis Ravensburg, diskutierten angeführt von Andreas Stoch MdL die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz, Stephan Ertle, Elternvertreter für Südwürttemberg und Dr. Daniela Harsch, Sozialbürgermeisterin der Stadt Tübingen, dieses gewiss die Wahlkämpfe für Land- und Bundestagswahl im kommenden Jahr mitprägende Thema.

Dieses fand auch in der (wahl-)kämpferischen Rede des ehemaligen Kultusministers von Baden-Württemberg seinen Niederschlag, die er im Anschluss an das Podium hielt und von den Genossinnen und Genossen, darunter auch MdB Martin Gerster, mit viel Beifall bedacht wurde.

 

Dr. Doro Kliche-Behnke, die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende übernahm die Begrüßung des Ehrengastes, Bundesminister für Arbeit und soziales Hubertus Heil MdB.

Dieser ging in seiner Rede zunächst auf die jüngsten Demonstrationen in Berlin ein. „Die Demonstranten sind nicht die Normalität. Dass wir so gut durch die Pandemie gekommen sind, haben wir unseren Bürgern und unserer Demokratie zu verdanken.“ Es sei kein Zufall, dass das Virus in totalitären Staaten viel schlimmere Folgen hinterlasse.

Allein in den USA seien im Laufe der letzten Monate 30 Millionen Jobs verschwunden. Das Instrument der Kurzarbeit helfe bei uns, dies zu verhindern. Derzeit sind davon 6,7 Mio. Werktätige bzw. 20 % der sozialversichert Beschäftigten bei uns betroffen. Auf seine Initiative hin wurde das arbeitsplatzsichernde Instrument auf 24 Monate ausgedehnt. Kritikern wegen der hohen Kosten begegnet er mit dem Argument: „Das ist immer noch günstiger als Massenarbeitslosigkeit und bitter notwendig.“ Denn ohne Kurzarbeit kämen viele Gute Betriebe in vielen Branchen nicht wieder auf die Füsse. Wichtig sei dabei auch, dass die Kurzarbeit gleichzeitig mit Quailifizierung der Mitarbeiter verbunden werde.

Einen Stab bricht der Minister in seiner Rede auch für die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit für deren schnellwirksame Arbeit während der Pandemie. Dafür dankte er ihnen ausdrücklich. Wichtig seien in diesen schwierigen Zeiten auch Konjunkturpakete für öffentliche Investitionen, um besonders die Kommunen zu entlasten. Wichtig für die volkswirtschaftliche Zukunft sei auch – trotz Strukturwandel –Industrien wie dem Maschinenbau eine Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen. Daher müsse es nicht nur finanzielle Dienstleistungen, sondern auch industrielle Dienstleistungen also die Produktion vor Ort, geben. „Es ist ein Strukturwandel nötig, aber kein Strukturbruch. Denn was weg ist, ist weg.“ Denn viele Firmen wollten unter dem Deckmantel Corona ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern, vermutet Heil. Damit der Produktionsstandort Baden-Württemberg Bestand haben wird, müssen Investitionen auch umgesetzt werden. Etwa in die industrielle Nutzung von Wasserstoff. Die Frage sei, wie diese zu bewältigen ohne Arbeitsplätze zu vernichten. Zum Beispiel durch weitere Qualifizierung der Beschäftigten.

Das Negativ-Beispiel für skandalöse Arbeitsverhältnisse deckte Corona auf: Der Fall Tönnies sei im Wortsinne eine „Sauerei“. Ebenfalls an Ausbeutung grenze das Leiharbeitersystem. „Helft mit das Gesetz dagegen durchzubringen,“ rief er den zahlreichen SPD-Mitgliedern unter den Besuchern zu. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Erholung der Wirtschaft sei, das Infektionsgeschehen in diesem Winter im Griff zu behalten. „Die Gesundheitsämter arbeiteten in der Pandemie gut. Wir kriegen das hin, wenn es uns gelingt, trotz der Auseinandersetzung mit Gegenkräften, Zuversicht zu geben.“ Und: „Wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten. Wer, wenn nicht wir Sozialdemokraten können es schaffen.“ Es gelte nicht nur die Krise zu überstehen, sondern auch an die ökologische Zukunft Deutschlands zu denken.
Dem Thema „Zukunftssichere Arbeit – stabile Wirtschaft“ stellten sich im zweiten Fachpodium unter der Moderation von Jasmina Brancazio (SPD Landtagskandidatin des Bodenseekreises) neben dem Minister noch einmal Andreas Stoch, Medienunternehmer Rainer Marquart, Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan, Direktorin des Instituts für KI der Universität Ulm sowie Denis Davidovac, Ausbildungsvertreter im Betriebsrat bei Mercedes-Benz in Gaggenau.

Welche Mittel helfen dem Mittelstand, fragte Jasmina Brancazio den Minister, dessen Rede sie als „verhalten positiv“ wertete.

Kurzarbeit und Unterbrechungshilfe könnten nicht jedem Arbeitsplatz helfen. Wichtig sei dabei auch, dass die Hausbanken mitspielten. Darüberhinaus sei Weiterqualifizierung wichtig, aber auch eine Erhöhung der Ausbildungsquote. Diese Instrumente müssten bei den Betrieben bekannt gemacht werden, „damit diese die Ausbildungskapazitäten nicht herunterfahren.“

Andreas Stoch sagte dazu, dass die Industrien zulange sich auf der Qualität ihrer Produkte ausgeruht hätten, sich damit einen technologischen Rückstand eingehandelt und damit die Wertschöpfung gefährdet. „Die SPD muss die Menschen mitnehmen und mehr Qualifizierung einfordern.“

Die Frage der Moderatorin, ob der Staat die Instrumente für den Strukturwandel bereitstellen müsse, beantwortete Minister Heil deutlich. Das derzeitige Tempo sei zu langsam, Möglichkeiten wie etwa der Transformationszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit, Transfergesellschaften, Umschulung oder auch das Recht für Ungelernte auf einen Berufsabschluss (in Planung) müssten besser kommuniziert werden ebenso wie die Beratung für Unternehmen, wie diese umgesetzt werden können. „Es muss Allianzen geben.“

 

Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan definierte KI, die in der Weiterbildung derzeit noch keine Rolle spiele und zu der es derzeit einen regelrechten Hype gebe. Diese könne nicht alle Probleme lösen. Das Beispiel Homeoffice zeige auch, dass die Infrastruktur bei uns noch nicht ausreichend sei, und das in einem der reichsten Länder Europas. „Wir müssen digitale Kompetenz aufbauen, einschätzen wo die Grenzen der KI liegen. Der Mensch muss die Technik dafür beherrschen, wir müssen dafür sorgen dass die Leute diese Kompetenz bekommen.“ Das sei in Baden-Württemberg derzeit „ schlicht eine Katastrophe.“

„Die Arbeit wird uns nicht ausgehen,“ sagte Hubertus Heil bevor er sich vorzeitig verabschieden musste. Und: „Wenn es die SPD nicht gäbe, müsste man sie erfinden!“

Der Medienunternehmer Rainer Marquart wurde von der Moderatorin in dem Bewusstsein, dass die Medienbranche derzeit doppelt gebeutelt ist, gefragt wie viele Mitarbeiter bei ihm in Kurzarbeit seien. Die Antwort: 50 bis 60%.
Marquart hält dennoch Kurzarbeit für ein gutes Instrument und zeigte sich verhalten optimistisch. Denn sie gebe ihm – trotz aller Probleme – in Verbindung mit Schulungen ein gewisses Maß an Flexibilität an die Hand.

Denis Davidovac sagte, aufgrund der Unsicherheit gehe die Tendenz bei vielen Unternehmen zur Generation Corona, nämlich dass später ein ganzer Ausbildungsjahrgang also in drei bis vier Jahren, vielleicht sogar schon früher, zumal die Azubis bereits nach einem Jahr produktiv mitarbeiten, im Betrieb fehlen werde. Das werde auch nicht besser, wenn mancher Personalchef bereits jetzt über „betriebsbedingte Kündigungen“ nachdenke. Bereits jetzt fehlen 260.000 Fachkräfte.

„Das deutsche Management muss endlich aufhören, auf den kurzfristigen Erfolg zu schauen!“ Eine Viertagewoche, also ein flexibleres Arbeitszeitmodell, wäre eine Möglichkeit.

Andreas Stoch sagte, , von der Moderatorin auf die Digitalisierung angesprochen, ein wenig polemisch in Richtung Innenminister Strobl (CDU): „Digitalisierung ist nicht nur das vergraben von Kabeln. Digitalisierung ist eine Denkform.“ Eine Studie besage: „Dreiviertel der heutigen Grundschüler werden in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt.“ Was nichtgerade zur Beruhigung der betroffen beigetragen habe. Ministerpräsident Kretschmann sage etwas blauäugig: „Die Betriebe werden´s schon richtig machen.“ Bildung sei ist jedoch ein langfristiges Instrument und die Menschen müssten auch von ihrer Weiterbildung profitieren.

Um auch älteren Menschen Zugang zu Weiterbildungen zu ermöglichen, müsse das Recht auf Weiterbildung eingeführt werden. Bisher gibt es nur ein Recht auf Weiterbildungsberatung. „Es ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.“
Prof. Biundo-Stephan erklärte dazu, es gebe bei uns bisher „zu wenige Ausbilder für Ausbilder“. Während der Coronazeit sei Deutschland aber große Schritte weitergekommen.

 

Zu der etwas vorwurfsvollen Frage aus dem Publikum nach Weiterbildungen in ökologisch- naturwissenschaftlichen Bereichen, sagte Andreas Stoch, der Schwerpunkt der Diskussion sei auf der Industrie gelegen, aber natürlich gelte dies auch in anderen Bereichen.
„Auch Landwirte brauchen ebenso wie Ärzte digitale Kompetenz, “ pflichtete Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan ihm bei.“ Wie es weitergehe, wenn für immer mehr Arbeit immer weniger Leute benötigt werden lautete die abschließende Frage aus dem Publikum. „Der Prozess geht immer weiter. Es wird auch bei KI immer Leute geben, die diese Maschinen bedienen. Diese gab es immer schon,“ sagte Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan.

Mit dem Schlusswort von Dr. Dorothea Kliche-Behnke, die das Treffen organisiert hatte, endete die Veranstaltung.

 

Bericht und Bilder Uli Gresser

 

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