Bad Waldsee - Jetzt ist es amtlich: Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) startet zum 3. Juli im Gebäude des Bad Waldseer Krankenhauses. Zunächst, so erläuterten es Landrat Sievers und die Chefs der OSK, Huber und Professor Rentzsch, mit einem Facharzt für Chirurgie samt medizinischem Assistenzpersonal. Hier können dann alltägliche Verletzungen wie zum Beispiel Schnittwunden oder Frakturen direkt behandelt werden, soweit sie keinen operativen Eingriff erfordern. Als erster Chirurg kommt Dr. Merk vom OSK nach Bad Waldsee.
Professor Rentzsch erklärte es am Beispiel eines Knochenbruches. „Wenn der Bruch glatt ist und die Knochen ohne operativen Eingriff wieder geradegerichtet werden können, dann ist das ein Fall für den Chirurgen in Bad Waldsee. Wenn sich die Fraktur aber in der Nähe eines Gelenkes befindet oder sich als Trümmerbruch herausstellt, wird der Patient zur Operation in das OSK nach Ravensburg verbracht.“
Der weitere Ausbau
Weiterhin vorgesehen am MVZ in Bad Waldsee sind zwei Stellen für Innere Medizin. Am Gesundheitswesen sind viele Partner beteiligt. So organisiert zum Beispiel die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die ambulante medizinische Versorgung im Land. Bevor eine ambulante Stelle besetzt werden kann, muss die KVBW dem Bedarf zustimmen. Die OSK hat für den chirurgischen Platz den Sonderbedarf genehmigt bekommen, für die Innere Medizin den Bedarfsantrag gestellt. Sobald die Genehmigung hierfür vorliegt, werden die beiden Stellen, eine für Innere Medizin und eine für Gastroenterologie, von den Drs. Hummler und Strobel besetzt.
Des weiteren vorgesehen sind im MVZ mit Dr. Lutz und Dr. Barth zwei Orthopäden und mit Dr. Reiser ein Facharzt für Schmerzmedizin.
Die Personalien stehen schon fest, nicht jedoch die Termine, wann die Ärzte und das medizinische Assistenzpersonal in Bad Waldsee anfangen.
Im ersten Moment könnte man meinen, das Krankenhaus wird wieder besetzt. Nein, das MVZ ist nur für ambulante Behandlungen zuständig und wie eine ärztliche Praxis nur tagsüber geöffnet. Der Notarzt-Standort befindet sich in Ravensburg.
Die Pläne der Großen Kreisstadt
Die Große Kreisstadt, allen voran OB Matthias Henne und Bürgermeisterin Monika Ludy, wollen für die Bürger eine bestmögliche medizinische Versorgung sicherstellen. Deshalb plant die Verwaltung den Aufbau eines Primärversorgungszentrums (PVZ), das im Gebäude das Bad Waldseer Krankenhauses angesiedelt sein soll. Im PVZ sollen sich Akteure wie das MVZ der OSK und die Urologische Praxis, die sich jetzt schon im Krankenhaus befindet, mit weiteren Praxen vernetzen, um so ein Hausärztliches Versorgungszentrum zu bilden.
Das genossenschaftliche MVZ (gMVZ)
Private Investoren (Private Equity) haben längst medizinische Einrichtungen als lukrative Geldanlage entdeckt und kaufen sich im großen Stil in Praxen ein. Diese Kapitalgeber sind nicht in erster Linie an der medizinischen Versorgung interessiert, sondern an der Rendite, die sie aus einer Praxis oder einem MVZ erwirtschaften können. Die Vorstellungen liegen dabei bei 15 % bis 20 % Rendite. Das führt in diesen Praxen zu einem enormen Druck auf ärztliches und Assistenz-Personal. Oft werden Behandlungen durchgeführt, die viel Geld einspielen, aber medizinische nicht immer notwendig sind. Dem will die Verwaltung vorbeugen und favorisiert ein gemeinnütziges genossenschaftliches Modell. Dabei werden keine Gewinne ausgeschüttet und somit ist die Beteiligung für private Investitoren nicht interessant. Die Große Kreisstadt beschreitet dabei völlig neue Wege. Für die Planung des PVZ in genossenschaftlicher Trägerschaft erhält die Große Kreisstadt eine Förderung von 200.000 Euro.
Als Planungspartner hat Bad Waldsee die Diomedes GmbH an der Seite. Die Diomedes GmbH wurde 1998 gegründet mit dem Schwerpunkt der Optimierung patientennaher Prozesse. In den letzten zehn Jahren hat sich ein weiterer Arbeitsschwerpunkt im Gesundheitswesen herausgebildet: die sektorübergreifende Vernetzung, die Begleitung von ambulanten Einrichtungen in Wachstums- und Veränderungsprozessen, die Beratung von Investoren, die Sicherung der medizinischen und pflegerischen Versorgung und die Konzeption von Ärztehäusern, Gesundheitszentren, (kommunalen) MVZ und Genossenschaften sowie der Betrieb von ambulanten Einrichtungen.
Dr. Martin Felger, Geschäftsführer der Diomedes, geht in seinen Konzepten davon aus, dass es für niedergelassene Ärzte durchaus interessant sein könnte, sich dem PVZ Bad Waldsee anzuschließen. „Stellen Sie sich vor, ein Arzt arbeitet 50 Stunden in der Woche in seiner Praxis. Dabei hat er 30 Stunden für die Patienten und 20 Stunden Verwaltungstätigkeit. Im PVZ ist er von der Verwaltungstätigkeit völlig befreit. Er kann sich also 30 Stunden seinen Patienten widmen und sich in den 20 verbleibenden Stunden auf seinen Ruhestand vorbereiten oder, wenn er will, 50 Stunden ganz und gar seiner eigentlichen Arbeit am Patienten widmen.“ Auch für junge Ärzte, die das Risiko einer eignen Praxis scheuen, sei das PVZ eine interessante Alternative. Sie können selbstständig arbeiten, ohne das unternehmerische Risiko zu tragen.
Erweitertes ambulantes Versorgungsangebot (EAV)
Das EAV ist eine „Bettenführende Einheit zur medizinischen und pflegerischen Versorgung“. Was ist darunter zu verstehen? Auf jeden Fall keine Wiederbelebung des Krankenhauses. Im PVZ sollen Betten vorgehalten werden für Patienten, die sich zwar zu Hause nicht selbst versorgen können, aber keine Krankenhaus-Überwachung benötigen. Auch hier fand Professor Rentzsch ein treffendes Beispiel. Angenommen, ein älterer, alleinstehender Patient benötigt eine Infusion. So kann er diese im Bett der EAV-Einrichtung erhalten.
Wann werden die Pläne Realität?
Wie weit die Pläne schon gediehen sind, umriss Dr. Felger von Diomedes: das Konzept für das hausärztliche gMVZ im Gebäude des Krankenhauses stehe, die Konzepte PVZ und EAV seien noch in Arbeit.
Das ist sicher: Am 3. Juli ist ein Chirurg vor Ort
Zum 3. Juli ist wieder ein Chirurg, Dr. Merk, im Krankenhaus. Und wenn Sie sich verletzen, Arm oder Bein brechen, ist er Ihre erste Anlaufstation. Vorausgesetzt, es passiert Ihnen nicht in der Nacht oder am Wochenende. Im akuten Notfall heißt es am Wochenende oder nachts, die 112 zu wählen und den Rettungswagen zu rufen. Notfälle sind neben schweren Unfallverletzungen auch lebensbedrohliche akute Erkrankungen oder Vergiftungen, bei denen die Anwendung lebensrettender Maßnahmen im Vordergrund stehen.
In dringenden, aber nicht lebensbedrohlichen Fällen wählt man 116117 – die bundesweite Nummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst, auch Notdienst genannt. Dort wird man an die Bereitschaftsdienstpraxen verwiesen, die man aufsuchen kann. In einigen Fällen kommt ein ärztlicher Bereitschaftsdienst auch zum Patienten nach Hause – dann, wenn der Gesundheitszustand es nicht erlaubt, in eine Praxis zu kommen, oder die betreffende Bereitschaftspraxis nicht besetzt ist.
Erwin Linder
Diese Grafik informiert über die Zielsetzung der Großen Kreisstadt auf dem Weg zu einem leistungsfähigen Gesundheitszentrum in Bad Waldsee.
Grafik: Diomedes
Schematische Darstellung des Aufbaus des geplanten Primärversorgungszentrums. Am 3.7. geht der Baustein OSK MVZ in Betrieb.
Grafik: Diomedes