Bergatreute - Am Sonntagabend (16.4.) stellte Paul Sägmüller in der Gemeindehalle Bergatreute sein neues Buch vor. Unter dem Titel „Zum Wohlsein – Bergatreuter Wirtschaftskunde & das Allerneueste von Vorgestern“ gibt der bekannte Heimatforscher einen tiefen Einblick in die Brauerei- und Wirtschaftswesen seiner Heimatgemeinde.
Kurz vor 19.00 Uhr waren die bereitgestellten etwa 70 Sitzplätze in der Gemeindehalle Bergatreute alle besetzt. Und noch immer strömten Leute herein, die Paul Sägmüller erleben wollten. Stühlestapel um Stühlestapel karrte der Hausmeister heran. Zum Schluss waren es exakt 103 Besucher, die gespannt auf Paul Sägmüller warteten.
Ein begnadeter Geschichtenerzähler
Paul Sägmüller ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, ein schwäbischer, aus Bergatreute. Kein Wunder, dass er den ganzen Abend „schwäbisch gschwätzt hot“. Wer Schwäbisch nicht verstand, tat sich ein bisschen schwer.
Nachdem er sich artig bei der Bürgerstiftung für die Unterstützung zum Projekt und bei den Besuchern für das Dasein bedankt hatte – „Schee, we’ma it alloi isch“ – zeigte er einen geschenkten Küchenwecker. „I ma immer wissa, wia lang so was goht. Zea Minuta oder a Schtund. Und wiaviel sind jetzt do mit’ra Proschdada und kennat it längar aushalte als a Dreiviertl-Schtund? Dumm‘r of fuchzg Minuta schtella.“
Und dann ging’s los mit der Buchvorstellung.
Teil 1 – Bergatreuter ortsGeschichte
Wenn Geschichte in der Schule mit soviel Witz unterrichtet würde, wie sie Paul Sägmüller seinen Zuhörern nahebringen konnte, wäre sie eines der beliebtesten Schulfächer.
Ob es in der Steinzeit schon Bergatreuter gab, ist ungewiss. Aber warum sollten hier nicht auch schon Menschen gesiedelt haben, wenn man in Reute erst vor ein paar Jahren ein steinzeitliches Dorf ausgegraben hat? Kelten, Römer, Alemannen, die ganze Völkerwanderung ist auch über Bergatreute hinweggezogen. Das kann man rückschließen aus den Ortsnamen. So steht zum Beispiel Reute für Rodung. Dieses und viele Beispiele mehr kann man in Sägmüllers neuem Buch entdecken.
Wissen Sie, was ein Grenzsteinzeuge ist? Hier wird es nicht verraten. Lesen Sie Paul Sägmüllers Buch, dann werden Sie es erfahren.
Und noch vieles andere aus der wechselhaften Geschichte dieses gar nicht so kleinen Dorfes in Oberschwaben. Von Wundern und Wallfahrten, von Kirchenneubauten und Flüchtlingswellen im 16. Jahrhundert, von Schultheißen und Unternehmern, von kühnen Stauseeprojekten und kaltschnäuzigen Bankern. 38 Seiten, die es in sich haben.
Teil 2 – Gasthäuser und Brauereien
In diesem, dem umfangreicheren Teil des Buches, widmet sich Paul Sägmüller zunächst dem „Adler“ und dem „Hirschen“, den Gasthäusern mit Brauerei und anschließend den weiteren Gasthäusern, die keine eigenen Braustätten hatten.
Sägmüller nahm seine Zuhörer mit auf eine Reise in die Brandkataster der vergangenen Zeiten. So konnten noch die Entwicklungsstufen einzelner Gebäude nachvollzogen werden.
„Wirtschaften wurden früher alle nach dem gleichen Grundriss erbaut. Nach der Türe kommt ein langer Hausgang, auf der einen Seite die Gaststube, auf der anderen die Wirtschaftsräume. Oben ein Saal. Und dann machte ich eine Entdeckung. Ich habe eine Wirtschaft nachgemessen. Die wurde neu aufgebaut. Und war zwei Meter länger und breiter als im Brandkataster. Die haben früher schon beschissen.“
Wirtschaft für Wirtschaft, Gebäude um Gebäude lernt der Leser kennen und dazu noch jede Menge Anekdoten. Wie die vom „Buijockeln“. Nur so viel sei verraten: „Bui“ ist schwäbisch und meint das Bein. Also, da war was mit den Beinen.
Wie gesagt, wenn Sie wissen wollen, was, lesen sie Paul Sägmüllers neues Buch. Es lohnt sich. Es hat 142 Seiten, kostet 22 € und ist in der Bäckerei Hoh in Bergatreute, in der Stadtbuchhandlung in Bad Waldsee sowie bei Paul Sägmüller direkt (Tel. 07527 / 1771) erhältlich.
Erwin Linder
Bilder aus dem Buch:
Der „Adler“ um 1910, bekränzt wegen eines festlchen Anlasses.
Der „Hirsch“ um 1907. Heute Elektro-Fleischer.
Die „Sonne“ in den 1930er-Jahren. Abgerissen 1956.
Schildwirtschaft „Rössle“ 1907. Man hatte damals schon Telefon. Das Auto gehörte nicht der Wirtsfamilie (wohl einem Gast; das erste Auto in Bergatreute schaffte sich Nudelfabrikant Ludwig im Jahre 1905 an). Das "Rössle" wurde 1971 abgebrochen.
Wirtschaft „Zur Krone“ um 1910. Heute ein Privathaus.
Wirtschaft „Zum Hasen“ um 1925. Heute das italienische Lokal "L Uva".
Nudelfabrik Ludwig in Bolanden im Jahre 1905. Lithografie, entnommen einem Rechnungskopf.
Viel Anekdotisches findet sich in dem Buch. So sei anno 1975 mal einer wegen einer Stammtischwette im „Adler“ mit seinm Krad auf dem „Adler“-Parkplatz kurzerhand über einen VW-Käfer gefahren. Die Zeichnung empfindet das kühne Unterfangen nach. Im Buch wird als Zeichner ein Ulo P. genannt; hinter dem Pseudonym verbirgt sich Multitalent Paul S.
Reich illustriert: eine typische Doppelseite in dem Buch. Foto: Erwin Linder