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Bad Waldsee - Eine Institution tritt ab: Mords Comedia hört nach 25 Jahren auf. Unser Reporter Erwin Linder hat sich mit Protagonisten dieser farbenfrohen Fasnetsgruppierung unterhalten, die über ein Vierteljahrhundert mit feinem Humor, garniert mit gekonnten Flötentönen, das kommunale Geschehen auf die Schippe genommen hat. Das „Aufsagen“ in den Wirtshäusern mit italienischem Schwäbisch war echte Fasnetskunst.

„Ein Moment voller Emotionen war unser Auftritt im Hasen am Fasnetsmittwoch“, erzählt Christoph Mayer. „Im Hasen als so große Gruppe aufzutreten geht ja fast gar nicht. So viele Leute, ein Riesen-Lärmpegel. Als wir reinkamen, sahen wir grade eine Lücke, in der wir uns aufstellen konnten. Dank unserer Stimmen drangen wir auch einigermaßen durch und konnten unser Programm durchziehen. Und als wir dann sagten, das ist das letzte Mal, standen alle Leute auf und klatschten. Da wurde es auch uns bewusst, dass jetzt eine Ära zu Ende geht und wir hatten Gänsehaut und Tränen in den Augen.“

Aufhören, wenn’s am schönsten ist
Jetzt nach der Fasnet sitze ich im Wohnzimmer von Daibers. Mit am Tisch Franz und Sybille Daiber, Christoph Mayer, Elmar Kibler, Hanne Frick und „Jacky“ Wieland. Wir blättern in Fotoalben der letzten 25 Jahre und schwelgen in Erinnerungen. „Man sollte aufhören, wenn’s am schönsten ist“, sagt Franzl Daiber. Nach 25 Jahren fühlen sie sich auf der einen Seite auf dem Zenit als Mords Comedia, da alle Mitwirkenden aber auch Ämter und Posten in der Zunft haben und für die Organisation der Fasnet zuständig sind, ist die Doppelbelastung aber kaum mehr zu stemmen. „Außerdem müssten wir unsere Texte jetzt langsam auf DIN-A4-Blätter drucken, sonst können wir sie bald nicht mehr lesen“, fügt lachend Sybille Daiber hinzu.

Fasnet hat sich gewandelt
Die Fasnet in Waldsee hat sich gewandelt, hat ein anderes Gesicht bekommen. Waldsee ist bekannt für seine tolle Fasnetsstimmung, deshalb gibt es einen Fasnettourismus. Viele kommen von außerhalb. Kennen sich mit der Fasnet in Waldsee nicht aus. Die Kneipen sind proppenvoll. Es ist wahnsinnig laut und die närrischen Gruppen kommen kaum mehr durch.

Daraus entstand dann die Idee, den närrischen Gruppen unter den Rathausarkaden eine Plattform zu bieten, auf der sie am Gumpigen und Fasnetsmontag um 20.00 ihre Programme vorführen können.

Wie alles begann
Der Start unsere Gruppe begann zehn Jahre vor Mords Comedia. Es war bei einer Jungelfer-Sitzung. Die Fasnet in Waldsee war seit zwei Jahren ohne Prinzengruppe. Der damalige Zunftmeister Gerold Klöckler kam in die Jungelfersitzung: „Ich gehe heute nicht nach Hause, bevor wir eine neue Prinzengruppe haben.“ Am Ende der Sitzung war eine neue Prinzengruppe geboren. Von 1987 bis 1996 als Prinzengruppe und ab 1997 als Mords Comedia prägten 14 Personen 37 Jahre ein wichtiges Stück der Waldseer Fasnet. Von Anfang an dabei waren Birgit Sonntag und Jacky Wieland, Hanne, Martina und Axel Frick, Thomas Jans, Anita Hepp, Ralph Zell, Moni und Christoph Mayer, Franz und Sybille Daiber, Roland Haag, dessen Part als Capitano bald Hans Ehinger übernahm und last but not least Ulrike „Stiefele“ und Elmar Kibler.

Verbindungen zum italienischen Carneval
Nach zehn Jahren als Prinzengruppe war so viel Frauen- und Männer-Power in der Gruppe, dass man unbedingt mit etwas Anderem weitermachen wollte. Sehr bald war innerhalb der Gruppe klar, es muss Richtung Italien, Richtung Carneval sein. Denn der italienische Carneval war ja für die alemannische Fasnet in vielen Dingen Ideen- und Taktgeber. Alleine, wenn man sich die Fasnetsfarben anschaut, das Blau, Rot, Gelb und Grün – diese Farben stammen aus dem italienischen Carneval.

Entstehung der Mords Comedia
Sybille Daiber bekam ein kleines Büchlein über die Commedia dell’arte geschenkt. Die Commedia dell'arte entstand Mitte des 16. Jahrhunderts in Norditalien. Sie wird von Wandertruppen aus Berufsschauspielern praktiziert und zeigte Frauen zum ersten Mal als gleichberechtigte, wenn nicht gar überlegene, Figuren auf der Bühne. Die Commedia dell'arte zeichnete sich, zumindest in der Frühzeit, durch die Parteinahme für die unteren Schichten und durch eine volkstümliche Spielweise aus.

Commedia dell’arte und ihre Figuren
In der Commedia dell’arte treten feste Figuren auf. Die wichtigsten sind einerseits eine Reihe komischer Figuren, darunter die beiden Gauner „Zanni“, der dumme, stets hungrige „Arlecchino“ und der gerissene „Brighella“. Dazu kamen zwei alte Narren, der geizige Kaufmann „Pantalone“ und „Il Dottore“, ein schwächlicher, pedantischer Gelehrter. Einer dieser beiden hatte meist eine Tochter oder junge Gattin namens „Isabella“. Außerdem gab es ein junges Liebespaar „Amorosi“, den prahlsüchtigen Soldaten „Capitano“ und die kokette Dienerin „Colombina“.

In Anlehnung an das Original wurde aus der Commedia dell’arte die „Mords Comedia“ und die Figuren den „Schauspielern“ passend auf den Leib geschrieben. Auch die Kostüme, deren Farben und Schnitte wurden im besagten Büchlein gefunden und nachempfunden.

Die aufwendigen Kostüme
Wo bekommt man den Stoff für den Arlecchino? Gelb und rot, blau und grün gewürfelt musste er sein. Die Recherchen führten die Waldseer nach Italien. Von Bergamo bis Venedig durchstöberten sie Stoffhersteller, Theaterbühnen – nix. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als blauen, roten, gelben und grünen Stoff zu kaufen. Damit gingen sie zur Hymer-Polstermacherei, welche ihre Mithilfe anbot. Dort wurden aus den einzelnen Ballen Rauten in der richtigen Größe gestanzt und wiederum zu einem einheitlichen Stoffballen, jetzt vierfarbig, zusammengesetzt. Daraus konnten die Harlekine ihre Kostüme schneidern. Gottseidank hielt die vhs gerade zur rechten Zeit einen Kurs im Schneidern ab. Die Mords Comedia in Gründung belegte den kompletten Kurs und erhielt so wertvolles Schneiderwissen.

Wie aufwendig das ist, dass die Rauten dann zusammenpassen, wissen alle Schneiderinnen unter unseren Lesern. Zum Schluss noch kilometerlange weiße Bänder draufgenäht. Endlich war das Werk fertig. Die anderen Figuren ließen ihre Kostüme beim Schneider nach den Originalvorlagen machen. Die ganzen 25 Jahre mussten die Gruppenmitglieder auf ihre Figur aufpassen, denn neue Kostüme gab es nicht!

Flötenspiel nach Zahlen
Dann kam noch die Idee mit der Querflöte. Keiner konnte Flöte spielen und nur zwei konnten Noten lesen. Anita Hepp transkribierte die Melodien in Griffschemata für die Flöten. In Blaubeuren kannte man den Leiter des Spielmannszuges, der den Arlecchinos die richtigen Flötentöne beibrachte. „Da taten uns manchmal ganz schön die Finger weh, so fest drückten wir am Anfang auf unseren Flöten herum.“ Zu Marschformationsübungen traf sich die Gruppe im Ried, um unter Ausschluss des Publikums mit viel Platz ihre Formationen einzustudieren.

Texte und Übungsabende
„Am schönsten waren unsere Übungsabende. So zehn- bis fünfzehnmal trafen wir uns, um zu hirnen, die Texte zu schreiben, zu üben. Jedes Jahr gab es zwei verschiedene Programme. Nach dem Narrenrechtabholen, früher im Restaurant vom Grünen Baum, jetzt im Kornhaus, hatten wir ein Programm für die Politprominenz, die immer gerne nach Waldsee auf die Fasnet kommt. Und dann eines mit Lokalkolorit für unsere Auftritte am Donnerstag und am Montag.“

Mit ein bisschen Wehmut blättern wir noch in den Fotoalben. Nachstehend und oben Schnappschüssen aus den 25 Jahren und große Gruppen-Fotos – noch von Rupert Leser.

Text: Erwin Linder / Bilder: Repros von privat

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Repro 3

Repro1

 

 

 

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halloRV

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