Bad Waldsee - Die Stadt Bad Waldsee investiert in ihren Hausberg, die Grabener Höhe. In diesem Jahr wurde der Parkplatz neu gemacht. Nächstes Jahr kommt das Freizeitgelände dran. Anlass, an das Alpinum zu erinnern, das anno 1903 auf der Grabener Höhe eröffnet worden war.
„Wir haben spezielle Johannisbeersträucher zur Einfriedung des Parkplatzes gewählt“, berichtet Stadtförster Martin Nuber nicht ohne Stolz. Ribes sanguineum, so der wissenschaftliche Name der Sträucher, hat extra große Blüten und ist deshalb besonders insektenfreundlich. Weiter erhielt das an exponierter Stelle stehende Feldkreuz zwei schlank wachsende Vogelbeerbüsche zugesellt. Rosen verschönern noch das Kreuz.
1971: Neugestaltung der Freizeitanlage
Schon seit langem ist die Grabener Höhe Ziel von Naherholung Suchenden, von Sportlern und Liebhabern der phänomenalen Aussicht über das Wurzacher Ried bis hin zu den Alpen auf der einen Seite und zum Bussen hinüber auf der anderen Seite. 1971 hatte der Schwäbische Albverein aus Anlass der von der Stadt vorgenommenen Neugestaltung der Freizeitanlage zwei kupferne Panoramatafeln angebracht. Nachdem Vandalen diese verwüstet hatten, verschwanden die Tafeln im Fundus. 2016 hat die Stadt die Tafeln aufpolieren lassen und wieder am alten Standort angebracht. Leider sind die Tafeln schon wieder von Chaoten zerkratzt worden.
Im nächsten Jahr wird die Stadt eine weitere Infotafel aufstellen, auf der das Besondere der Grabener Höhe kompakt dargestellt wird. So soll an das Alpinum erinnert werden, das 1903 vom Schwäbischen Albverein auf der Grabener Höhe fachmännisch angelegt worden war. Grund und Boden hatte die Stadt Waldsee kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein Alpinum ist eine künstliche Berglandschaft mit der Flora der Alpen.
Fünf verschiedene Enzianarten
Gepflanzt worden waren seinerzeit unter anderem Edelweiß, Alpenrosen, Steinbrech, Orchideen, Primeln, heißt es im Artikel „Grabener Höhe soll Naturschutzgebiet werden“, der am 27. August 1969 in der "Schwäbischen Zeitung" erschienen ist und in dem der Autor, Landwirtschaftsschulrat a. D. Georg Wiedmann, auch auf die Aktivitäten des Schwäbischen Albvereins und hier insbesondere auf die Bemühungen der im Jahre 1900 unter Postsekretär Mahler gegründeten Ortsgruppe Waldsee und der von Lehrer Breimeier geführten Ortsgruppe Osterhofen eingeht (die Zone wurde dann am 1. 10. 1969 als „Landschaftsschutzgebiet“ ausgewiesen). Mehr als 100 verschiedene alpine Pflanzen hätten den in der ehemaligen Kiesgrube angelegten Alpengarten einst geziert, heißt es in dem Zeitungsbericht von 1969; dazu 150 Vertreter der heimischen Pflanzenwelt (SZ vom 2. 5. 1971). In einem Protokoll vom 23. 9. 1902 wurden allein fünf verschiedene Enzian-Arten – Frühlingsenzian, Kreuzenzian, Deutscher Enzian, Gefranster Enzian, Schwalbenwurzartiger Enzian – genannt. Manches stammte aus dem Waldseer Schlossgarten wie etwa die Aurikel, anderes aus dem Steinacher Ried wie der Wilde Rosmarin. An der Ruine Neu-Waldsee fanden die fleißigen Waldseer Albvereinler den Braunstieligen Milzfarn und Stadtförster Edelmann brachte vom Burgstock zwei Sitka-Fichten bei. Rosa Eisele meint, dass auch einzelne Waldseer von Ausflügen in die Berge Alpenpflanzen heimgebracht und im Grabener Alpinum gesetzt hätten. So heißt es in einem Albvereinsprotokoll von 1903: „Artemisia untellina – Edelraute, gepflückt auf dem Kaiserjoch bei Pettnau in Tirol.“
Carl Stärks Tafel
Uhrmachermeister Carl Stärk aus Waldsee stiftete 1903 eine Orientierungstafel, „welche die Namen all der Herrlichkeiten, die da oben zu sehen sind, angibt“, zitiert Wiedmann anno 1969 aus einem Bericht von 1903. Die Tafel war 1969 nicht mehr vorhanden. Anzunehmen ist, dass sie die botanischen Kostbarkeiten erläuterte und nicht – wie die 1971 angebrachten Kupfertafeln – die Schätze der Fernsicht darbot. Dafür spricht ein Zitat aus einem Bericht von Lehrer Breimeier im "Waldseer Wochblatt" von 1903, ebenfalls entnommen dem Wiedmann-Artikel von 1969. Breimeier hatte zur Eröffnung des Alpinums geschrieben: "Vor uns in der schützenden städtischen Kiesgrube liegt ein ganz eigentümlich angelegtes und bepflanztes umfriedetes Areal. Eine hochaufgesteckte Tafel besagt uns, dass wir angelangt sind vor einem Alpengarten, so genannt, weil hier fast ausschließlich alpine Gewächse (...) angepflanzt sind."
Nach Xaver Merks Tod
Bauer Xaver Merk aus Graben, der in den 1930er-Jahren gestorben ist, hatte die Anlage jahrzehntelang gepflegt. Nach seinem Ableben konnte man keinen Nachfolger finden und so verwilderte die Anlage. „Dazu kam, dass die allermeisten der seltenen alpinen Pflanzen gestohlen wurden“, klagt Wiedmann im Zeitungsbericht vom 2. Mai 1971. „Vor etlichen Tagen kam ein Besucher auf die Grabener Höhe – mit Auto-Kennzeichen WG – und brachte als ,Wanderausrüstung‘ einen Spaten mit zum Ausgraben von Pflanzen.“
Als die Alpen für die zunehmend motorisierte Bevölkerung allgemein erreichbar wurden, geriet das Grabener Alpinum ins Abseits und dann in Vergessenheit, so die Einschätzung von Ortsvorsteherin Rosa Eisele. Heute ist vom Alpengarten nichts mehr erkennbar; die fürs nächste Jahr zur Aufstellung vorgesehene Info-Tafel am Parkplatz soll auch an das einst mit so viel Liebe geschaffene Alpinum erinnern. Und auch an den vom Albverein 1904 angestrebten und bereits detailliert geplant gewesenen Aussichtsturm – der nie gebaut wurde (die Stadt Bad Wurzach plant in unseren Tagen unten im Ried seit geraumer Zeit einen Aussichtsturm).
754 Meter / 758 Meter
Die Grabener Höhe mit ihren 754 m gilt vielen als die höchste Erhebung im Gebiet der Stadt Bad Waldsee und damit auch des Altkreises Ravensburg; Lokalpatrioten wie Rosa Eisele werden nicht müde zu betonen, dass die Sebastianskapelle, knapp zwei Kilometer weiter südlich des Aussichtspunktes im Wald versteckt, etwas höher liege. Das bestätigt Stadtförster Nuber; sein Höhenmesser habe dort angezeigt, was auch in den Karten vermerkt ist, was aber allgemein nicht so bekannt sei: „Es sind 758 Meter."
Zwei weitere Besonderheiten
Im Zusammenhang mit der Grabener Höhe sei noch auf eine sportliche und eine kommunalpolitische Besonderheit hingewiesen: Seit 1988 richten die Bad Waldseer Radsportfreunde von der LRG Möhre alljährlich ihr Zeitfahren zur Grabener Höhe, zum oberschwäbischen Alpe d’Huez, aus. Und: Der im Jahre 1240 erstmals urkundlich erwähnte Weiler Graben gehört zwar kirchlich nach Haisterkirch, kommunalpolitisch ist er aber eine Exklave der Kernstadt Bad Waldsee.
Text / Fotos: Gerhard Reischmann
Die Stadt bittet die Autofahrer darum, sich beim Parken an diese Vorgabe zu halten.
Das Kupfer-Schild, das das Panorama jenseits des Wurzacher Rieds erläutert (die Aufnahme wurde an einem diesigen Tag im Spätherbst gemacht).
Die Information für den Blick nach Westen.
Das 1874 aufgestellte Feldkreuz an der Südwestecke des Parkplatzes wird eingerahmt von zwei schlankwüchsigen Vogelbeeren. Erkennbar sind auch die Rosenstöcke, die im Pflanzfeld vor dem Kreuz angesetzt wurden.
Stadtförster Martin Nuber erläuterte beim Ortstermin mit der Bildschirmzeitung die im Jahre 2022 realisierten und die für 2023 projektierten Maßnahmen.