Bad Waldsee - Am Sonntagvormittag (13.11.) startete in der Kleinen Galerie im Haus am See eine Ausstellung mit Fotografien des Ravensburger Fotokünstlers Wynrich Zlomke. Sie ist noch zu sehen bis zum 1. Januar 2023.
Fotografien. Als Ausstellung. Braucht’s das denn noch? Noch nie wurde so viel fotografiert wie heute. Die Qualität der Handys wird beurteilt nach Anzahl der Megapixel, die die Kamera verarbeitet. Ultraweitwinkel und Teleobjektive sind wie selbstverständlich in den kleinen Wunderwerken verbaut. Alle Plätze dieser Erde, alle Motive, sind schon fotografiert; es gibt Schnappschüsse ohne Zeitverzug auf Instagram, Facebook, Twitter, WhatsApp, Snapchat, Pinterest; jeder hat Fotobücher. Und da braucht’s wirklich noch sowas Verstaubtes wie eine Ausstellung in einem Museum?
Grade wenn wir von Bildern fast erschlagen werden, kommt eine Ausstellung wie die von Wynrich Zlomke zur rechten Zeit. In seinen „Zwischenbildern“ zeigt er Menschen, die sich Kunstobjekte im Museum anschauen. Was passiert mit den Menschen, mit den Objekten, wenn sie wieder zu einem gemeinsamen Objekt in der Fotografie werden?
Wie entstehen die Motive? Ist es Zufall, dass Zlomke bei einem Museumsbesuch über eine Spiegelung in einem Glaskasten auf die Idee kommt? Seine Kamera hat er immer dabei. Er wartet auf den richtigen, flüchtigen Moment, drückt auf den Auslöser. Einmal, zweimal, hundertmal? Das Bild entsteht erst im Kopf, erst dann in der Kamera. Zlomke will eine Aussage machen, dem Betrachter eine Botschaft senden. Kommt sie an? Im Betrachter der Zlomke‘schen Bilder entstehen neue Zusammenhänge, neue Assoziationen.
Die Hängung in der Kleinen Galerie zeigt zwei unterschiedliche Gesichter. Auf die Fotografien im Inneren Kreis, den man betritt, sobald man die Treppe ins erste Geschoss des Hauses am Stadtsee meistert, trifft die Bezeichnung „Zwischenbildern“ eindeutig zu.
Im Äußeren Kreis, der dem Besucher zunächst abgewandten Seiten der Ausstellung, sind die Themen andere. Hier lernt der Besucher den Blick des Fotografen für das Besondere kennen. Sei es bei der Stocherkahnfahrt auf dem Neckar, sei es bei einem Spaziergang um den Ravensburger Mehlsack, sei es bei der unscharfen Darstellung von Menschengruppen – wobei hier auch Photoshop bei der Postproduction nachgeholfen haben könnte.
„In dem er (Zlomke) die Momente einfängt, werden sie erst wirklich“, so Anne Boesenberg, Kunsterzieherin am Welfengymnasium in Weingarten, bei ihrer Einführung. „Wir sehen vieles an, sehen aber meist nichts, weil wir es nicht beachten. Von der Linse eingefangen und auf einen Bildträger gebannt, wird aus solch diffusen Eindrücken bewusste Wahrnehmung. Spannend ist auch die Frage, was aus einem Foto künstlerische Bilder macht. Auch hier müssen wir uns dazwischenbewegen, den zweiten und dritten Blick wagen und ihn mit unserer gewohnten Wahrnehmung abgleichen.“
Galerieleiter Axel F. Otterbach durfte sich über ein volles Haus freuen und bei der Begrüßung im Kleinen Saal im Obergeschoss des Hauses am See waren die ca. 50 Sitzplätze fast alle besetzt und einige interessierte Zuhörer mussten sich mit Stehplätzen an der Türe begnügen. Otterbach blickte auf ein Jahr mit, der Pandemie geschuldet, „nur“ fünf Ausstellungen zurück und bedankte sich bei allen, die ihn bei Organisation, Aufbau und Ablauf der Ausstellungen unterstützt hätten. Ohne viele fleißige Hände wären die Ausstellungen nicht zu stemmen. Er gab einen Ausblick auf das nächste Jahr mit wieder sechs Ausstellungen.
Kritik an der Kultur-Berichterstattung der SZ
Ein Thema lag Otterbach besonders am Herzen: „Der Kultur geht’s nicht gut!“ Besonders beklagte er sich, dass die Kultur keine Resonanz in der Presse fände. „Schauen wir doch mal auf die überregionale Kulturseite der Schwäbischen Zeitung. Seit Jahren wird nur noch mit dpa-Meldungen auf Veranstaltungen in New York und Mailand hingewiesen. Wenn mal was in Bregenz oder in Ulm gezeigt und darüber berichtet wird, muss man sich schon glücklich schätzen. Alle paar Wochen gibt es dann mal einen Bericht über eine Galerie in Oberschwaben oder so, dagegen können wir regelmäßig lesen, wie spannend der neue Tatort am Sonntag war. Erwarten wir nicht auch alle Informationen aus unserem Umfeld?“
Text / Fotos: Erwin Linder
Ausstellungsleiter, ausstellender Künstler, Laudatorin: Axel F. Otterbach, Wynrich Zlomke, Anne Boesenberg (von links).
Blick in die Ausstellung