Bad Waldsee - Fasnetslader Zelli zählte den Countdown, pünktlich um 11 Uhr 11 rasselte der Fasnetswecker und die Konfetti-Kanone schoss die neue Fasnet 2023 mit großem Knall und viel Rauch ein.
Die Sammlermusik war auch schon bestens eingestimmt und marschierte mit Elan und flottem Spiel voran. Die Elfer und Ehrengäste, allen voran OB Henne und BM Ludy, marschierten bestens gelaunt hinterher und versammelten sich um den Federlesbrunnen.
Zunftmeister Role Haag hieß alle herzlich willkommen, insbesondere OB Matthias Henne, der zwei Tagen zuvor seinen 40. Geburtstag gefeiert hatte und deshalb von allen Anwesenden mit einem Ständchen geehrt wurde.
Es ist das gute Recht des Narren, der Gesellschaft und insbesondere den Mächtigen einen Spiegel vorzuhalten. Das übernahm als Erster Fasnetslader Ralph Zell, der vor allem die Schließung unseres Krankenhauses und die Rolle, die Gesundheitsminister Lucha dabei spielte, aufs Korn nahm.
OB Henne zeigte sich an der Fasnet mit Humor und nahm die Bauarbeiten in der Stadt auf die Schippe, als er reimte, wie selbst seine Rathausmitarbeiter in der Stadt umherirren.
Die Bäckergesellen verteilten Zopfbrot an alle. Ohne Weintrauben, falls einer unter Zibebelesallergie leidet.
Zurück in die Achtziger und Neunziger
Nach einigen Schunkelrunden verkündete Zeremonienmeister Marco Ludescher das Fasnetsmotto 2023: „Starlight Express – mit Vollgas zurück in die 80er und 90er-Jahre“.
Franz Müller und Felix Schmidinger, die im Fasnetsleben als Büttel und Hofmarschall Lustiges und Peinliches an die große Glocke hängen, brachten ein „Best of“ ihrer Geschichten zu Gehör und baten immer wieder, ihnen doch Neues zuzutragen, denn sonst wüssten sie auch nichts zu erzählen.
Den Abschluss auf dem Federlesbrunnen machte Sven Hillebrecht mit zünftigem 80er-Jahre-Outfit.
Text und Fotos: Erwin Linder
Seit 2011 im Einsatz: der Narrenwecker für den Elften Elften. Man beachte die fünf Waldseer Originalmasken.
Unverzichtbar: die närrischen Kanoniere.
Fasnetslader Ralph Zell.
Zunftmeister Role Haag begrüßt das närrische Volk.
Die Bäckerbuben schneiden das Martinibrot an.
Büttel und Hofmarschall mit ersten Berichten zu "Großtaten" innerhalb der Stadtmauern.
Auch OB Henne gab Gereimtes zum Besten.
Das Waldseer Narrenjahr
Albert Ehrhart hat es ins Unterland verschlagen. „Em Seebär sei Junger“ haust in Göppingen. Sein Herz schlägt nach wie vor für die Waldseer Fasnet. Vor Jahr und Tag hat er dieses Gedicht aufgesetzt, das den Ablauf der Waldseer Fasnet wiedergibt.
Ein Sang aus Oberschwaben
Nach einer Idee von Hans Ehrhart („Seebär“)
Von Albert Ehrhart („Seebär“ jun.)
Fur Waldsees Narren weit und breit,
will ich beschreiben d´ Fasnetszeit.
Am Elften Elften, mitten in der Zeit
der Totenglocken und der Totensonntagsleut,
beginnt nach hergebrachter Sage
das Narrenjahr am Martinstage.
Noch kaum erkennbar
und auch nicht von Dauer
trägt jetzt der Mut´ge schon seinen Dachauer.
Vier Wochen vor der Weihnachtszeit
ist er gerüstet und bereit
jetzt schon das Elferlied zu singen
und zu parlieren von allerlei Narrendingen.
Des Narren Seele ist gespalten,
erkennbar gut an seinem Christbaumschmückverhalten.
Bewiesen durch die Rundfunksendung
wo Moscha Franz in närrischer Verblendung
als Zunftrat frank und frei bekannt,
dass er zum Narrenmarsche tanze
wenn er die Christbaumkugeln pflanze.
Die Weihnachtsfeierei, Gott sei‘s gedankt,
ist dann bald vorbei.
Der 6. Jänner eilt herbei,
genannt auch der Dreikönigstag,
an dem dann, wenn der Tag aufholt,
das Narrenkleid wird hervorgeholt.
‘s wird abgestaubt, gesichtet,
gestreichelt, hergerichtet
und Narren alt und jung
tun den ersten Sprung.
Dem Sammler juckt´s im Kittel
und mit dem Sammlermarsche zieht er zum Land hinaus.
Es fühlt der wackre Sammler sich dort grad wie zu Haus.
Begeistert mit dem Marsche Mann, Weib und auch das Kind
und ruht nicht, bis die Groschen im Sammlerbüchsle sind.
Es wird ein Lied erklingen,
das Sammlerherz erhellt,
wenn dann alle singen:
Es gibt kein schönres Leben
Als i führ auf dieser Welt
Der Bauer gibt mir z‘ essen
Und wenn is brauch, au Geld.
Drum tu i fleißig sammeln
mit meine tapfern Leut
und wo i bloß grad hinkomm
mei Gott, isch des a Freud.
Und kommt die letzte Stunde
Und mach i d´Augen zu
Ihr Bauern, Stadtleut, Räte
erst dann habt´s vor mir a Ruh.
Grad trotzdem wird gesammelt
auf Teufel komm heraus
Dass d´Meschkerle a Freud hond
Bei unserem Wächsebrauch.
Was etz dem Lied no fehlt
des wär a Melodie.
Drum froget Diescha Fritze,
der kriegt des au no hie.
Das Narrenrechtabholen,
ein Brauch aus alter Zeit,
wenn man da dabei ist,
noch nie hat man´s bereut,
lässt mich in Stimmung kommen.
Das Tschumdera, es klingt famos,
hallo Leut, etz isch Fasnet,
jetzt got´s erscht richtig los.
Der Gumpige naht mit großen Schritten,
der Narr nun innerlich zerstritten
und gespalten
wie soll er’s halten?
Springen mit dem Häs
(d´rnoch im „Kreuz“ an Leberkäs)
oder
Adlergassa Rälle
(d´rnoch in „Hirsch“ auf alle Fälle)
oder
zuschaun bloß am Rand
(d´rnoch in „Baum“)
s´isch au koi Schand
wenn dann d‘r Fritze auf em Tisch
und i mir Kuttla von dr Gosch abwisch.
Wie soll er’s halten?
Der Ruassig Freitag
zur Erholung wird benutzt,
bei Lutza Loni in Stoina
a Pfund Fleisch verputzt.
Am Fasnetssamschtig, was soll i tue?
Sol i luaga in Stoina odr in Urbach em Umzug zu?
Zuerscht Urbach odr vielleicht doch Stoina,
ma kennt grad ums Verecka moina
i könnt mi nimmermehr entscheida
bei dene viele Fasnetsfreuda.
Der Fasnetsmontag triumphaler
(im Vergleich zum Gumpigen auch internationaler),
denn am Umzug ach o Graus
a Aulendorfer schaut zum Häs heraus
… doch was sich liebt, das neckt sich,
in Bayern heißt es, „man derbleckt sich.“
Der Höhepunkt ist nun erreicht.
Doch eh die Fasnet wird gebleicht
am Schlossbach, nah beim Entenmoos
am Fasnetsdienstag auf dem Kinderball
do isch was los.
Der Zunft ihr Zukunft wie von Sinnen
tut hier zum Narrenmarsche springen.
An Sinalco geg den Durscht,
geg den Hunger a Soitawurscht,
etz au an Wecka no d´rzu
so gebet d´Meschkerle a Ruh.
Schon geht zu End der schöne Traum
und in laternenmattem Strahle
hinzu dem nassen Totengrabe
langsam der graue Aschermittwoch schreitet,
vom Fasnetspfarrer er begleitet.
D‘r „Seebär“ war´s für lange Jahr
und denn d‘r „Hemme“, etz Daibers Franz,
in alter Tradition, ganz wunderbar.
Ihm folgen klagend d´ Trauerleut,
koi Fasnet me ihr Herz erfreut.
An jedem Wirtshaus stockt´s,
d´r Trauerzug macht halt,
um siebene, ‘s ischt ziemlich kalt
und schauerlich der Ruf erschallt
als Antwort, wenn dr Pfarrer fraget,
ob se in der Beiz au scho waret
in der vergangnen Fasnetszeit?
„Überall, bloß do noit.”
Alte Fasnet Du, mit leichenstarren Augen
noch im Schellenkleid des Narren
schleichst so müd und krank
durch Waldsees enge Gassen
und suchst die Freud
die Dich verlassen.*
Oh Waldseer Fasnet,
all dem Irdischen entflohn,
versammelt trauernd sich zur Totenklage
nicht nur die Elfer um den großen Sohn.
Die ganze Narrenschar hält Wacht am Sarkophage.
Wohl haben Narrenfreud und Narrengeist
ihm Glück, Glückseeligkeit gebracht,
doch ist sein Ruhm, dass er vollbracht,
was andre Zünfte zu vollbringen,
zu oft vergebens sich bestreben.
Seinen Gedanken gab er Witz und Macht,
benutzte Weisheit, die das Narrenlied gesungen,
hat so mit sichrer Narrenkraft,
den Traum der Fasnet zu erhalten
in Wirklichkeit gezwungen.
So ward der Narr uns nun zum wahren Segensspender.
Die Zunft grüßt ihn,
den Sieger und Vollender.
Vom Schlossbach hoch die Nebel steigen
bis hin zum Biberacher Tor.
Der Narren jämmerlicher Klage
zum Himmel schwingt sich empor.
Erzitternd in der Abendluft,
herunter es vom Kornhaus ruft
das Totenglöcklein
hin ins Tal:
Es war einmal, es war einmal.
Im goldnen Glanz des Schlossbachs
treibt die Fasnet steinachwärts.
Zum wirklich allerletzten Male
erinnert sich das Narrenherz,
dass nicht verloren ist die Zeit,
denn am Dreikönigstage,
auf jeden Fall ist es bereit
die Narretei neu zu beginnen
um dann mit allen einzustimmen:
Am Dreikönigstage, wenn der Tag aufholt …
Der Anfang isch´s vom Elferlied
und Schauer über d´ Buckel rinnet
wenn se am Schluss vom Lied no singet
dass d´Narra aus der Gruft raus springet.
Dr Wächse, Nudler, Drille,
zu guter letzt dr Soifanille
und alle die Verblichenen
sie rufen dann AHA
und sind auf einmal da.
Als Narr denk ich
isch des it schee,
bischt auf em Friedhof amol he
wirscht jedes Johr zur Narrenzeit
aus deiner Erdengruft befreit.
Der Zunftrat singt,
das JUI - JUI – JEEH erklingt
dem Zunftmeister aus der Kehle springt.
Die Köpf sind rot
doch da spricht der Gevatter Tod:
„Heut singst Du noch, doch bald bischt tot.
In meinem Reich gibt’s nichts zu lachen,
drum rat ich Dir, lass es richtig krachen,
die Narrenwurst und auch den Böller
und iss, bis dass der Ranzen spannt
und sauf Dich aus dem Lot
hinein ins neue Morgenrot.“
Drum singen soll der Elferrat
die letzte Stroph
so oft es goht
und alle stimmen dann mit ein
der Zauber wirkt,
zu Ende ist der Narren Pein!
A H A
Die beiden Zeichnungen, Bestandteil eines zweiseitigen Faltblattes, stammen von Bildhauer Albert Josef Beyerle aus Bad Waldsee. Er hatte seine Werkstatt beim Schloss. Albert Ehrhart datiert die Zeichnungen auf 1960er-Jahre. Gedruckt wurden das Faltblatt von Viktor Liebel.
* In Anlehnung an „Der Bauernjörg“ von Eduard Eggert Stuttgart, Jos. Roth`sche Verlagsbuchhandlung 1893 (Archiv „Seebär jun.“)