Bad Waldsee - Trotz zunächst widrigen Wetters hatten sich am Sonntag (2.10.) knapp 700 Bürger und Bürgerinnen auf dem Gut-Betha-Platz versammelt, um erneut gegen die Schließung des Bad Waldseer Krankenhauses zu protestieren. Alle Redner sahen in der Schließung des Krankenhauses eine akute Gefährdung der gesundheitlichen Versorgung der Menschen im Norden des Landkreises.
Sonntag, 2. Oktober, kurz vor 15.00 Uhr. Die große Menschentraube steht im Nieselregen. Doch Punkt 15.00 Uhr dreht das Wetter und die Sonne bricht durch. Fast könnte man meinen, der Wettergott sei ein Mitglied der BI.
Oberbürgermeister Matthias Henne fordert ein Aussetzen des Schließungsbeschlusses für zunächst drei Jahre. „Setzen Sie ein Zeichen der Größe“, appelliert er an die Entscheidungsträger in Kreistag und Landratsamt. Es reiche nun mit der Schließerei landauf und landab. Die Notaufnahme in Ravensburg sei heillos überlastet. Er höre von Wartezeiten von bis zu elf Stunden. „Stellen Sie die Versorgung sicher!“ Mehrfach wird seine kämpferische Rede von Beifall unterbrochen.
Markige Worte kommen aus dem Munde von Thomas Bertele, Sprecher der Bürgerinitiative. Der Norden des Landkreises falle in ein „schwarzes Loch“ der Unterversorgung. Wo ist denn das MVZ (Medizinische Versorgungszentrum) geblieben?, ruft er in die Menge. Eine großspurige Ankündigung sei das gewesen und nichts als „Blabla“. Direkt an Landrat Sievers gerichtet, fordert er, das „unausgegorene“ Konzept außer Kraft zu setzen. „Stoppen Sie die Verlegung der Orthopädie von Waldsee nach Wangen. Halten Sie Bad Waldsee am Leben!“
Auch Kreisrat Rudolf Bindig (SPD) brachte den Landrat ins Spiel. Jener habe von der Geschäftsordnung her die Möglichkeit, eine Neuverhandlung des Schließungsbeschlusses vom Mai jederzeit und somit sofort auf die Tagesordnung des Kreisstages zu setzen. Eine Initiative aus dem Kreistag heraus dagegen habe frühestens sechs Monate nach einer Beschlussfassung die Möglichkeit zur Anfechtung. Dann sei man schon im November, dann sei es für eine Revision des Beschlusses vom Mai möglicherweise von den Fakten her schon zu spät. Bindig appellierte an den Kreistag: „Steuern Sie um!“ Es sei keine Schande, einen Fehler zu korrigieren. Was er aber erkenne, das sei eine „Bunkermentalität.“ Kategorisch forderte Kreisrat Bindig: „Bad Waldsee muss für Grund- und Regelversorgung erhalten bleiben.“ Gerhard Reischmann
Hier Zitate aus der Rede von Oberbürgermeister Matthias Henne.
„Durch die neuesten Entwicklungen an der OSK sehen wir doch alle, dass die Grund- und Notfallversorgung flächendeckend im Landkreis so nicht funktionieren kann!“
„Sie können doch nicht sehenden Auges die Gesundheitsversorgung in unserem Landkreis an die Wand fahren!“
„Eine Schließung unseres Krankenhauses hat nicht nur Auswirkungen auf die Waldseer Bürgerinnen und Bürger, sondern auch auf die Rehakliniken in der Region und auch auf die Patienten im gesamten Landkreis.“
„Fordere ich den Kreistag dazu auf, den knappen Beschluss vom 31. Mai um mindestens drei Jahre auszusetzen.“
„Bis heute ist es nicht klar, wie die Versorgung gewährleistet werden soll. Bis heute ist es nicht klar, wie ein zukünftiges medizinisches Versorgungszentrum in Bad Waldsee aussehen soll.“
„Ein Aussetzen des Beschlusses gibt den Patienten und den Beschäftigten Sicherheit, verhindert weitere Kündigungen und verschafft auch Ihnen Zeit. Haben Sie denn tatsächlich geglaubt, dass das „Team Bad Waldsee“ 1 zu 1 nach Ravensburg oder Wangen wechseln wird? Hören Sie auf, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur als „Stelle“ zu sehen! Sie dort einzusetzen, wo man sie gerade braucht – wie ein Gerät! Das sind Menschen!“
„Ist Ihnen bewusst, dass die momentane Strategie die Beschäftigten zur Kündigung veranlasst? Diese Kündigungswelle ist der Genickbruch der Grund- und Notfallversorgung in großen Teilen des Landkreises, nicht nur in Bad Waldsee.“
„Ist Ihnen bewusst, dass dadurch das Haus in Bad Waldsee vielleicht noch früher schließen muss – und das obwohl noch keine Nachfolgelösung in Sicht ist?“
„Wir benötigen eine Übergangslösung für die Grund- und Notfallversorgung bis zum Aufbau neuer medizinischer Strukturen! (...) Lassen Sie uns gemeinsam und vorausschauend eine zukunftsfähige Lösung erarbeiteten. Die Stadt Bad Waldsee beginnt bereits nächste Woche mit dem Projekt Primärversorgungszentrum. Wir sind bereit, eine Konzeption für die Menschen in unserer Region mit Ihnen zusammen zu entwickeln.
„Erfüllen auch Sie Ihren Auftrag! (...) Machen Sie uns nicht abhängig von einigen wenigen Groß-Krankenhäusern (...) Stellen Sie die Versorgung sicher!“
„Sehr geehrter Herr Landrat, werte Verantwortungsträger der OSK,
setzen Sie ein Zeichen für eine funktionierende Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung.“
OB Henne forderte, den Schließungbeschluss für drei Jahre auszusetzen. Neben ihm auf dem Podium (von links): Markus Nold, Rudolf Forcher, Thomas Bertele und (hinten, verdeckt) Franz Daiber, alle von der Bürgerinitiative Krankenhaus. Weiter auf dem Podium: Bürgermeisterin Monika Ludy und Kreisrat Rudolf Bindig.
Foto: Erwin Linder