Bad Waldsee - Das Regierungspräsidium Tübingen überprüft vom 12. bis 21. September Brücken im Alb-Donau-Kreis, im Landkreis Sigmaringen und im Landkreis Ravensburg. Im Bereich Bad Waldsee wird am kommenden Donnerstag, 15. September, das Urbach-Viadukt unter die Lupe genommen. Hierzu muss ein Fahrstreifen gesperrt werden. Es ist daher vorübergehend mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Das Urbach-Viadukt wurde in den Jahren 1960/61 erbaut. Bilder vom Bau finden Sie am Ende des Artikels.
Von Montag, 12. bis Mittwoch, 21. September, führen die Bauwerksprüfer des Regierungspräsidiums Tübingen die sogenannte Hauptprüfung nach DIN 1076 an Brücken im Alb-Donau-Kreis, Landkreis Sigmaringen und Landkreis Ravensburg durch. Bei der alle sechs Jahre stattfindenden Hauptprüfung werden sämtliche Brückenbestandteile handnah geprüft. Die Prüfung erstreckt sich insbesondere auf die Bauwerksteile, die für die Tragfähigkeit, Standsicherheit und Verkehrssicherheit des Bauwerks maßgebend sind. Weiterhin richten die Bauwerksprüfer ihr Augenmerk auf mögliche Abnutzungserscheinungen, die an den Brücken durch die Verkehrsbelastung sowie durch äußere Einwirkungen wie zum Beispiel Witterungseinflüsse und Tausalze entstanden sind. Diese Prüfung kann mit der TÜV-Prüfung von Fahrzeugen verglichen werden. Im Regierungsbezirk Tübingen werden insgesamt über 1620 Brücken turnusmäßig einer solchen Prüfung unterzogen.
Das Brückenuntersichtgerät
Bei diesen Prüfungen kommt ein sogenanntes Brückenuntersichtgerät zum Einsatz. Dieses sechsachsige Spezialfahrzeug mit einem Gewicht von 35 Tonnen, einer Länge von zwölf Metern und einer Höhe von vier Metern fährt im Bereich des rechten Fahrstreifens und bietet den Prüfern über eine schwenk- und ausfahrbare Arbeitsbühne den Zugang zur Brückenunterseite.
Für den Einsatz des Fahrzeuges muss auf den betroffenen Straßenabschnitten ein Fahrstreifen gesperrt werden. Es ist daher mit temporären Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Das Regierungspräsidium Tübingen bittet die Verkehrsteilnehmer für die unvermeidbaren Beeinträchtigungen um Verständnis.
Nachstehend eine Erinnerung an den Bau des Urbach-Viadukts in den Jahren 1960 / 1961. Geplant ist bekanntlich, dass das Viadukt in absehbarer Zeit neu gebaut wird.
Erinnerung an den Bau der Ost-Umfahrung Bad Waldsees (B30) in den Jahren 1960 und 1961
Am 6. August 1961 wurden die Ost-Umfahrung Bad Waldsees und damit auch das Urbach-Viadukt feierlich eröffnet und für den Verkehr freigegeben. Kurt und Franz Spehn, damals zehn und zwölf Jahre alt, erinnern sich bestens an den Bau der beeindruckenden Überführung über das Urbach-Tal.
Etwa ein Dutzend Urbacher, oft junge Bauern, haben auf der Großbaustelle geschafft. Und die fremden Arbeiter – federführend beim Bau des Großprojektes war die Baufirma Philipp Holzmann – waren in Urbach und Umgebung einquartiert, zumeist bei den Bauern. Im „Rad“, das damals noch keine Fremdenzimmer hatte, und in der „Linde“ in Mittelurbach sowie in anderen Gaststätten haben die Arbeiter abends warm gegessen. Hochinteressant anzusehen für die Spehn-Buben war die Bauhütte, die sich hoch droben auf dem von Nord nach Süd wachsenden Viadukt befand – natürlich nicht zugänglich für die zwei Jungs.
Die Ost-Umfahrung – von Bad Waldsee Nord (bei Hymer) bis Heurenbach – hat einschließlich Viadukt elf Brücken; der Bau dauerte nach Erinnerung der Gebrüder Spehn mindestens anderthalb Jahre und kostete laut Zeitungsbericht insgesamt knapp zehn Millionen Mark.
In den anderthalb Jahren hatten sich Freundschaften zwischen Einheimischen und „Gastarbeitern“ entwickelt. Nicht weniger als vier der Monteure blieben hier „hangen“: Sie heirateten ins „Königstal“. Ein weiterer baute ein Haus hier und zog her. Ein Urbacher wiederum heuerte beim Straßenbau an und ging fortan auf Montage in die Fremde.
Am 11. März 1961 erschien in der „Schwäbischen Zeitung“, die mehrfach über das damals wohl größte Bauprojekt Oberschwabens berichtete, ein Zwischenbericht, in dem hoffnungsfroh formuliert wurde, dass die Stadt Bad Waldsee bald „von den dröhnenden Kolossen der Fernlastzüge“ befreit werde.
Die Einweihung war ein Volksfest
Die Einweihung am 6. August 1961 war ein Volksfest, zu dem 3000 bis 4000 Menschen zusammenströmten. Der Festplatz war bei der Einfahrt Nord in die neue Umgehungsstraße. Selbstverständlich spielte die Stadtkapelle und die Chöre des Progymnasiums und der Volksschule sangen ihre Weisen. Regierungspräsident Birn richtete Grüße von Ministerpräsident Kiesinger aus und sprach davon, dass nun „der schlimmste Engpass“ im Oberland beseitigt sei. Auch Bundesverkehrsminister Seebohm ließ Grüße bestellen. Anwesend war nahezu alles, was im Oberland Rang und Namen hatte: die Landräte Saier Ravensburg) und Heckmann (Biberach), der aus Gaisbeuren gebürtige Bundestagsabgeordnete Eugen Maucher (Biberach), der Landtagsabgeordnete Dr. Brünner (Aulendorf) und viele andere mehr.
Nach dem großen Festakt an der neuen Straße – mit obligatorischem Durchschneiden des weißen Bandes – gab es auf Einladung des Bundesverkehrsministeriums und des Landesinnenministeriums für etwa 100 Gäste noch eine Nachfeier im Kurheimsaal. „Bürgermeister Faiß begrüßte sie als Hausherr des Kurheims und als Bürgermeister der Stadt Bad Waldsee aufs herzlichste und dankte der Bundes- und Landesregierung für das gelungene Werk der Umgehungsstraße“, schrieb die „Schwäbische Zeitung“ am 8. August 1961. Karl Faiß sprach von einem „Meilenstein“ in der Entwicklung Bad Waldsees.
Ost-West-Verbindung gefordert
Als Ehrenvorsitzender des ADAC-Ortsclubs Bad Waldsee dankte Fürst Franz von Waldburg-Wolfegg-Waldsee vom Standpunkt der Kraftfahrer aus für die Umgehungsstraße und sprach sich zudem energisch für die Planung einer Ost-West-Verbindung durch den oberschwäbischen Raum zur Entlastung des Bodenseeverkehrs aus.
Regierungspräsident Willi Birn dankte bei der Nachfeier für die „reizend gedeckten Tische“, die, wie die SZ schrieb, „der Gastlichkeit und der Küche des Kurheims wieder einmal das schönste Zeugnis ausstellten“. Weiter heißt es in dem Zeitungsartikel: „Für all die Gäste aus Bonn, Stuttgart, Tübingen und aus Oberschwaben war der Aufenthalt im freundlichen Saal des Kurheims mit seiner gediegenen und ansprechenden Atmosphäre ein vergnüglich verbrachter Abschluss der Verkehrsübergabe der Umgehungsstraße Bad Waldsee.“
Die persönliche Einladung für Mittelurbachs Bürgermeister Ottmar Oberhofer zu dieser Nachfeier ist im Ortsarchiv Mittelurbach noch vorhanden. Eine hübsche Zeichnung ziert die Einladung: im Vordergrund der elegante Bogen des Urbach-Viadukts, im Hintergrund die heimelige Silhouette der Kurstadt mit Wurzacher Tor und den Türmen von St. Peter.
Gerhard Reischmann
Erstveröffentlichung des Artikels am 6. Oktober 2011 im Amtsblatt der Stadt Bad Waldsee (Seite 9)
Anmerkung: Der Zeitzeuge Kurt Spehn ist mittlerweile leider verstorben.
Hier sieht man im Hintergrund die Erdarbeiten Richtung Bad Waldsee Nord; links von der Stahlkern-Konstruktion ist das Verschiebegleis des Baukrans zu erkennen.
In luftiger Höhe.
Der Baukran ...
... bringt Verschalungsbretter herbei.
RR-Archivbilder (Georg Hartl)
Ein Bild aus unseren Tagen: Brückenuntersichtgerät während der Arbeit. Foto: Volker Weber (RP)