Am 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen (1. September 1939) hat unser Nachbarland einen 500 Seiten starken Bericht vorgelegt, der die Gräuel der deutschen Besatzung detailliert darstellt. Es ist der erste Band einer Dokumentation des Schreckens, dem noch weitere Bände folgen sollen. Auf 1,3 Billionen € werden die Weltkriegsschäden von polnischer Seite beziffert. Dafür fordert Polen Wiedergutmachung, spricht immer häufiger von Reparationen.
Keine Frage, es ist eine Schande, was Deutschland Polen angetan hat. Unendlich viel Leid kam über das Nachbarland.
Aber wir haben dafür bezahlt: Pommern, Schlesien und der südliche Teil Ostpreußens sind abgetreten, auch die einst deutsche Stadt Danzig gehört heute zu Polen. Millionen Deutsche wurden aus den genannten Gebieten vertrieben und entschädigungslos enteignet.
Will man das staatsrechtlich übereignete Land ökonomisch bewerten, kommt man auf astronomische Summen. Setzt man pro Quadratmeter offenes Land einen marktüblichen Wert von 5 € an und für infrastrukturell erschlossene Gebiete 100 € und legt man hier einen Schlüssel von 80:20 bei 100.000 qkm an, so kommt man auf einen Grundstückswert von 2,4 Billionen €.
Das gehört eben auch zur Wahrheit.
Aufrechnen ist im zwischenstaatlichen Verhältnis nie gut. Aber diese Zahlen müssen schon auch genannt werden. Eine starke Freundschaft hält diese Wahrheit aus.
Zur Wahrheit gehört auch, dass Polen dasjenige Land ist, das per Saldo am meisten EU-Geld bekommt. Im Jahre 2020 war Polen mit rund 13,2 Milliarden Euro der größte Nettoempfänger der EU. Deutschland war 2020 mit rund 15,5 Milliarden Euro der größte Nettozahler der EU. Seit 2004 ist Polen Mitglied der EU und stets war es ein Empfängerland.
Polen hat viel gelitten. Polen hat aber auch viel bekommen.
Es ist Zeit, sich die Hand zu reichen und gemeinsam die Probleme der Zukunft anzupacken.
Die Dokumentation ist wichtig. Was geschehen ist, darf nicht dem Vergessen anheimfallen. Diesen Zweck erfüllt die Dokumentation; insofern ist sie zu begrüßen.
Gerhard Reischmann
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