Aulendorf - Der Bahnhof Aulendorf in einer Stadt mit 10 000 Einwohnern wird täglich von 7500 bis 8000 Fahrgästen frequentiert und ist schon deshalb ein geeigneter Ort für einen Experten-Dialog zum Thema ÖPNV, der vom Ortsverband Die Grünen Aulendorf veranstaltet wurde.

Die Bahn- und Mobilitätsexperten, die nach Aulendorf zu einem Ortstermin gekommen waren, sind: Matthias Gastel, Abgeordneter des Deutschen Bundestag, Bernd Hasenfratz, der neue Geschäftsführer von bodo, Manfred Blumenschein von Pro Bahn und Kreisrat Bruno Sing zusammen mit Bürgermeister Matthias Burth aus Aulendorf.  Vor der Diskussion im Café Schlossgarten schaute man sich am Bahnhof die Punkte an, die im Zuge einer anstehenden Modernisierung des Bahnhofs zu verbessern wären.

Wichtige Information des Bürgermeisters
Neuester Stand, den der Bürgermeister tagesaktuell mitbrachte, soll dieser Umbau im März, April 2026 beginnen und bis Januar 2029 abgeschlossen sein. Einige Vorleistungen hatte die Stadt schon erbracht, den Bahnhofsvorplatz ausgebaut, eine neue und wie zu besichtigen war, sehr saubere öffentliche Toilette für 100 000 € installiert und einen Fahrradabstellplatz geschaffen. Noch gibt es aber keine Möglichkeit für eine Gepäckaufbewahrung oder auch die Möglichkeit, ein Fahrrad sicher einschließen zu können.

Problem in Kißlegg
Zwar existiert schon von Ulm bis Friedrichshafen ein 1/2-Stundentakt, aber wer die Allgäubahn über Kisslegg nutzt, scheitert oft dort an der zu knapp bemessenen 3-minütigen Umsteigezeit. „Wir müssen weg von 3 Minuten, sagt Hasenfratz, um einen Anschluss sicher zu machen, was mit ein wenig größerer Geschwindigkeit der Züge ins Allgäu machbar wäre. Die Bahn plant am Bahnhof in Aulendorf einen weiteren Bahnsteig in der barrierefreien Norm 55 cm hoch zu bauen, und damit die Zahl der Durchgangsgleise auf fünf zu erhöhen, womit auch der viel zu enge Bahnsteig 4, den die BOB-Bahn nutzt, ein Ende hätte.

Ein weiteres Hindernis am Bahnhof sind das nicht funktionierende Gepäckband oder auch die steilen Treppen, über die man nur schwer einen Kinderwagen, E-Bike oder gar einen Rollstuhl transportieren kann. Zu der Diskussion im Schlossgarten-Café haben sich auch die Gemeinderäte Ralf Michalski und Franz Thurn sowie einige Bahnfahrer:innen eingefunden. Gastel sitzt im Bundestag im Verkehrsausschuss und im Ausschuss für Tourismus und ist der Sprecher der Fraktion Die Grünen für den Bahnverkehr. In der Koalition sei das Ziel vereinbart, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln und den Güterverkehr von 18 auf 25 Prozent zu erhöhen. Von einer Erhöhung der LKW-Maut sollen 40 % in den Schienenverkehr fließen.

Eine große Aufgabe angesichts der Tatsache, dass zuletzt die Infrastruktur zurückgebaut und Strecken stillgelegt wurden. Heute fahren so viele Züge wie noch nie und das bei völlig überlastenden Netzen, betont Gastel, der damit erklärt, weshalb Züge zu spät kommen. Dennoch, der Bahnkunde möchte ein gutes Angebot und die Verbesserung soll mit 70 Vorschlägen und 355 Maßnahmen wie zum Beispiel kürzere Takte, zusätzliche Weichen und mehr Gleiswechsel umgesetzt werden, wie auch durch Sanierungen, mit dem Ziel, alle Maßnahmen während einer Sperrung zu erledigen.

Gastel: Das Deutschland-Ticket ist eine große Leistung
Analog dem Bahnverkehr in der Schweiz soll ein Deutschlandtakt geschaffen werden und die Infrastruktur solle sich dem Fahrplan anpassen, nicht umgekehrt für bessere und kürzere Reisezeiten. Eine große, vor zwei Jahren kaum vorstellbare Leistung sei das Deutschlandticket, preiswerter als das bisher günstigste Ticket im Raum Stuttgart.
Manfred Blumenschein aus Bad-Schussenried vom Fahrgastverband Pro Bahn ist Mitglied der Fahrplankonferenz Baden-Württemberg und damit an der Fahrplangestaltung beteiligt. Trotzdem fand er bisher kein Gehör für sein wichtigstes Anliegen einer durchgehenden Regio-S-Bahn von Ulm bis Friedrichshafen. Die BOB-Bahn von Friedrichshafen bis Aulendorf und die Regio-S-Bahn Ulm bis Biberach-Süd hinterlassen eine Lücke für Pendler aus Bad-Schussenried oder Mochenwangen. Hatte man noch auf Verbesserungen durch die 2026 vorgesehene Ausschreibung für den Regionalverkehr in Baden-Württemberg gehofft, wurde diese jüngst bis 2032 hinaus verschoben.

Der neue bodo-Geschäftsführer Bernd Hasenfratz hat Zahlen für das Deutschland-Ticket (Stand 21.06.23 ohne Kunden der DB) mitgebracht: 8774 Vertragskunden D-Ticket und 904 D-Ticket Job in bodo. Er fordert das bis Ende des Jahres finanzierte Ticket müsse konsequent weiterentwickelt werden und stellte auch das seit März 2023 gültige JugendticketBW für 1 Euro pro Tag heraus. Hasenfratz bekennt sich zum leidenschaftlichen ÖPNV-Nutzer und Macher.

Er ist neben seiner bodo-Tätigkeit im Vorstand der touristischen Räuberbahn von Aulendorf nach Pfullendorf und macht derzeit auch eine Ausbildung zum Lokführer für den Einsatz auf dieser Bahn. Der Aulendorfer Bürgermeister Matthias Burth erläutert, dass die Bahnunterführung komplett neu gestaltet werde und seit einem Jahr sei klar, auch das Bahnhofsgebäude werde modernisiert.

Die finanzielle Beteiligung der Stadt sei auf maximal 80 Euro pro Einwohner begrenzt. Zuletzt mussten sich die Experten kritische Fragen der Nutzer gefallen lassen, die für die Barrierefreiheit schräge Ab- und Auffahrten forderten. Auch sei das Tarifsystem nicht Familienfreundlich. Dem widersprach Hasenfratz und verwies auf sein Upgrade für 9,90 €. Generell seien Kinder von 0 bis 6 Jahren kostenfrei. Bruno Sing möchte W-Lan und Strom in allen Zügen, wobei die Anschaffung eines neuen Triebwagens fünf Jahre dauere, beklagt er. Ganz oben in der Priorität stehen bei Verbesserungen des Deutschlandtickets Studierende, deren Tarif um 60 % zum voll bezahlten Ticket verbilligt werden solle.

Für Nutzer abseits der Bahnlinie ist der Regiobus um 25 % ausgebaut worden und dieses Angebot müsse in die Köpfe der Leute, so Hasenfratz, der auch hier einen !/2 Stundentakt als Ziel für ein flexibel nutzbares Angebot ausgab.

Text und Bilder: Gerhard Maucher

30Grüne

 

Im Schloss-Café beim Fachgespräch. 

 

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