Aulendorf – Alle Plätze in den Zuschauerreihen besetzt, offensichtlich waren die Windkraftgegner zahlreich gekommen, begann die Gemeinderatssitzung im großen Sitzungssaal im Aulendorfer Schloss mit Einwohnerfragen zu den Windrädern im Röschenwald und dem aktuellen Stand dazu.
Bürgermeister Matthias Burth bestätigte, dass die Planungsunterlagen beim Landratsamt liegen.
Exakt vor drei Jahren fand eine Infoveranstaltung im Schulzentrum statt zu diesen fünf Windrädern, die die Windkraft Bodensee-Oberschwaben GmbH & Co. KG errichten will (siehe auch Bericht im Archiv diebildschirmzeitung). Geduldig beantwortete der Bürgermeister in der nächsten halben Stunde die Fragen zu Alternativen zur Windkraft, zu Schattenwurf und verwies zum Risiko im Brandfall auf die Ausführungen des Fachmanns, Dr. Matthias Pavel, der mit der Firma Uhl-Windkraft aus Ellwangen die vier Windräder im Bereich „Weiherwiesen/Unterrauhen“ im Tannwald zwischen Tannhausen und Steinach bauen will. Alternativen wie ein Fernwärmenetz für Aulendorf frage man im Rahmen des Quartierskonzeptes bei den Bürgern ab, eine generelle Diskussion über Windkraft wehrte er mit dem Verweis auf seine lokale Zuständigkeit ab.
Diese leitet sich aus der Umsetzung des Landesplanungsgesetzes her, die einen Fläche von 1,8 % für Windkraft in jeder Region bis zum 30.09.2025 vorsieht. Das Haus Königsegg-Aulendorf ist im Eigentum des Grundstückes „Weiherwiesen/Unterrauhen“, einer forstwirtschaftlichen Fläche und zusammen mit Uhl-Windkraft hat es seine Planung im Januar dieses Jahres dem Bürgermeister vorgestellt. Daraufhin habe man beschlossen, das Projekt gleich in der nächsten Sitzung des Gemeinderates vorzustellen.
„Wir wollen hier nichts verheimlichen“, so Pavel, der die Ermittlung der Eignungsgebiete erklärte, die sich anhand der Voruntersuchungen nach den Kriterien Abstand zu Siedlungen, Naturschutzgebieten, Land- und Bundesstraßen/Autobahnen, Wasserschutzgebiet Zone I und II, Windgeschwindigkeit, Belange des Militärs, des Richtfunks , sowie des angrenzenden Flugplatzes Bad Waldsee-Reute geprüft werde.
Derzeit wird von einer Nennleistung von 7,2 MW je Windrad ausgegangen, dass damit 3000 bis 4000 Haushalte ein Jahr mit Strom versorgen könne. Die Firma Uhl, 1991 gegründet mit 14 Mitarbeitern, hat bereits die Windkraftanlage in Saulgau-Renhardsweiler geplant und umgesetzt, und ist mit einer weiteren Windkraftanlage bei Hosskirch in der Umsetzung.
Geplant sind Windkraftanlagen mit 175 Metern Nabenhöhe, 172 Meter Rotordurchmesser und damit einer Gesamthöhe von rund 260 Metern. Wegen der bevorzugten Windrichtung West/Südwest sollen die einzelnen vier Anlagen nicht näher als der 5-fache Rotordurchmesser beieinander stehen. Durch eine eingebaute Löschanlage und Blitzableiter, sei die Enstehung eines Feuers sehr unwahrscheinlich. Das weitere Vorgehen beschreibt Pavel so: Standortplanung mit Detailerfassung, Gutachten und Abstimmung mit den Unteren Naturschutzbehörden dieses Jahr, Bundesimmissionschutzverfahren und Anhörungen 2024/25, Umsetzung, Kabelverlegung, Tiefbau, Errichtung und Inbetriebnahme dann 2025/26.
Aus den Gemeinderatsfraktionen spricht sich Pierre Groll (BUS) grundsätzlich für Windkraft aus, da Kohle und Gas endlich sind und aus Klimaschutzgründen nicht weiter gefördert werden sollen. Er würde gerne mit dem Gemeinderat die Anlage in Renhardsweiler besichtigen und fragt nach dem finanziellen Ertrag. Ausgleichsregelungen nach dem EEG, so Pavel, ergeben bei 12,5 Mio. Kwh 25.000 Euro pro Windrad und gesamt einen sechsstelligen Betrag.
Die Anlage refinanziere sich durch den Betrieb ohne Subventionen, wie zuvor aus Zuschauerkreisen vermutet, und die Vergütung erfolge nach Marktpreisen über die Bundesnetzagentur. Konrad Zimmermann (CDU) betonte den Abstand zur Wohnbebauung von 1.000 Metern und Oliver Jöchle (FWV) fragte, wieso solche Schneisen wie in Renhardsweiler in den Wald gehauen werden müssen.
Rainer Marquart (SPD) mit Blick auf den Windatlas kümmerte sich um den Windertrag und ertragreicheren Gegenden wie der Atzenberger Höhe. Dort war eine Windkraftanlage vorgesehen und konnte aus Naturschutzgründen nicht gebaut werden. Die Ortsvorsteherin von Tannhausen, das am nächsten an der beabsichtigten Anlage liegt, Margit Zinser-Auer lud Pavel zur Sitzung des Ortschaftsrates ein, die er gerne zusagte.
Auch eine Infoveranstaltung für alle Aulendorfer:innen wird noch folgen.
„Kommunen im Ausnahmezustand“
Eine Krise jage die nächste Krise, diese Stapelkrisen bedeuten, so Bürgermeister Matthias Burth in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes 2023, schwere Zeiten auch für Kommunen und einen Spagat zwischen Aufgaben und Leistungsfähigkeit. Die personellen und finanziellen Ressourcen werden knapper. Herausforderungen wie Klimawandel mit Trockenphasen und Starkregen, Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen, Kindergarten und Schulen, Sicherstellung der hausärztlichen Grundversorgung, der Breitbandausbau , alles keine orginäre kommunale Aufgabe.
Aber der Startschuss zum Neubau des Ärztehauses ist erfolgt, ein ärztliches Primärversorgungsnetzwerk eingerichtet und mit dem Neubau des Kindergartens sei man für steigende Kinderzahlen gerüstet.
Der Ausbau der Grundschule soll dem Anspruch auf einen Ganztagesbetrieb Rechnung tragen und in Sachen Klimaschutz habe die Stadt das Ziel bis 2035 klimaneutral zu werden. In Zahlen, die die Stadtkämmerin Silke Johler dazu beiträgt, sind es Investitionen im Jahr 2023 mit einem Volumen von 22.014.300 Euro, darunter Erweiterung Grundschule mit 4,927.000 €, Neubau Kindergarten mit 3.083.000 €, Sanierung Sporthalle mit 2 Mio. € und Neubau Schlammfaulbehälter mit 1 Mio. €.
Im Ergebnishaushalt 2023 der ordentlichen Erträge minus der ordentlichen Aufwendungen ergibt sich ein Plus von 539.200 €. Im Finanzhaushalt schlagen die Investitionstätigkeiten von 22.014.300 € zu Buche und ergeben eine veranschlagte Änderung des Finanzierungsmittelbestands von Minus 16.125.650 €. Eine Kreditaufnahme im Jahr 2023 im städtischen Haushalt zur Aufrechterhaltung der Mindestliquidität ist nicht erforderlich. Dafür ist aber ab dem Jahr 2024 die lang angesparte Liquidität aufgebraucht und jährlich eine Kreditaufnahme von 4,2 Mio. € im Jahr 2024 und insgesamt geplanten 9,5 Mio. € erforderlich. Im Finanzierungszeitraum von 2023 bis 2026 sind insgesamt über 88,6 Mio. € an Investitionen vorgesehen.
Die weitere Entwicklung wird von Faktoren wie Auswirkungen der Ukraine-Krise, die Ausschreibungsergebnisse und den Zuschüssen der kommenden Jahre abhängen und bleibt abzuwarten. Der geplante Schuldenstand Ende 2023 beträgt somit 20.052.825,58 Euro.
Auch angesichts dieser Beschreibung folgte der Gemeinderat später einstimmig der Resolution des Gemeindetags Baden-Württemberg an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mit der Botschaft: die Belastungsgrenze ist überschritten.
Einstimmig wurde auch die Ersatzbeschaffung eines Einsatzleitwagens für die Freiwillige Feuerwehr beschlossen. Das bestehende Fahrzeug sei das mobile Büro vor Ort, wichtig für die Dokumentation und die Protokolle für Versicherungen und nur noch bedingt einsatzbereit.
Folgen will der Gemeinderat auch wie andere Gemeinden im Landkreis einer Vereinbarung zur Bildung eines gemeinsamen Gutachterausschusses mit der Stadt Ravensburg. Insbesondere mit Blick auf die Grundsteuerreform und deren Umsetzung 2025 seien 1000 Kaufrechtsfälle eine notwendige Größe. Aulendorf darf bei 120-180 Fällen zwei Gutachter vorschlagen.
Mit 16 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme von Robert Rothmund (FWV) wurde die Schaffung einer zusätzlichen Stelle Leitung Sachgebiet Tiefbau für notwendig erachtet, die mit einem Jahresgehalt von 78 000 € brutto veranschlagt ist. Nach wie vor fehlt die Besetzung der Bauamtsleitung und da viele Aufgaben warten, wäre dies ein erster Schritt der dringend erforderlichen Personalverstärkung.
Text und Bilder: Gerhard Maucher



