Zum Essay von Julian Aicher zur Energiewende
Eine harmonieerfüllende Erzählung von Julian Aicher aus dem verklärten Rotis ruft uns zur bedingungslosen Gefolgschaft auf: zum deutschen Weg der Energiewende. Mit dem Schubkarren in der Hand, Solarplatten auf dem Dach, einer kleinen Wasserturbine im nahen Bach und einem feinen Gemüsegarten voll im Einklang mit der Natur stellen wir uns den globalen Wettbewerbern.
Bei so viel Glauben bleibt mir nur, an das „Glaubensbekenntnis zur deutschen Energiewende" zu erinnern, welches ich vor gut zwei Jahren an den Bruder im Glauben Minister Manfred Lucha geschrieben habe. Minister Lucha hat damals in unserer Region für den flächendeckenden Ausbau mit Windkraftanlagen geworben. Die Bildschirmzeitungzeitung hat das „Glaubensbekenntnis“ damals dankenswerterweise veröffentlicht. Hier der Link:
https://www.diebildschirmzeitung.de/diebildschirmzeitung/bad-wurzach/bad-wurzach-le/4525-das-glaubensbekenntnis-zur-deutschen-energiewende
Gut zwei Jahre später bedarf es keiner Korrektur an diesem Glaubensbekenntnis, aber es zeichnen sich gerade die düsteren Prognosen ab: Deutschland hat die höchsten Energiepreise, große Konzerne wandern ab und führende Industriemanager warnen vor der Talfahrt der deutschen Wirtschaft. Das überwiegende Bauchgefühl bei den Bürgern sagt, „das nimmt kein gutes Ende", und die politische Landschaft ist nervös im Umbruch. Und wenn der Wohlstandsverlust erst beim Bürger angekommen ist, dann Gnade uns Gott vor dem Druck auf der Straße.
Man kann die Welt nicht vom kleine Rotis aus sehen. 85 Millionen Menschen in unserem Land leben von unserer industriellen Kompetenz: Wir importieren fast alle Rohstoffe von Energie über Kupfer bis zu Futtermitteln und erzeugen daraus höherwertige Produkte, die wir dann in der Welt verkaufen. Für ein Zurück in die heile Welt von Rotis sind wir viel zu dicht bevölkert.
Nach so viel Emotionen zum emotionalen Aufruf von Julian Aicher nun einige wenige Fakten zur sachlichen Entgegnung:
• In die Energiebetrachtung ist immer der Gesamtenergiebedarf (fünfmal höher als der Strombedarf) einzubeziehen. Wir wollen ja auch noch die Autos und die Heizungen mit Strom versorgen und unsere Herstellungsprozesse über stromerzeugten Wasserstoff umbauen, von der Stahlherstellung über die Zementherstellung bis zur BASF.
• Solar und Wind sind nicht zur gesicherten Versorgung geeignet, zur Sicherung muss etwa die gleiche Kapazität an CO2-emittierenden Gaskraftwerken bereitgestellt werden. Das macht den scheinbar billigen Strom aus Sonne und Wind bei uns so teuer.
• Kleinteilige Technik kann nie mit Großer Technik konkurrieren. Kleinteilige Technik kann dagegen in Nischen (wie auf dem Hausdach) sehr wohl sinnvoll sein. China und USA investieren in riesige Solar- und Windparks nach Regeln der Wirtschaftlichkeit, nicht nach planwirtschaftlichen Vorgaben des Staates mit Subventionen nach Vorbild der alten DDR-Wirtschaft.
• Sonne und Wind sind flächenfressende Techniken, wenn sie im großen Maßstab angewandt werden. Beispielsweise lassen sich auf den ausgerufenen 2 % der Fläche von Baden-Württemberg lediglich 2100 Windräder der 5-MW-Klasse aufstellen und diese Räder ersetzen noch nicht einmal den Stromverlust von zwei abgeschalteten Kernkraftwerken und erfordern natürlich noch den Zubau von teuren Gaskraftwerken mit vergleichbarer Leistung. Aber 2 % unserer Landesfläche wird tote Fläche, weil in einem Windpark mit 300 m hohen Giganten kein Mensch mehr leben kann, dort keine Erholung mehr suchen kann und auch der Bauer sich nur mit Vorsicht unter den Rädern bewegen kann.
Abschließend der Schnelltest für jedermann: Für die tragende Säule Windkraft der Energiewende müssen lediglich vier Zahlen in Relation gesetzt werden (Fläche von Deutschland, künftiger Gesamtenergiebedarf, Jahresertrag und Flächenbedarf eines Windrades), so kann jeder nachrechnen, dass das zu einem Land führt, in welchem für Mensch, Tier, Natur und Landschaftserleben kein Platz mehr bleibt.
Das ist keine gute Vision, aber eine schlechte Ideologie.
Dr. Wolfgang Hübner, Dipl.-Physiker, Bad Wurzach
