Kisslegg / Isny - Der Maler Herwig Schubert hatte ein bewegtes Leben hinter sich, bevor er sich im Alter im Allgäu niederließ. Dort ist ihm nun eine eindrucksvolle Doppelausstellung mit Gemälden und Zeichnungen gewidmet, die ursprünglich zeitnah nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2019 geplant war. Für das Projekt haben sich die Städtische Galerie im Schloss Isny mit ihrer stimmungsvollen historischen Ausstellungshalle und die Galerie Huber in Kißlegg mit ihren modernen, hervorragend belichteten Räumen zusammengetan.

1926 in Salzburg geboren und in Darmstadt aufgewachsen, teilt Herwig Schubert mit vielen seiner Generation das Schicksal von Kriegsdienst und Gefangenschaft. In der Isnyer Ausstellung erinnern in einer Vitrine berührende Skizzen- und Tagebuchblätter des 18-Jährigen an diese Lebensphase. „All das Hässliche wird einmal ein Ende haben“, notiert er und äußert die Hoffnung, sich dann wieder der Natur zuwenden zu können. Nach dem Krieg studiert Schubert an der Stuttgarter Kunstakademie. Für einige Jahre unterrichtet er an der Kunsthochschule in Istanbul und vertritt später den Bildhauer Alfred Hrdlicka an der Stuttgarter Akademie, bevor er dort 1979 zum Professor für figuratives Malen und Zeichnen berufen wird.

In ferne Welten gereist
Über Jahrzehnte führen ihn monatelange Reisen, ja regelrechte Expeditionen, in so entlegene Weltgegenden wie etwa nach Island, Grönland oder in die kanadische Wildnis.

Bemerkenswert: die Zeichnungen
Eine Auswahl von Büchern in Isny und eine kleine Serie von Zeichnungen zu Melvilles „Moby Dick“ in Kißlegg zeigen Schubert auch als Illustrator. In den Phasen als freischaffender Künstler findet er offensichtlich immer wieder auch im Illustrieren von Werken der Weltliteratur einen Broterwerb. Diese sehr freien Tuschezeichnungen, in denen sich die Linien der Feder immer wieder zu schwarzen Flächen verdichten, überragen deutlich das, was in den sechziger Jahren in der Illustration gängig war. Auch in der Wahl der literarischen Stoffe von Robinson Crusoe bis Lederstrumpf zeigt sich die Affinität des Künstlers zu Regionen fernab der zivilisierten Welt und zu den monomanischen Einzelkämpfern, die sich dorthin vorwagen.

Die menschliche Figur, die freie Landschaft
In beiden Stationen der Ausstellung werden jeweils beide Schwerpunkte im Schaffen Herwig Schuberts, die menschliche Figur einerseits und die Landschaft andererseits, mit herausragenden Beispielen aus verschiedenen Werkphasen und Werkgruppen vorgestellt. In Isny dokumentieren zum Beispiel einige Zeichnungen in unterschiedlichen Techniken Schuberts Beschäftigung mit dem Porträt. Mit sich verdichtenden und vielfach überlagernden Bleistift-, Feder- oder Kugelschreiberstrichen erkundet Schubert hier jeweils die Physiognomie und damit das Wesen der Porträtierten.

Blickfang: Die "Reiterschlacht" von 1967
In Kißlegg ist den Figurenbildern Herwig Schuberts der große Ausstellungsraum gewidmet. Blickfang ist dort das monumentale Querformat seiner „Reiterschlacht“ von 1967. Obwohl es in diesem Gemälde durchaus noch Anklänge an klassische, etwa barocke, Darstellungen solcher Themen gibt, wird hier bereits ein Grundzug von Schuberts Malerei deutlich: Es geht dem Künstler mehr um das Wie als um das Was. Die Schlacht wird hier vorrangig mit dem Pinsel, also mit malerischen Mitteln, geschlagen.

Im gleichen Raum wird eine beeindruckende Serie von großen Hochformaten mit frontal erfassten Einzelfiguren gezeigt. Die Farbigkeit dieser um 1980 geschaffenen Gemälde ist nun stark zurückgenommen, manchmal fast fahl. Ähnlich wie in den Zeichnungen verdichten und überlagern sich auch hier in der Annäherung an die Figuren die Pinselhiebe und Farbpatzer der Eitempera zu regelrechten Farbkissen. Die Dynamik des malerischen Prozesses ist ganz offensichtlich das Entscheidende. Dass Schubert diese mit sich selbst ringenden Gestalten als Engel betitelt, irritiert einen kaum.

Auch in den Landschaftsbildern tritt das Motiv gegenüber den Spuren der malerischen Aktion deutlich zurück. In seinen Bildtiteln benennt Herwig Schubert zwar immer eine konkrete Landschaft. Sein Interesse gilt aber vorrangig dem elementaren Erleben der Urgewalten der Natur, die er dann im Malakt umzusetzen versucht. Das gilt schon für die noch leuchtend farbigen Island- und Grönland-Landschaften aus der Mitte der sechziger Jahre, die in Kißlegg gezeigt werden. Das gilt aber besonders für die späteren Landschaftsgemälde. Hier werden vom Künstler beobachtete Naturphänomene im Werkprozess offensichtlich geradezu nachvollzogen oder nachgeahmt. So darf die Farbe teilweise einfach nach unten fließen oder Flächen werden immer wieder übermalt.

Ein Schlüsselwerk
Extremstes Beispiel hierfür ist sicher das Werk „Cap Finistère“. Hier hat der Künstler die Farben, darunter schwefelige Orange- und Gelbtöne, in zahllosen übereinandergelegten Schichten zu zentimeterdicken Farbplatten auf die Leinwand gebracht. Das Gemälde erhält so fast die Anmutung eines geologischen Schaustücks. Bewusst haben die Isnyer ihre Ausstellung auf dieses Schlüsselwerk Schuberts hin ausgerichtet.

Bis 13. November respektive 8. Januar
Die Ausstellung in Kißlegg läuft bis zum 13. November, die Ausstellung in Isny bis zum 8. Januar. Es bleibt also genügend Zeit, sich beide Teile der Doppelausstellung, die sich sehr erhellend aufeinander beziehen, in Ruhe anzusehen. Die Wege lohnen sich.
Text und Fotos: Herbert Eichhorn

Städtische Galerie im Schloss Isny
mittwochs bis freitas 14.00 bis 18.00 Uhr; samstags / sonntags, an Feiertagen 11.00 bis 18.00 Uhr

Galerie Huber Kißlegg
Schloßstraße 58/1
Samstags und sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr

03Eich Landschaft auf Island 1964

Landschaft auf Island, 1964      

03Eich Engel 198081

Engel, 1980/81            

03Eich Stödt. Galerie Isny

Städtische Galerie Isny: Blick in einen Teil der Ausstellungshalle.  

03Eich Vitrine mit Buchillustrationen

Vitrine mit Buchillustrationen              

   

 

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