Zeit ihres Lebens war Chloe (Kiera Allen) ein kränkliches Kind. Mit 17 sitzt sie im Rollstuhl, verlässt ihr Zuhause so gut wie nie, ist voll und ganz von ihrer alleinerziehenden Mutter Diane (Sarah Paulson) abhängig. Doch dann entdeckt Chloe, dass ihre Mutter es womöglich nicht ganz so gut mit ihr zu meinen scheint, wie sie immer dachte. Sie gibt ihr falsche Medikamente, das Internet ist abgestellt. Chloe wird bewusst: Sie ist eine Gefangene in ihren eigenen vier Wänden. Und Diane hat nicht vor, Chloe wieder loszulassen.
Mit seinem Spielfilmdebüt „Searching“ gelang dem jungen Regisseur und Autor Aneesh Chaganty auf Anhieb ein Überraschungshit. Mit dem innovativen Desktop-Thriller konnte er sowohl das Publikum als auch die Kritiker begeistern. Über ein ähnliches inszenatorisches Alleinstellungsmerkmal wie der Vorgänger verfügt „Run“ allerdings nicht. Im Gegenteil, der Regisseur bleibt zwar dem Genre des Thrillers treu, setzt seine Geschichte aber erstaunlich routiniert mit düsteren, entsättigten Bildern und leichtem Sepia-Filter in Szene. Dabei fokusiert er sich voll und ganz auf seine beiden Hauptdarstellerinnen, die einen hervorragenden Job machen. Sarah Paulson, die durch die Serie „American Horror Story“ mit Anfang 40 einen eher späten Durchbruch in Hollywood feierte, unterstreicht in diesem Film einmal mehr ihre darstellerische Klasse und man fragt sich, warum ihr nicht schon viel früher große Rollen anvertraut wurden. Ebenso überzeugt aber auch die Newcomerin Kiera Allen in ihrem Spielfilmdebüt. Die Schauspielerinnen entwickeln eine erstaunliche Mutter/Tochter Dynamik, die einen als Zuschauer schnell gefangen nimmt. Als Vorteil erweist sich dabei, dass der Regisseur durch die bewusst kurze Laufzeit des Films das Tempo überraschend hoch hält und die Story dabei überaus stringent voran treibt, glücklicherweise ohne dabei auf einen geradlinigen Aufbau zu setzen. Denn der Film hält so manche Überraschung bereit. Insbesondere mit dem finalen Twist dürfte in dieser Form wohl niemand rechnen. Schade, dass gerade das eigentliche Ende des Films dann doch etwas unspektakulär und vorhersehbar ausfällt. „Run“ kommt somit nicht ganz an „Searching“ heran, bietet Thriller-Freunden aber dennoch spannendes und unterhaltsames Futter.
Erscheinungsdatum: 15. Januar 2021
Laufzeit: 86 Min. / FSK: 16
Autor: Alexander Koschny