Oberstadion - „Gegen Antisemitismus – gegen das Vergessen. Der Erinnerung und der Hoffnung gewidmet“, so der Titel einer Ausstellung, die ab Oktober in Oberstadion zu sehen ist. Schon der Ort dieser Ausstellung, das Krippenmuseum, ist außergewöhnlich. Die auch während der Sonderausstellung zugängliche Dauerausstellung des Krippenmuseum beherbergt in der denkmalgeschützten Pfarrscheuer aus dem Jahr 1612 seit zwölf Jahren eine der bedeutendsten und größten Krippenausstellungen Europas.
Zur Eröffnung am 25. Oktober wird Bürgermeister Kevin Wiest Frau Esther Ellrodt-Freiman geb. Bitterwolf aus Frankfurt begrüßen, die ihre persönliche Geschichte zu Gehör bringt. Sie floh als Kind aus dem bombardierten und brennenden Dresden, wo sie mit ihrer Mutter bereits auf der Deportationsliste stand. Der Vater starb im Bombenhagel. Auch in Victor Klemperers berühmten Tagebüchern („Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“) wird die Familie Bitterwolf erwähnt. Mutter und Kind kamen zunächst auf die Schwäbische Alb nach Trochtelfingen, nicht weit von Oberstadion. „Meine Mutter dachte, sie sei in China. Sie hat anfangs kein Wort verstanden“, lacht die Referentin bei unserem Telefongespräch. Esther Ellrodt-Freimann von der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und Mitglied des „Rat der Religionen“ will mit ihren vielbeachteten Vorträgen Brücken bauen. Der Tenor und Kantor Nikola David von der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München wird die Ausstellungseröffnung musikalisch umrahmen.
Bei der Sonderausstellung sind im Krippenmuseum Bilder der Attenweiler Künstlerin Marlis E. Glaser zu sehen, deren Themenschwerpunkt seit Jahren die Schicksale jüdischer Frauen, Männer und Kinder aus Deutschland sind, die entwurzelt, vertrieben oder getötet wurden. Präsentiert werden Werke des 2005 begonnen Projekts „Abraham aber pflanzte einen Tamarsikenbaum“, in dem sie nachspürt, was aus den in Deutschland geborenen und teilweise dort aufgewachsenen Jüdinnen und Juden wurde, die flüchten konnten oder die in Konzentrationslagern oder Verstecken überlebt haben. Was wurde aus ihren Kindern und Enkeln? Über 200 Porträt-Zeichnungen und Gemälde zeigen biblische, historische und biographische Details vereint mit Bild- und Textzitaten aus alten hebräischen Büchern oder Symbolen jüdischer Feiertage. Einige davon sind in Oberstadion zu sehen. Dank Glasers Kontakten und des Engagements des Bürgermeisters der 1600-Einwohner-Gemeinde wurde die Sonderausstellung mit ihrem vielfältigen Begleitprogramm möglich.
Um Anmeldung wird gebeten: www.krippen-museum.de, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. 07357 92140.
Hier können auch Führungen u.a. von Marlis E. Glaser oder Bürgermeister Kevin Wiest im November, Dezember und Januar angefragt werden. Am 10. November um 19 Uhr referiert Prof. Dr. Hanspeter Heinz, Augsburg, zur Erinnerung an das November-Pogrom 1938 über Antisemitismus in der christlichen Tradition.
Autorin: Andrea Reck