Ummendorf - Wer genug Platz für Stall und Auslauf hat, kann mit Hühnern viel Freude haben. Brunhilde & Co. bleibt ein Leben in der Legefabrik erspart, und wir profitieren nicht nur in Form gesunder Eier von unseren neuen Mitbewohnern. Ein Selbstversuch.
Waren zu Beginn der Coronakrise Toilettenpapier, Hefe, Nudeln und Bildschirmkameras Mangelware, später Gummibänder zum Nähen von Mundschutz, so wurden mancherorts im Juni Trampoline, Gartenpools und Blumenerde knapp. Und – kein Scherz – Hühnerställe. Von den einfachen 150-Euro-Baumarkt-Modellen bis hin zum futuristischen vollisolierten Hühnerstall aus rostfreiem Edelstahl für über 4000 Euro.
Die kleine Marie hat keine Angst vor Henrietta.
Liegt es an Lebensmittelskandalen wie Dioxin in Eiern oder Etikettenschwindel bei Bio-Produkten, an der verstärkten Sensibilität gegenüber der Tierquälerei in der Massentierhaltung oder daran, dass man einfach mehr Zeit im eigenen Garten verbringt? Mein Mann jedenfalls, der von meiner Idee der Hühnerhaltung anfangs nicht gerade begeistert war, freute sich, über den Auftrag, den Stall selbst zu bauen. Vorsichtshalber reichte ich seine Bauskizze bei der Gemeinde ein und erfuhr, dass dafür eine Baugenehmigung notwendig wäre, da der geplante Stall inklusive Volière 20 Kubikmeter Rauminhalt knapp überschritten hätte. Wir verkleinerten die Maße auf ein „verfahrensfreies Vorhaben“. Zwar übertrafen die Kosten für Holz, Dachpappe, umweltfreundliche Imprägnierung und dergleichen bei weitem den Preis fertiger Einfach-Ställe, aber wir hatten viel Freude beim gemeinsamen Bau des Hühnerstalls. Wir orientierten uns dabei an dem bereits im Juni-BLIX erwähnten „Hühnerbuch“ der Unterwegers. „Sitzstangen in gleicher Höhe schaffen Frieden unter dem Hühnervolk“ oder „Höher gelegene Schlupflöcher sind nicht so ideal, da Hühner nicht gerne steile Hühnerleitern hinaufsteigen“. Wir holten uns auch Rat bei unserer Nachbarin, die jahrzehntelang auf ihrem Bauernhof Hühner gehalten hatte. Sie versprach, bei der Auswahl und Pflege der Tiere zu helfen. Als der Stallneubau auf dem überdachten Freisitz schließlich fertig war, lobte sie “Ha, des isch jo a richtigs Henne-Hodell!“.
Nachbarn helfen beim Umzug
Zwei ihrer Enkelinnen brachten auch gleich Namensvorschläge für die künftigen Hotel-Gäste: Henrietta, Frieda, Gerlinde, Elfriede, Berta und Greta. Ich ergänzte Brunhilde, der Stall-Bauer regte an, den Gockel Donald zu nennen. Nun musste das stabile Hotel mit einer Grundfläche von 250 auf 250 Zentimetern und einer Höhe von über zwei Metern an seinen Standort hinter der Scheune transportiert werden. Nachdem einige größere Äste auf dem Weg dorthin entfernt worden waren, kam der Sohn der Hühnerexpertin mit dem Traktor. Dank seiner erstaunlichen Rangierkünste und der Hilfe eines anderen Nachbarn gelang es schließlich, das gute Stück unbeschadet vom Bauplatz an den vorgesehenen Standort auf einem fuchs- und mardersicheres Fundament zu bringen. Der gegen Ungeziefer gekalkte Innenraum wurde mit 15 Zentimeter Einstreu aus Hobelspänen und Erde gefüllt, die drei von außen zugänglichen Legenester mit Heu ausgekleidet. Innenbeleuchtung und eine Notheizung für eisige Winternächte verstehen sich von selbst im Fünf-Sterne „Hennen-Hotel Ruckweg 2&3“.
Fehlen nur noch die Hauptpersonen. Auch sie sind derzeit vielerorts Mangelware. Große Freude, als wir Mitte Juli die 20 Wochen jungen Damen auf einem nahegelegenen Geflügelhof abholen können. Drei schwarze, drei weiße und zwei braune. Letztere sind „Grünleger“, legen also Eier mit grünlicher Schale. Als sie nach der Fahrt aus der Kiste in ihre neue Heimat hüpfen, sind sie anfangs ein bisschen ängstlich, entdecken aber bald Wasser und Futter, picken die Steinchen und untersuchen ihre Sandbadestelle. Bei Hähnen herrscht derzeit ein Lieferengpass, vorerst sollen sich die Damen also ohne Donald zwei Wochen in Stall und Volière einleben, ehe sie ins Freie dürfen.
Noch alles fremd hier: Die Hennen lernen ihren Stall kennen.
Das erste Ei
Immer wieder laufen wir zum Hennen-Hotel und freuen uns an dem Gurren und Gackern unserer neuen Mitbewohnerinnen. Ob die wohl wissen, dass der Stall mit Stangen auch betreten werden darf? Wohin sie demnächst ihre Eier legen sollen?
In der Dämmerung begeben sie sich jedenfalls nicht freiwillig über die Hühnerleiter in den Stall hinein, da muss ich unter Aufsicht der Nachbarkinder jede einzeln hineinsetzen. Auf die Stangen springen sie erst später. Als ich nach der ersten Nacht im neuen Heim morgens um sechs die Klappe öffne, gackern die Hennen munter, trauen sich aber erst nach einer Weile heraus. Am Vormittag kündige ich meinem Mann spaßhalber an, nachzuschauen, wie viele Eier schon gelegt wurden. Und potzblitz! – liegt da doch tatsächlich ein Ei in einem der drei Legenester auf dem Heu. So eine Überraschung! Ich weiß natürlich nicht, welches der Mädels ich für das artgerechte Begrüßungsgeschenk loben soll, gieße also für alle frisches Wasser ein und fülle das Futter nach. Die Hennen, vor allem die Schwarzen, werden schnell zutraulich. Von Melina, Lara und Marie lässt sich Greta schon am zweiten Tag bereitwillig streicheln. „Ins Bett“ spazieren die Hennen allerdings am Abend noch nicht ganz freiwillig. Aber die Mädchen müssen ja auch zwei Mal gerufen werden, bis sie sich von den Tieren trennen können.
Text und Fotos: Andrea Reck