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Mochental - Gleich zwei runde Geburtstage gilt es für einen außergewöhnlichen Kunstfreund zu feiern: Ewald Schrade, seit 50 Jahren Galerist, wird 80 Jahre alt.

 

Wegen des weltweit ersten Besen-Museums wird wohl kaum ein Besucher ins prächtige Barockschloss Mochental bei Ehingen kommen. Auch wenn dort Alltägliches und Skurriles zu bestaunen ist vom Allgäuer Stubenbesen bis zum kenianischen Affenschwanzbesen. Ewald Schrade hat Humor. Natürlich darf in direkter Nachbarschaft zu Exponaten renommierter Künstler der Hinweis auf die kulturhistorische Linie nicht fehlen vom steinzeitlichen Höhlenbesen zum eigenwilligen Künstler-Pinsel. Das um 1730 erbaute dreiflügelige Schloss gehörte früher zum Kloster Zwiefalten. Dessen Äbte nutzten das malerisch auf einem Hügel gelegene Anwesen als Sommersitz. Seit 1985 ist das Schloss in Ehingen-Kirchen Hauptsitz der Galerie Ewald Karl Schrade mit einer Ausstellungsfläche von gigantischen 2800 Quadratmetern.

 

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Das Geburtstagskind bittet seine Gäste im Festzelt zum Gruppenfoto auf die Bühne. Foto: Reck

 

Als er am 18. September an seinem 80. Geburtstag in der herbstlichen Nachmittagssonne im Schlosshof gut gelaunt die illustre Gästeschar begrüßt, frage ich, ob er eigentlich Mieter oder Schlossherr sei. „Das Schloss gehört dem Land Baden-Württemberg, ich habe es nur für 1,6 Millionen renoviert“, lacht er.
Spannend ist Schrades Konzept, regional verwurzelter mit überregional arrivierter und weltweit anerkannter Kunst zu verbinden. Bei der Jubiläumsausstellung „Schlaglichter aus 5 Jahrzehnten Galeriearbeit“ sind Werke der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart zu finden von Max Ackermann bis Susanne Zuehlke, der zweiten Frau des Jubilars. Auch regionale Künstler sind dabei, etwa die Attenweiler Künstlerin Marlis Glaser und der Dietenwengener Willi Siber. Glaser erinnert sich: „Ich wohnte noch in Bremen und kannte Mochental nur über Shmuel Shapiro, als Ewald Schrade anrief und mich 1997 einlud, Portraits auszustellen. Auf Anhieb wurden von 40 Bildern 36 verkauft, er hat mich in der Region bekannt gemacht, ich verdanke ihm wirklich viel.“ Siber erklärt auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit Schrade: „Wir sind seit 1983 lange Wege zusammen gegangen. Ewald Schrade hat mich sozusagen entdeckt. Er war der erste, der mich 1990 auf der Art Cologne gezeigt hat. Ich bin ihm zu Dank verpflichtet.“
Galerist Ewald Karl Schrade war 2004 Initiator und ist bis heute Kurator der art KARLSRUHE, einer der bekanntesten Kunstmessen in Deutschland. Der gelernte Modellbauer absolvierte nach einem Motorradunfall 1960, bei dem er als Neunzehnjähriger die rechte Hand verlor, eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Als selbstständiger Versicherungsmakler und Bankzweigstellenleiter in Reutlingen begann er, Kunstausstellungen zu organisieren.
Nach einem Sektempfang im Schlosshof finden die über 200 Gäste im offenen Zelt hinterm Schloss nicht alle Platz. „Es geht diesmal um Ihren Galeristen, die Künstlerinnen und Künstler mögen es mir verzeihen“, erklärt Schrade, ehe der erste Zeitzeuge aus der Reutlinger Zeit, den er um ein Statement gebeten hat, zu Wort kommt. Zum Thema „Vom Banker zum Galeristen“ fasst Hagen Kluck zusammen: „Die Tübinger haben den Geist, die Reutlinger das Geld. Schrade wurde geografisch genau dazwischen geboren – in Gomaringen. Er hat früh erkannt, dass Kunst unters Volk gehört und nicht nur ins Museum.“

 

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KUNST + NATUR - PUR in und um Schloß Mochental, damit wirbt Ewald Schrade für seine außergewöhnliche Präsentation von Kunst. (Robert Schad, Tabat, 2017, 100 mm Vierkantstahl).

 

Der Galerist mit dem schwarzen Borsalino

Lothar Müller, Maler und Kunsterzieher aus Kißlegg, erinnert in seiner humorvollen Rede an „den Galeristen mit dem schwarzen Borsalino im Allgäu“, wo Schrade mit seiner damaligen Frau Dorothea Räume für deren Kursbetrieb gefunden hatte. Als er in seiner Schloßhof-Galerie Radierungen von Günther Grass ausstellte und ihn zu einer Lesung einlud, kamen tausend Zuhörer, sehr zum Verdruss des damaligen Bürgermeisters, der den „roten Grass“ im schwarzen Oberschwaben nicht sehen wollte. Die Schloßhofgalerie Kißlegg war damals die einzige private Galerie zwischen Ulm, Lindau und Konstanz.
1985 kam der Umzug von Kißlegg nach Mochental. Schon zwei Jahre zuvor war Schrade ins Atelier von Willi Siber nach Dietenwegen gekommen. „Ich habe ihn als überraschenden Künstler immer wieder präsentiert“, erinnert sich Schrade, ehe er ihn zu Wort kommen lässt. „Das Schloss war immer einer Herausforderung für uns Künstler, hier hat sich die Kunst durchzusetzen, das ist doppelt spannend. 365 Fenster zeigen Bilder nach draußen in die Landschaft, das macht in der Wechselbeziehung mit der Kunst diesen Ort so einmalig. Hier lebt der barocke Geist, es ist ein Ort voller Sinnlichkeit“, preist Siber Schloss Mochental. Und fährt, an den Galeristen gewandt, fort: „Ihr habt dem Schloss Leben eingehaucht und unvergessliche Feste gefeiert, du und Dorothea. Es herrschte immer ein offener und liberaler Geist. Die meisten Werke wurden nach Mitternacht verkauft. Oft hatte ich Bedenken, ob sich der Käufer am Morgen wohl noch an seinen Kauf erinnert ...“
Trotz allem, „zum Landvogt war ich nicht geboren“, erinnert sich der umtriebige Galerist, “ich bin nach Karlsruhe gezogen und habe dort eine Galerie eröffnet“. Über diese Phase referiert Gerlinde Hämmerle, Regierungspräsidentin i.R., unter dem Motto „Ein Schwabe in Karlsruhe“. Die bekennende Südbadenerin erntet mit ihren persönlichen Erinnerungen viele Lacher. „Ewald Schrade kam damals mit der sehr absonderlichen Idee einer großen Kunstmesse nach Karlsruhe. Aber: Die Art Karlsruhe wurde eine echte europäische Institution. Er erwies sich als Visionär. Eberhard Schrade und Susanne Zuehlke sind heute nicht mehr wegzudenken aus der Karlsruher Kunstszene“, resümiert die alten Dame. Zum Schluss überbringt der amtierende Regierungspräsident aus Tübingen Klaus Tappeser die Grußworte des Regierungspräsidenten und begrüßt die anwesende Polit-Prominenz.
Ehe der Jubilar zum Büffet und zu einem Ausstellungsrundgang im Schloss einlädt, bittet er, „vergessen Sie nicht, ihre Masken wieder aufzusetzen“, und ruft die anwesenden Künstlerinnen und Künstler zu einem Gruppenfoto nach vorn. Denn, Ehrentag des Galeristen hin oder her, um sie geht es ihm immer.

Die Ausstellung Schlaglichter aus 5 Jahrzehnten Galeriearbeit“ läuft bis 19. Dezember. Galerie Schrade, Schloss Mochental, Mochental 1, 89584 Ehingen, Tel. 07375-418, Öffnungszeiten Di. – Sa. 13 – 17 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 – 17 Uhr. www.galerie-schrade.de.

 

Autorin: Andrea Reck

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