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Oberschwaben und die Alb werden von etlichen Eisenbahnstrecken durchzogen, einige waren jahrzehntelang stillgelegt. Inzwischen sind aber wieder welche reaktiviert. Bevor aber der Regelbetrieb läuft, fokussieren sich die Betreiber auf den Freizeitverkehr. Unser Autor ist mit der Räuberbahn zwischen Altshausen und Pfullendorf gefahren und hat dabei mit dem Rad die Gegend erkundet.

„Ah, mit der Räuberbahn seid ihr da!“, sagt Peter Weydemann als wir in seiner Galerie „Atelier Laubbach“ ins Gespräch kommen. Das sei ein kluger Marketing-Schachzug gewesen, die Bahn so zu nennen. Dann erzählt der Berliner, der vor 30 Jahren von der West-Berliner „Insel“ („wir sind von West-Berlin in den Westen geflohen“) mit seiner Frau in die kleine Ortschaft Laubbach bei Ostrach kam und dort ein altes Haus mit einer großen Obstbaumwiese gekauft hat, von der Namensgebung der Räuberbahn: Der einst berühmt-berüchtigte Räuber Schwarz Veri hat im 19. Jahrhundert mitten in Oberschwaben im Dreiländereck Hohenzollern-Sigmaringen, Baden und Württemberg sein Unwesen getrieben. Durch die Grenzverläufe bei Ostrach, wo alle drei Länderreihen zusammentreffen, kam der Räuber oft ungeschoren davon. 1819 wurde er gefangen genommen und ins Gefängnis nach Biberach gebracht. Dort starb Xaver Hohenleiter (so sein bürgerlicher Name) im gleichen Jahr an den Folgen eines Blitzeinschlags.

Mit Rad und Zug entlang der Strecke
So kam die Räuberbahn zu ihrem Namen, die seit 2018 auf der zuvor rund 50 Jahre lang stillgelegten Strecke immer im Sommerhalbjahr sonntags wieder fährt. Wir wollen eine Rad-Zug-Tour auf der Strecke unternehmen und beginnen in Altshausen.
Auf dem Radweg geht es Richtung Hoßkirch, bald überqueren wir zum ersten Mal die Zugstrecke der Räuberbahn. Neben blühenden Blumen- und Getreidefelder passieren wir Litzelbach und zweigen ab nach Kreenried. Die nördlichen Ausläufer der eiszeitlichen Jungmoränenlandschaft hinterließen die mal sanft ansteigenden, mal steiler werdenden Hügel. Über einen müssen wir auf dem Weg zum Hoßkircher See rüber und dürfen dann mit den Rädern auf der anderen Seite auf dem Teerweg ins Tal pesen. Über Käfersulgen geht es entspannt an der Bahnstrecke entlang, immer wieder passieren wir wunderschön hergerichtete Bahnwärterhäuschen bis wir nach etwa einer Stunde den Hoßkircher See erreichen.
Während wir uns auf den Holzsteg fläzen, fünfe grade sein lassen und Kindern auf dem Stand-up-Paddel zusehen, wie sie auf dem See Kopfstand machen, passiert gegen 11 Uhr die Räuberbahn mit lautem Gehupe in Sichtweite den wunderschön gelegenen Badesee. Nur eine Dampflok – die fuhr im Regelbetrieb bis 1964 mit echtem Dampf – könnte jetzt wohl noch idyllischer sein.

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Der Hoßkircher See lädt zum Entspannen ein.

Von Berlin ins Exil nach Oberschwaben
Für Kinder ist der See perfekt, weil nicht so kalt. Auf dem Gelände gibt es ein Café, ein Kiosk, Duschen und WC. Optimal für eine längere Rast. Wir dagegen wollen weiter und lassen uns auf dem Radweg Richtung Pfrunger-Burgweiler Ried treiben. Bei Unterweiler lassen wir uns vom Wegweiser nach Laubbach und dem dortigen Atelier inspirieren. Der Ort liegt oberhalb des Pfrunger Rieds. Gleich links am Ortseingang von Laubbach kann man an einem Hofcafé Rast machen. Das Café ist neu und der Parkplatz etwas zu groß dimensioniert. Wir dagegen haben unser Vesper dabei und picknicken auf der Obstbaumwiese beim Atelier Laubbach im Schatten und genießen die Ausblicke hinweg durch die Holzplastiken, die von verschiedenen Künstlern hier ausgestellt werden.
Und wir haben Glück: Der Künstler Peter Weydemann, der vor allem Druckgrafiken fertigt, ist an diesem Sonntag zu Hause. Seine Frau bemerkt uns im Garten und bittet uns herein, eine Privataudienz sozusagen. So erfahren wir vom Leben und Wirken des Exil-Berliners, den es in die Provinz verschlagen und der hier Wurzeln geschlagen hat.

Das Moor von Oben
Mit der Geschichte über den Räuber Schwarz Veri im Hinterkopf geht weiter über die Laubbach-Mühle zum Bannwald-Turm im Pfrunger Ried. Seit fünf Jahren kann man hier das Moor von oben betrachten. Der Turm ist ein ungeheurer Anziehungspunkt. Man sieht viele Familien mit Kindern, die mit dem Rad oder zu Fuß gekommen sind. Während die Sportlichen die 219 Stufen von den knapp 40 Meter hohen Turm überwinden und eine herrliche Aussicht bis zu den Alpen genießen, können andere unter alten Bäumen auf Holzbänken verweilen.

Ein Ort, drei Länder
Wir machen beides und bewegen uns bald – wieder gut genährt – auf den Rädern nur wenige Kilometer Richtung Burgweiler. Am Rande des kleinen Ortes ist das Grenzstein-Museum aufgebaut, das die markante Geschichte greifbar machen möchte (die Teilorte der heutigen Gemeinde Ostrach sind auf die drei Herrschaftsgebiete Baden, Württemberg und Hohenzollern verteilt). So toll diese Idee ist, die Gegend rund um Ostrach im Maßstab 1:200 nachzubilden, es braucht einiges an Vorwissen, um die Komplexität des Ortes zu erfassen. Aus museumspädagogischer Sicht bräuchte es eine einfachere Erklärung auf wenigen reduzierten Schautafeln.

Wir schauen auf die Uhr und ahnen, dass wir die eigentlich geplante Radtour nach Pfullendorf zeitlich nicht schaffen werden. Die Räuberbahn fährt an Samstagen, Sonn- und Feiertagen jeweils drei Mal in eine Richtung. Doch haben wir einen Plan B – der Bahnhof von Burgweiler ist nicht weit. Der hat eine Besonderheit, denn er ist bewohnt und der Gang zu den Gleisen geht über Privatgrund.
Die Fahrt zurück ist kurzweilig, Fahrräder werden kostenlos transportiert. Die Gegend fliegt an uns vorbei. Die Radtour ist auch mit Kindern gut zu bewältigen und macht Laune. Vielleicht könnte das touristische Konzept noch dahingehend ausgebaut werden, einen Räuber-Radweg mit markanten Schildern zu installieren.
Während der Fahrt hört man ein kleines Kind telefonieren. „Wir sind in der Räuberbahn!“, erzählt es eindringlich dem Gegenüber in der Leitung. Das Marketingkonzept der Macher mit der Namensgebung dieser wieder aktivierten Strecke scheint aufgegangen zu sein. 

 

INFO: Ausflugsbahnen in der Region

Neben der „Räuberbahn“ (www.raeuberbahn.de) ist auch die „Schwäbische Alb-Bahn“ zwischen Gammertingen, Münsingen und Ulm eine wieder aktivierte Bahnstrecke. Schon vor 20 Jahren ist hier der touristische Verkehr aufgenommen worden. Inzwischen gibt es einen regulären Fahrplan und die Züge verkehren zwischen Münsingen und Ulm regelmäßig, Schülerbeförderung inklusive. An zahlreichen Sonntagen während der Sommermonate kommt der touristische Dampfzug auf der Strecke zum Einsatz (www.alb-bahn.com/nostalgie/bummelzug-sonntag).
Die Öchsle-Schmalspurbahn zwischen Warthausen und Ochsenhausen ist ebenfalls in den Sommermonaten unterwegs. Gefahren wird immer Sonntags, einschließlich 10. Oktober, sowie an allen Donnerstagen von Juli bis Anfang September (www.oechsle-bahn.de).
Die „jüngste“ Streckenaktivierung, die Ablachtalbahn (Biberbahn – www.biberbahn.de) zwischen Mengen und Stockach, wird den Bahn-Freizeitverkehr mit Verzögerung aufnehmen. Just wenige Tage vor der Eröffnung im Juli wurden durch Unwetter die Bahngleise unterspült. Das Angebot (an Sonntagen wird die Strecke drei Mal in jede Richtung bedient) wird derzeit durch den Schienenersatzverkehr mit Bussen aufrecht erhalten. Der Förderverein Ablachtalbahn (www.foerderverein-ablachtalbahn.de) betreibt die Bahn.

 

Text und Fotos: Rüdiger Sinn 

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