Kürnbach - Wie in Aulendorf hergestellte Traktoren die Landwirtschaft revolutionierten, zeigt anschaulich eine Sonderausstellung im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach. Dabei wirken die in der Feldscheuer Kniesel ausgestellten Traktoren im Vergleich zu den heutigen Landmaschinen-Giganten geradezu wie Spielzeuge.
Sieben Minuten dauert der Film über den Einfluss von Lanz-Traktoren, die ab den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts im benachbarten Aulendorf gebaut wurden, auf die heimische Landwirtschaft. Toni (6) und Anna (4) schauen gebannt zu. Dabei handelt es sich nicht um Stadtkinder, sondern um Einheimische, die mit ihrer Mutter ins Museum gekommen sind. Experten gewissermaßen, die schon auf dem Hela-Traktor ihres Nachbarn mitgenommen wurden. Der Mythos lebt!
Die mechanische Werkstätte für Reparaturen an landwirtschaftlichen Geräten, 1888 in Aulendorf von Hermann Lanz sen. gegründet, 1914 vom Sohn Hermann Lanz jun. weitergeführt, entwickelte Geräte zur Feldbearbeitung wie Eggen, Pflüge und Walzen, aber auch Most- und Kartoffelpressen, Getreide- und Futterschneider. 1936 wurde der erste Schlepper vorgestellt, drei Jahre später, mittlerweile war Enkel Anton dabei, spezialisierte man sich auf Traktoren. In den 1940er Jahren kehrte Hermann Lanz freitags im Gasthaus „Hirschen“ in Zollenreute ein, um den hiesigen Bauern den „Bulldog“ schmackhaft zu machen. Er hörte sich auch um, was die individuellen Bedürfnisse der Bauern waren und baute die Traktoren nach den Wünschen seiner Kunden. Für Reparaturen und kostenlose Garantiearbeiten kam der HELA-Kundendienst auf den Hof.
Nach dem zweiten Weltkrieg von den Franzosen demontiert, konnte 1950 wieder eine Serienproduktion aufgenommen werden. Im Film sind neben den Traktoren, die schon mal von Frauen mit traditionellem Kopftuch durchs Dorf gelenkt wurden, noch Ochsen- und Pferdegespanne zu sehen. Aber immer häufiger übernahmen die robusten und langlebigen HELA-Schlepper die schweren Arbeiten.
Die Entwicklung vom legendären Samson zu Allrad-Boliden der 70er Jahre (54 PS mit ZF-Getriebe) fasst der Film unterhaltsam zusammen. Ausgestellt sind Modelle wie der HELA D 12 HS mit 12 PS von 1953, der alleine mit dem Motortyp MWMKD12E von 1952 bis 1958 über 1100 Mal gebaut wurde. Der Verkauf des Unternehmens 1979 bedeutete das Aus für die Traktorenproduktion in Aulendorf. Die Produktionshallen wurden 1995 abgerissen.
Gut erhaltene Traktoren und gut gemachte Filmbeiträge.
Geliehene Technik
Traktoren wurden im Lauf der Jahrzehnte immer größer, schwerer und teurer. „Heute noch sind deutsche Landmaschinenhersteller wie Fendt weltweit vorne“, erklärt Lukas Münch vom Maschinenring Biberach-Ehingen. Grundgedanke des bundesweit tätigen Maschinenrings mit seinen Unterverbänden auf Kreisebene ist es, teure Maschinen, die Landwirte sich kaufen, selbst aber nicht auslasten können, diese an andere Landwirte zur Miete zu vermitteln. Gefragt sind derzeit vor allem Güllefässer, um die in der Gülleverordnung vorgeschriebene bodennahe Ausbringung der Gülle auf dem Acker umzusetzen. „Diese Technik ist teuer“, bestätigt der gelernte Landwirt. „So ein anzuhängendes 15.000 Liter-Güllefass kostet über 100.000 Euro, Selbstfahrende kosten entsprechend mehr.“ Auf die Frage, ob die immer größer werdenden Maschinen den Boden nicht stark verdichten, erläutert Münch: “So ein Standardschlepper mit 200 bis 250 PS wiegt rund acht Tonnen und kostet je nach Ausstattung ab 150.000 Euro. Die Bodenverdichtung ist dabei kein Thema, da mittlerweile die Reifen viel größer geworden sind, womit der Bodendruck in Gramm pro Quadratmeter bei modernen Maschinen rund ein Drittel weniger beträgt als mit einem alten 50-PS-Lanz-Traktor.“ Das sieht das Umweltbundesamt deutlich kritischer, demnach müssten Böden in der Land- und Forstwirtschaft immer höhere Gewichte verkraften: Traktoren wiegen bis zu zehn Tonnen, Mähdrescher 27 Tonnen, ein Rübenroder zum Ernten von Zuckerrüben 60 Tonnen, hinzu kommen Erntetransporte bis zu 40 Tonnen. Dadurch verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die Bodenorganismen, außerdem werde die Versickerung von Regenwasser in den Boden eingeschränkt, warnt das Umweltbundesamt.
Parallelen von Acker und Straße drängen sich beim Museumsbesuch auf. Der in der Munitionslagerhalle ausgestellte hellblaue NSU Prinz von 1966, damals einer der am häufigsten abgesetzten Kleinwagen mit seinen gerade mal 30 PS, wäre neben einem heutigen SUV-Boliden auch geradezu niedlich klein. Zeitzeugen berichten hier im Video, wie das Auto zwischen 1950 und 1980 ihren Alltag, aber auch ihr Urlaubsverhalten veränderte. www.museumsdorf-kuernbach.de
Text und Fotos: Andrea Reck